Dass "Phone" über weite Strecken sehr ruhig und - zumindest was meine Sehgewohnheiten betrifft - auch etwas behäbig geraten ist, das ist nicht das eigentliche Problem. Die Bezeichnung Horrorfilm ist nun mal ein sehr allgemeines und bisweilen auch wenig aussagekräftiges Attribut. Auf der einen Seite könnte man meinen, dass eine vordergründig simple, subtile Geistergeschichte keinen Schrecken mehr bereithalten kann, für Zuschauer, die bereits in unzähligen phantastischen Filmen mit all jenem konfrontiert wurden, was in einem Lexikon des Aberglaubens Eintrag findet. Keine irdische oder überirdische Kreatur, welche die menschliche Vorstellungskraft jemals hervorgebracht hätte, die dem interessierten Filmfreund nicht schon in mehrfach verschiedener Darstellung begegnet wäre - mal mehr, mal weniger explizit.
Dann gibt es aber eine Reihe von Filmen, die gar nicht unbedingt als Horrorfilm verstanden werden (vielleicht auch gar nicht verstanden werden möchten), die aber schlichtweg ein unheimliches Entsetzen beim Zuschauer auslösen können. "Mulholland Drive" etwa schafft es noch beim x-ten Anschauen, bei mir Beklemmung und Gänsehaut zu erzeugen. "Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist ebenfalls ein unverwüstliches Beispiel für einen wirklich unheimlichen Film und sogar das sonnendurchflutete Drama "Picknick am Valentinstag" hat Momente, in denen mir das Blut gefriert.
Asiatisches Horrorkino spielt sich für gewöhnlich vor dem Hintergrund des Alltäglichen ab und verwebt dann das scheinbar Vertraute mit einer zweiten Realität - einer Wirklichkeit des Übernatürlichen. Und zugegeben: würden uns im Alltag Erscheinungen heimsuchen, wie sie uns im asiatischen Gruselfilm begegenen, sähen wir plötzlich Gesichter von Toten im Spiegel, dann stünde wohl außer Frage, welche Dimensionen Angst und Schrecken tatsächlich annehmen können.
Daher hat mich bei "Phone" fundamental gestört, dass der ruhige Fluß der Erzählhandlung (die bis ins letzte Drittel des Films wirklich nur sehr leidlich spannend ist und erst kurz vor Schluß etwas Tempo entwickelt) durch ein paar äußerst unoriginelle Schockeffekte immer wieder unterbrochen wird. Alles was "Phone" an shocks aufzubieten hat, wurde scheinbar aus ähnlichen Filmen dieses Genres recycled. Jedenfalls kann ich mich an nicht eine einzige innovative Idee in dieser Hinsicht erinnern. Ich kann mich durchaus auf einen Film einlassen, dessen Erzählweise Aufmerksamkeit und Geduld erfordert. Meine Aufmerksamkeitsspanne benötigt auch nicht alle paar Minuten eine plakative (in der Regel wenig originell durch laute Musikeffekte unterlegte) Schocksequenz, damit mein Interesse nicht verloren geht. Als Stilmittel wäre das durchaus in Ordnung, grundsätzlich sogar wünschenswert, dann aber bitte als homogener Teil des Ganzen und nicht wie nachträglich eingefügte Hingucker. "Phone" kommt diesbezüglich leider mit vielen billigen thrills daher.
Das recht furiose, poesque Ende entschädigt dann leider auch nicht für alles, über das man sich fast 90 Minuten lang vorher ärgern musste. Handwerklich ist "Phone" im übrigen recht gut gemacht und mitnichten ein Totalausfall. Ich bin aber nicht bereit, eine gute bis sehr gute Wertung (was für mich gleichbedeutend mit einer uneingeschränkten Empfehlung ist) auszusprechen, für einen Vertreter eines Genres, welcher wirklich keine Weiterentwicklung bietet und stattdessen nur Variationen abliefert, aus denen unlängst Klischees geworden sind (und damit meine ich nicht nur Geisterwesen mit langen, schwarzen Haaren, wie sie nun mal bei Asiaten die Regel sind). Als nervig empfand ich im übrigen auch das ständige Telefongebimmel, was meinen Eindruck verstärkte, dass der Regisseur für den Zuschauer alle paar Minuten einen Wecker klingeln lassen wollte (siehe billige Schockeffekte oben).
Für ein wirkliches Beziehungsdrama taugt mir "Phone" dann auch nicht. Dafür bleiben die Protagonisten mit ihrer (für mich als tumben Westeuropäer) typisch asiatischen, unnahbaren Mentalität einfach zu eindimensional. Zeigen die Charaktere dann doch einmal Gefühle, so kommt das gleich als gnadenlos übertriebenes overacting rüber. Die (ansonsten recht gelungene) deutsche Synchronisation ist hier dann auch wenig hilfreich. In anderen Genres (z.B. einem Splatterfilm) kann man leicht mit derartigen Defiziten leben. Für ein Drama ist mir das zu wenig.
Fazit: Jede Form von Kunst sollte wohl vermeiden Klischees zu erzeugen und stattdessen ein Mindesmaß an Originalität bieten. Denn sonst wird aus einem Original ein beliebig vervielfältigbarer Kunstdruck und irgendwann hat man dann lediglich noch hübsches Geschenkpapier, aber keine Kunst mehr. "Phone" hat mich, was diesen Anspruch betrifft, ziemlich enttäuscht und daher kommt für mich als Bewertung nur eine absolut mittelmäßige Bewertung in Frage: 5 / 10 Punkten. Kann man sehen, muss man aber nicht gesehen haben.