Jetzt mal Butter bei die Fische. Kommen wir heute zu dem Meisterwerk, das die absolute Nr. 1 auf meiner persönlichen Filmliste ist. Die Rede ist von "Aliens - Die Rückkehr". Es ist DER Film, der die meisten Emotionen bei mir verursacht, unglaublich spannend und atemberaubend geraten ist, mit einer brillianten Charakterzeichnung aufwartet und zu dem zeitlose Action mit fetten Wummen bietet. Natürlich gibt es mit Sicherheit eine ganze Menge Filme, die ich als Favoriten haben könnte, aber wenn ich mir einen aussuchen müsste, ist es eben Cameron´s "Aliens". In diesem Genre liegt lediglich noch "Predator" auf gleicher Augenhöhe. Doch der Reihe nach...
Schon die Entstehungsgeschichte und unterschiedlichen Entwicklungen zu diesem Hammerfilm sind interessant. Mehrere Faktoren spielten zusammen oder gegeneinander, dass es diesen Film überhaupt gibt, wie wir ihn kennen, bzw. dass dieser Film (samt seinen Fortsetzungen) überhaupt existiert. Nach dem Erfolg von "Alien" (1979) gab es in den Jahren danach ähnlich gelagerte Filme, die auf der Welle mitschwimmen wollten, aber allesamt an den Kinokassen floppten. Deswegen war man bei 20th Century Fox sehr skeptisch, ob sich eine Fortsetzung finanziell überhaupt lohnen würde. Bei der Koproduktionsfirma von Alien, Brandywine Productions (Gordon Carroll, David Giler und Walter Hill) glaubte man jedoch an den Erfolg einer Fortsetzung (auch dank der großen Fanbase, die ein Sequel forderten). Jedoch war das Trio sich einig, dass man einen anderen Ansatz für den zweiten Teil bräuchte. Das heißt: Statt subtiler Horror sollte knallharte Action im Vordergrund stehen.
Die Brandywine Productions engagierten für das Drehbuch den gerade mal 31 Jahre alten James Cameron, da sie von Cameron´s "Terminator" absolut begeistert waren. Als Vorgabe für das Drehbuch erhielt er nur zwei Sachen: Diesmal sollte nicht nur ein, sondern dutzende Aliens den Menschen das Überleben schwer machen und die zweite Bedingung war: Sigourney Weaver in der Hauptrolle, gepaart mit Soldaten.
Nach mehreren Monaten war das entgültige Drehbuch dann fertig. Von Cameron´s ersten 45 Seiten umfassenden Entwurf blieb (zum Glück) nicht mehr all so viel übrig. An dieser Stelle nenne ich gerade einmal die gröbsten Änderungen: Hicks (Michael Biehn) sollte gegen Ende in dem alientypischen Kokon eingesponnen werden und somit nicht überleben. Die Figur des zwielichtigen Carter Burke (Paul Reiser) fehlte in dem ersten Entwurf. Hauptprotagonisten Weaver bekam für ihren Charakter einen ganz anderen Background: Zunächst wurde sie als geschiedene Ehefrau beschrieben, die eine Tochter hatte, die ihr die Weltraumreise (ganz abgesehen von den tragischen Ereignissen, sondern einfach, weil sie sich vernachlässigt fühlte) nie verzeihen konnte. Von dieser Ripley-Version unterschied sich der Charakter im finalen Drehbuch.Zwar hatte sie eine Tochter, aber da die Geschichte 57 Jahre nach dem ersten Teil spielt, war diese Tochter verstorben. Das sie jemals verheiratet war, wurde gestrichen. Die Charaktereigenschaften blieben jedoch gleich: Aus dem naiven Mauerblümchen, die den ersten Teil als einzigster Mensch überlebt hat, wurde eine widerstandsfähige Frau und eine starke Persönlichkeit, die zu keiner Zeit Probleme hat, zur Waffe zu greifen. In der jungen Newt/Rebecca (Carrie Henn) sah sie quasi ihre Ersatztochter, der sie ihre Liebe als Mutter schenken konnte.
Auch der Android Bishop (Lance Henriksen) wurde im entgültigen viel menschlicher dargestellt, der Emotionen zeigen konnte und durch ein Update niemals einem Menschen Schaden zufügen könnte (Wir erinnern uns noch an den Androiden aus dem Erstling: Dieser war von der Firma Weyland Yutani auf eine hinterhältige, ganz eigene Mission programmiert worden).
Zu den ganzen Drehbuchänderungen vertiefte Cameron das Lebewesen "Alien", seine Charaktereigenschaften, sein Überlebenstrieb. Er verglich die Xenomorphs mit Bienen, die in Stöcken leben und von einer Königin gezeugt werden. Daher bekommt man im Schlussakt auch den finalen Kampf mit dieser Aliequeen zu sehen. Soweit zum Drehbuch und seiner interessanten Entstehungsgeschichte.
Weitere Personen, die auch einen Teil zum Erfolg dieses Films geleistet haben, sind Simon Atherton, Andrew Fletcher, Terry English, Ron Cobb und Crispian Sallis.
Während Ron Cobb und Crispian Sallis Cameron dabei halfen, den Koloniekomplex innen wie auch außen zu entwerfen, waren Atherton, Fletcher und English mit der Mammut-Aufgabe beschäftigt, die Ausrüstung, Waffen und Fahrzeuge der Marines zu gestalten. Ein Projekt, in das viel Aufwand und Zeit reingesteckt wurde. Die Ausrüstung sollte nach HighTech der Zukunft aussehen und ganz ehrlich: Selbst heute im Jahr 2013 (fast 30 Jahre nach dem Dreh!) sehen die Schutzwesten und Waffen noch futuristisch und schweinegeil aus.
Die Waffen der Marines entstanden aus diversen Einzelteilen verschiedener (echter) Waffen, natürlich gepaart mit ein wenig Fantasie. Unter anderem kamen Teile der amerikanischen Maschinenpistole Thompson M1A1, einer Franchi SPAS-12 Schrotflinte, einer Remington 870 Repetierflinte, einer MG42 (ein Relikt der deutschen Wehrmacht) und einer Heckler & Koch HK VP70 zum Einsatz.
Wie der geneigte Waffennarr sehen kann: Waffen von verschiedenen Kontinenten sämtlicher Zeitepochen des 20. Jahrhundert - wie gesagt, nur das Beste für unsere tapferen Marines.
Wie ich es eben bereits erwähnte, sämtliche fiktive Waffen sind absolut genial gestaltet, haben Firepower wie ich morgens Mundgeruch und würden vom technischen Aspekt nicht funktionieren sondern einfach in der Hand explodieren. Aber wen juckt das schon?
Absolut genial ist auch die Charakterzeichnung der Marines und sonstigen wichtigen Nebenfiguren, dass jedes Ableben schmerzt.
Dabei kann man die Marines in drei Gruppen aufteilen:
a) Statisten-Rollen
b) Charaktere, die frühzeitig sterben und
c) Figuren, die ziemlich lange dabei sind und vielleicht den Abspann überleben.
Dieser immens tiefe Backround hat mich schon immer fasziniert und ich hatte sehr oft die ersten sechzig Minuten angeschaut, wobei ich versucht hatte, jegliche Figur innerlich aufzusaugen. Das Hauptaugenmerk lag gerade bei den Marines, die kaum Screentime hatten.
Unter Kategorie a) also Figuren, die nicht sonderlich auffallen der zwölf Marines kann man leider schon fünf Leute verbuchen. Während die weibliche Flugzeugpilotin Coporal Ferro (Colette Hiller) zwar sehr tough rüberkommt und länger überlebt wie andere, hat sie "berufsbedingt" wenig Screentime, da sie zusammen mit Co-Pilot Private Wierzbowski (Trevor Steedman) auf dem Mutterschiff bleibt. Wierzbowski selbst sieht man noch seltener, meistens in Szenen, in denen situationsbedingt mehrere Gruppenmitglieder nebeneinander sitzen/stehen. Das gleiche Schicksal ereilt Private Spunkmeyer (Daniel Kash), der jedoch im Gegensatz zu Wierzbowski immerhin ein paar Dialoge sprechen darf.
Ein weiterer weiblicher Kandidat ist Corporal Dietrich (Cynthia Scott). Ein paar Dialoge, ein paar Szenen, insgesamt sehr schwach gezeichnet und bumm - das war es. Das absolute Schlusslicht von diesem Statisten-Quintett stellt eindeutig Private Crowe (Tip Tipping) dar. Ich kann den Film hoch und runter, vor und zurückspulen - ja, in Zeitlupe laufen lassen. Private Crow sieht man tatsächlich nur ein einziges Mal und zwar bei seinem Tod. Sollte einer von euch doch noch eine Szene mit ihm entdecken, so solle er mich anrufen. Ich würde mich darüber freuen.
Gruppe b) unter die man jedoch nur Marines einordnen kann, sind Charaktere mit guter Charakterzeichnung und etwas mehr Screentime. Sozusagen Leute, deren Verlust beim Zuschauer schon weh tut. Private Frost (Ricco Ross) ist dabei noch die Figur, auf die ich noch am ehesten verzichten könnte. Neben ihm sterben beim ersten Angriff der Aliens auch noch der Chef, Sgt. Apone (Al Mattews) und Private Drake (Mark Rolstone). Beides Persönlichkeiten, die ich noch gerne länger gesehen hätte. Apone wegen seiner Macho-Allüren und dem Führungsstil. Und vorallem Private Drake wäre für manche Szenen noch ganz gut aufgehoben gewesen, da sein Charakter hervorstecht und eher an einen durchgeknallten Waffenfreak als an einen Marine erinnert.
Wer richtig mitgezählt hat, wird bemerken, dass lediglich vier Marines den ersten Alien-Angriff überleben *schnief*. Darunter fallen Lt. Gorman (William Hope), Private Hudson (Bill Paxton), Corporal Hicks (Michael Biehn) und der dritte weibliche Soldat Private Vasquez (Jenette Goldstein), die mit den anderen zivilen Boardmitgliedern ums Überleben kämpfen. Darunter fallen natürlich Ellen Ripley (Sigourney Weaver), der menschliche Android Bishop (Lance Henriksen), der hinterhältige Carter Burke (Paul Reiser) und das Mädchen Newt (Carrie Henn).
Jeder Tod eines Marines treibt mir Tränen in die Augen, lediglich bei Carter Burke´s Ableben knallen die Sektkorken - ja, so intensiv fühlt man mit den fiktiven Figuren mit.
Vom Drehbuch über Ausrüstung, den Locations und Charakterzeichnung stimmt also alles bis ins kleinste Detail - aber "Aliens - Die Rückkehr" wäre nicht mein Lieblingsfilm, wenn nicht auch der Rest in totaler Perfektion abgefilmt wäre.
Obwohl in der ersten Stunde nicht viel passiert, fesselt der Film den Zuschauer ab der ersten Minute. Zuerst konzentriert sich die Handlung um Ripley´s Schicksal nach dem ersten Teil, wobei Fans des Ur-Alien von 1979 mit der Zunge schnalzen werden. Danach beginnt die Mission auf den entfernten Planeten. Die positive Grundstimmung und die Kameradschaft der kleinen Elite-Gruppe, die bis an die Zähne bewaffnet sind, schwappt auf den Zuschauer über - so nach dem Motto: Yeah, jetzt bekommen die Aliens mal richtig schön den Hintern versohlt.
Dann folgt die Landung auf den Planeten in der Kolonie LV-426. An dieser Stelle kommt Cameron´s Werk dem Original am Nächsten. Wo sind die ganzen Siedler? Was ist hier passiert? Sind es wirklich die bösen, außerirdischen Kreaturen schuld, wie es Ripley prophezeit hatte? Cameron setzt seine Truppe in der menschenleeren Kolonie ab, bei der er sehr auf blaue Farbfilter setzt, die für ihn das Symbol für kalte Zerstörung steht. Der momentan herrschende subtile Horror wird mit dem Score von James Horner untermalt und durch ein simples Gadget erreicht der Spannungslevel die höchste Stufe: Ein kleiner Handmonitor, in dem Sensoren verbaut sind, um Bewegungen zu orten, auch durch Wände bzw. Decken. Dieser Bewegungssensor reagiert mit einem monotonen, herzschlagartigen Geräusch, das wortwörtlich den Pulsschlag des Gerätes erhöht, je näher ein Lebewesen sich nähert.
Hinzu kommen dezent platzierte Schockeffekte, die den Zuschauer direkt am Schicksal der Truppe teilhaben lassen. Bis eben die Hölle ausbricht und die Aliens angreifen...
Von da an gibt es Nonstop-Action gepaart mit Spannung auf höchstem Niveau. Die erste Angriffswelle gerät für den Zuschauer recht unübersichtlich - dieses einfache Mittel dient dazu, dass der Zuschauer bemerkt, in was für einem unkontrollierbarem Schlamassel sich die Truppe befindet. Aus perfekten Soldaten werden Opfer.
Später Passagen werden auch wieder teilweise "ruhig", auch der exzellente Bewegungsmelder kommt wieder zum Einsatz.
Für mich war und ist "Aliens" Kino in Perfektion - was würde ich dafür geben, diesen Streifen auf der großen Leinwand zu sehen...
Weitere kleine Randnotizen, die sicherlich erwähnenswert sind:
- Ursprünglich sollte James Remar die Rolle von Hicks spielen, doch aufgrund Differenzen zwischen ihm und Cameron wurde Remar aussortiert und durch Michael Biehn ersetzt. An einigen Stellen ist Remar sogar zu sehen, jedoch Close Ups, in denen Remar deutlich erkennbar ist, mussten mit Michael Biehn nachgedreht werden. (Oder könnt ihr euch einen "Zurück in die Zukunft" mit Eric Roberts anstelle von Michael J. Fox vorstellen? Nie im Leben! Das war ja damals so ein ähnlicher Fall).
- Das Budget des Films betrug 18,5 Mio US-Dollar, Sigourney Weaver bekam für damalige (Frauen-)verhältnisse eine sehr hohe Gage: 1 Mio Dollar. Heute, nicht mal dreißig Jahre später, bekommen Topstars 30 Mio Dollar für einen (Durchschnitts-)Film.
- 20th Century Fox wollte von Anfang an, dass dieses "Aliens"-Projekt maximal zwei Stunden Laufzeit bietet, da man ihn dadurch öfters am Tag in den Kinos spielen konnte. Heraus kam eine 137 Minuten lange zwangsgeschnittene Fassung. Erst 1999 wurde der Director´s Cut mit 154 Minuten Laufzeit veröffentlicht. Jede dieser 17 Minuten ist Gold wert, wenn man sich mal den Bonus anschaut. Die Charaktere wurden vertieft und selbst spannende Passagen fielen der Schere zum Opfer.
Mich würde mal interessieren, wenn das Studio damals nicht diese blöde Laufzeitbedingung gestellt hätte, wäre vielleicht sogar eine 180 Minuten oder noch längere Fassung herausgekommen. Ich will gar nicht wissen, was Cameron schon von sich aus selbst aus dem Drehbuch mit Edding streichte. Szenen, die er vielleicht gerne abgedreht hätte aber schon wusste, dass sie die 2-Stunden-Klausel verletzen würde.
Und genau dort liegt der Wurm und mein einziger Mini-Kritikpunkt begraben. Gerade den Marines mit wenig Spielzeit hätte man in einer noch längeren Fassung mehr Background geben können, vielleicht auch den ein oder anderen nicht so schnell aus dem Drehbuch zu killen. Gerade bei Drake hat es mich richtig angepisst - der Junge hätte bestimmt noch einigen Aliens den Arsch aufgerissen.
Als Kauf kommt natürlich nur die Blu Ray Quadrology-Box (Stand: März 2013) in Frage, unabhängig ob man die anderen drei Teile mag oder nicht.
Nicht nur, dass jeder dieser vier Filme einen längeren Director´s Cut und unendlich viel Bonusmaterial zu bieten hat - gerade Teil 1 und 2 sehen fantastisch und unendlich scharf aus. So als hätte man die Filme erst nach 2000 gedreht. Das Drehjahr kann man lediglich an den Frisuren oder an den leider in die Jahre gekommen Alien-FX erahnen.
Zeitloses Kino in Perfektion.
10/10