Review

"Happy Death Day" wurde [Achtung: Spoiler!] schon über den Trailer als teeniegerechte "Groundhog Day"-Version des Slasherfilms angekündigt. Nach Betrachtung des Films ist diese Ankündigung auch noch einmal von ein paar Schlussdialogen explizit untermauert worden. Tatsächlich kommt diese Umschreibung auch ungefähr hin – mit dem kleinen Nachteil, dass "Happy Death Day" in seiner Beschaffenheit ungeheuerlich vorhersehbar und durchschaubar ist. In den ersten fünf Minuten, spätestens in den ersten zehn Minuten, wird dem Publikum unmissverständlich mitgeteilt, dass die junge Protagonistin Tree eine eher unsympathische Ziege ist, die sich ausschließlich für sich selbst interessiert und zum Finale einen moralischen Wandel zu durchlaufen hat. Mehrere Stationen durchläuft sie im Verlauf des Startes ihres ganz persönlichen Groundhog Days: Sie antwortet nicht ihrem Vater, obgleich sie seinen verpassten Anruf registriert, sie behandelt ihren One-Night-Stand arg schroff, sie ignoriert die engagierte, aber vergleichsweise rundliche Klimaschützerin, leistet einem zusammenbrechenden Burschenschaftler keine Hilfe, geht einem Ex-Liebhaber aus dem Weg, grüßt einer Bekannten nicht zurück, schmeißt das für sie bestimmte Geburtstagstörtchen einer Mitbewohnerin in den Müll, macht beim Bashing einer Mitstudentin mit, beleidigt nochmals ihren One-Night-Stand vor versammelter Mannschaft und betrügt schließlich mit einem Dozenten & Mediziner dessen Gattin. Am Ende ihres Geburtstages – und kurz vor ihrer Ermordung – steht dann noch einmal eine Nachricht ihres empörten Vaters auf ihrem Anrufbeantworter, nachdem sie ihn versetzt hat.
Diese plumpe und auch nicht sonderlich gewitzte Einführung macht rasend schnell klar, dass Tree arge charakterliche Defizite aufweist, die im Rahmen der kommenden Läuterung behoben werden müssen. Nun nimmt sich "Happy Death Day" allerdings keine Zeit, diesen Wandel halbwegs einfühlsam zu schildern – wird doch die Prägung der Hauptfigur durch ein winziges Handyvideo am zweiten Geburts-/Todestag und die kurze Aussprache mit dem vater gegen Ende erhellt – und kommt nicht annähernd an den durchaus guten, aber insgesamt auch etwas überschätzten "Groundhog Day" (1993) heran: Anstatt in die Tiefe zu gehen, wird der großen Aufgabe des moralischen Wandels nach "Groundhog Day"-Vorbild noch die kleine Aufgabe der Täter-Entlarvung an die Seite gestellt, wie man sie vor allem (aber nicht erst) aus dem Neo-Slasher à la "Scream" (1996) kennt.

Mehrfach hetzt der Film also von Trees Erwachen an ihrem Geburtstag zu ihrer Ermordung am späten Abend durch einen maskierten Killer. Aus der Not heraus tut sich Tree am vierten Tag mit ihrem One-Night-Stand zusammen: ein Film-Geek, der trotz seiner "Groundhog Day"- Kenntnisse nicht etwa davon ausgeht, dass Tree ihren Charakter ändern muss, sondern davon, dass sie den Killer entlarven und ihre Ermordung verhindern muss, um der Zeitschleife zu entgehen. Und obwohl es bloß zwei Personen gab, die Tree auch an diesem Tag auf charakterliche Mängel hingewiesen haben – nämlich ihren Vater und ihre Mitbewohnerin, die ihr ein Törtchen gebacken hat –, beginnt Tree ihre Tätersuche bei den unbedeutendsten Nebenfiguren und bricht sie schließlich vorzeitig ab.
Und weil dieser Slasher ohne echte Tote und ohne merkliche Relevanz begangener Taten an Spannung zu verlieren droht, erfolgt in der Halbzeit schließlich ein Zusammenbruch: Das ständige Ermordetwerden hat bereits zu schweren Traumata bei Tree geführt, die mit jedem Todestag körperlich etwas schwächer agiert (wovon aber nicht allzuviel zu sehen ist). Dass dann in der folgenden Hälfte ein - schon eingangs im Off anwesender - Serienkiller ins Spiel gebracht wird, welcher Trees Peiniger zu sein scheint, mutet ausgesprochen willkürlich an und entpuppt sich dann auch als unnötiger Schlenker, um ein wenig von der vorhersehbaren Konstruktion des eigentlichen Aufbaus abzulenken: Letztlich ist doch jene Mitbewohnerin, welche Trees Taten bereits einmal gerügt hat, die Täterin: Und erst deren Überwältigung führt schließlich zum Ausbruch aus der Zeitschleife – nicht etwa die schon Filmminuten (bzw. einen Todestag) zuvor einsetzende moralische Wandlung, die zum Unterschreiben der Klimaschutz-Petition oder zur Aussprache mit dem Vater geführt hat.

Dieser dramaturgische Aufbau ist durchaus stümperhaft: Der eingangs so deutlich angepeilte moralische Wandel, der am Ende auch durchaus die tragende Rolle spielt, steht schließlich in keinem Verhältnis zum Zeitschleifen-Dilemma der Figur. Denn nicht der Wandel, sondern erst die Entlarvung des Täters beendet ebendiese: Anstatt nämlich moralischen Wandel und Täter-Entlarvung gleichermaßen in derselben letzten Wiederholung des Geburtstages unterzubringen (was in irgendeiner besseren Drehbuchversion dieses schon 2007 angekündigten Werkes einmal der Fall gewesen sein mag), findet der moralische Wandel vor ihrer letzten (diesmal jedoch sehr gewaltarmen) Ermordung statt. Hätte die moralische Wandlung, die hier als Subtext und augenfälliges Strukturmoment des Films ein wichtige Rolle spielt, bereits ausgereicht, die Zeitschleife zu durchbrechen, so hätte die Figur eigentlich geläutert und erlöst nach dem Verzehr eines vergifteten Törtchens im Schlaf sterben müssen – ohne nochmals am selben Tag aufzuwachen. Und weil der moralische Wandel und das Zeitschleifen-Schicksal hier nicht mehr in einem handlungslogischen Kausalzusammenhang stehen, bleibt die Grundprämisse ziemlich unsinnig: Das Zeitschleifenschicksal ist keine Strafe einer (so übernatürlichen wie moralischen) Instanz, deren Aufhebung sich die Hauptfigur erst erarbeiten muss – sondern ein beliebiger übernatürlicher Zufall, der passenderweise genau auf den Geburts- und Todestag der Hauptfigur fällt. Diese holpernde Prämisse kann auch der Film-Geek an Trees Seite trotz aller Bemühungen nicht schönreden.
Dass der Film ungeschickt konzipiert worden ist, lässt sich auch an anderen Details erkennen: Zwar ist Tree am Ende ein besserer Mensch, der altruistisch und empathievoll handelt und erst dadurch zur wahren Liebe findet (welche ja zuvor so schmerzlich vermisst wurde, wenn man den Schmerz über die abwesende Mutter einmal ernst nimmt), aber die Inszenierung ist indes noch immer mehr auf die perfekte Form von Trees (Jessica Rothes) Körper aus und gibt etwa die weniger perfekte, etwas naive Klimaschützerin ebenso der Lächerlichkeit preis wie den klammheimlich schwulen Ex-Lover. Die dramaturgisch als oberflächlich desavouierte Schönheit wird inszenatorisch im Grunde bis zuletzt durchgehalten: auch wenn recht auffällig in der zweiten Hälfte zerlaufendes Mascara, ein bequemer Pulli und verwuschelte Haare Trees Outfit prägen. Die Befreiung von ihren einstigen Luxus-Klamotten wird dementsprechend auch ganz deutlich über einen Nacktauftritt am Campus und das spätere Wegwerfen ihre Stöckelschuhe unterstrichen. All dies verhindert aber eben nicht, dass der Film die Protagonistin mit nahezu perfekter Statur sehr souverän eine Klima-Petition unterzeichnen lässt, wohingegen sich die weniger perfekt gebaute Klimaschützerin wenig souverän einem Freudentaumel hingibt. Hier ist jede Menge Heuchelei im Spiel, die sich zur ungeschickt konzipierten Dramaturgie gesellt: Altruismus und Empathie werden hier weniger mit Demut bedient, sondern adeln einen erst so richtig und werden mit Souveränität und Coolness in einen Zusammenhang gebracht.
Damit passt "Happy Death Day" perfekt zu "Wish Upon" (2017), den anderen moralisierenden 2017er Teenie-Horrorfilm, der ebenfalls recht ungeschickt (bzw. noch etwas ungeschickter) auf die Virtualität alternativer Welten setzt, über welche eine Hauptfigur ihre aktuelle Lage zu verbessern gedenkt; und zu "Final Girls" (2015), dem Meta-Slasher, in welchem die Protagonistin in der Realität eines Films im Film ihre Beziehung zur Mutter neu verarbeiten kann. Scheinbar lassen sich (zwangsläufig immer auch ein bisschen selbstreflexive) Filme über virtuelle Alternativwelten, in denen junge Frauen ihre Hoffnungen und Ängste aufarbeiten, derzeit gut an ein jugendliches Publikum bringen, das sich an der Durchschaubarkeit der moralisierenden Botschaft kaum stößt: "Happy Death Day 2U" (2019) ist dann auch bereits abgedreht!

5,5/10

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