Edie hat 30 Jahre lang ihren fast bewegungsunfähigen Mann gepflegt. Seit ihrer Jugend hat sie ihre Träume beiseite gelegt und war immer nur für andere da. Als Kind war Edie gerne mit ihrem Vater campen, und sie haben beide einen Traum gehabt: Den Suilven im Nordwesten Schottlands zu besteigen. Jetzt ist Edie alt, sehr alt. Ihr Mann ist tot, das Haus ist verkauft, und auf sie wartet das langsame Vermodern im Pflegeheim. Beim Ausräumen ihres Hauses fällt Edie eine Postkarte ihres Vaters mit dem Suilven als Motiv in die Hände. Woraufhin sie ihre sieben Sachen packt, den alten Campingkocher von anno dunnemals, den großen Koffer und den alten Rucksack, und sich in den Nachtzug nach Schottland setzt. Dort sind zwar die meisten Menschen der Meinung, dass sie zu alt sei, aber Edie ist stur. Verdammt stur. Und sie hat einen Guide: Jonny, den jungen Mann aus dem Laden für Campingbedarf, der zwar eigentlich dachte, dass sie nur eine alte schrullige Schachtel sei die ihm leichtverdiente 700 Pfund bringt. Aber ganz allmählich merkt Jonny, dass in Edie sehr viel mehr steckt als man denkt. Dass sie ein prima Kerl ist, mit dem man Pferde stehlen kann. Und dass sie bedeutend mehr auf dem Kasten hat, als seine ganzen jungen Kumpels aus dem Ort.
Und so sehen wir eine Geschichte vor unseren Augen ablaufen, die uns wieder einmal erzählt wie wichtig es doch sei, sich seine Träume zu erfüllen. Ist es auch, und ich weiß aus persönlicher Warte sehr genau wovon ich rede. Nur dummerweise hat die Story von EDIE dabei keinerlei Überraschungen zu bieten, sondern erzählt einen nach Punkt und Komma vorhersehbaren Arthouse-Ablauf mit allen Fettnäpfchen die man sich so vorstellen kann. Eine gute Geschichte mit wichtigen Impulsen für den Zuschauer, aber eben nach Standard.
Womit EDIE dann aber letzten Endes doch punkten kann sind drei Dinge: Da wäre zum einen die herrlich mürrische und knorrige 83-jährige Sheila Hancock als Edie, die ihre rund 60 Jahre Erfahrung aus Fernsehen, Bühne und Film in einer Paraderolle einbringen kann, und damit wahrscheinlich so ziemlich jedes Herz im Sturm erobert, auch wenn sich ihr spröder Charme nur sehr allmählich entfaltet. Und hey, die Dame ist 83 Jahre alt! Ich kenne viele, die schon mit 38 nicht mehr so rüstig sind …
Das zweite ist natürlich die unglaubliche Landschaft Schottlands. Assynt, die einsame und wilde Gegend des Nordwestens, ist mit herrlichen Bildern eingefangen, und wenn sich am Ende des Films Edie ihren Traum erfüllt hat und die Kamera in den Hintergründen schwelgt, dann geht jedem Naturliebhaber das Herz auf, und den Schottlandfans (wie mir) sowieso. Sehnsucht pur!
Der dritte Punkt ist der wunderbare und punktgenaue Schluss. Im Ernst, EDIE endet an der perfekten Stelle, und ist damit keine einzige Minute zu lang. Überhaupt hat es, bei aller Vorhersehbarkeit der Geschichte, keinen Moment Langeweile! Vielleicht einiges an Momenten zum Fremdschämen, aber spannenderweise folgt man der Geschichte als ob sie völlig neu wäre. Und das Ende genau am perfekten Höhepunkt ist einfach grandios.
Auch wenn also meine einleitenden Worte vielleicht ein wenig harsch klangen, so ist EDIE in jedem Fall ein schöner Träum- und Sehnsuchtsfilm zum Entspannen, mit großartigen Schauspielern und einer noch großartigeren Landschaft. Passt …