Erstmals versuchte sich die Institution „Tatort“ an einer Art Halloween-Special (ohne es so zu nennen): „Fürchte dich“, der sechste Fall des Ermittlerduos Janneke/Brix, wurde im Herbst 2016 unter der Regie Andy Fetschers („Bukarest Fleisch“) gedreht und pünktlich am letzten Sonntag vor Halloween 2017 zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Brix‘ Wohnstätte, ein ehemaliges Waisenhaus, muss als verwunschener Ort jahrzehntealter Tragödien und Haunted House für eine Spukgeschichte herhalten, die bis zum Ende rätselhaft bleibt, sich jedoch fleißig bei älteren und jüngeren Horrorgenre-Motiven bedient und die Existenz von Übernatürlichem gar nicht infrage stellt. Herausgekommen ist kein Krimi mehr, sondern ein waschechter humor- und ironiefreier Horrorfilm um Schuld, Vertuschung, kaputte Familien und letztlich gar Kindesmissbrauch, der zudem überraschend grafisch ausgefallen ist und bisweilen recht tief in die Schmink- und Spezialeffektkiste greift, und zwar auf ordentlichem Niveau. Trotz seiner teils für Genrekenner unschwer zu erkennenden Inspirationsquellen und der etwas sehr verwobenen Handlung (liebe „Tatort“-Drehbuchautoren, ihr bekommt nicht mehr als 90 Minuten, egal, wie viele Charaktere, Handlungsstränge und Wendungen ihr auf wie vielen Seiten unterbringt) zählt der zudem gut geschauspielerte „Fürchte dich“ damit zu den besten zeitgenössischen Horrorfilmen, die ich in letzter Zeit gesehen habe.
Fetschers Werk ist ein weiterer enorm polarisierender „Tatort“, der den Jugendschutz extrem ausdreht. Was da zur Prime Time gezeigt wurde, muss normalerweise auf einen Sendeplatz ab 22:00 Uhr verbannt werden. Gut so, denn evtl. trägt dieser Umstand in absehbarer Zeit zu einer Reformation entsprechender überholter Regularien bei und gesteht dem Publikum Erwachsenenunterhaltung bereits um 20:15 Uhr zu. In jedem Falle ist dieser „Tatort“ auch als Statement zugunsten der Akzeptanz des Halloween-Fests zu verstehen, das in diesem Jahr aufgrund des Zusammenfallens mit einem Luther-Jubiläum erstmals bundesweiter Feiertag war und mir ohnehin seit jeher wesentlich näher stand als jedweder religiös-mythologisch definierte Anlass. Noch ein Grund mehr für konservative Kritiker, diesen „Tatort“ zu hassen.