Grundlegende Fundamente hat Marcus Nispels Neuauflage vom "Texas Chainsaw Massacre" in Sachen Story mit seinem Original gemein. Wieder geht es um fünf Teenager, die in die Fänge des kranken Leatherface und seiner Familie geraten. Doch Nispel inszeniert seine Version bereits zu Beginn etwas anders. Die Gruppe gabelt eine verstörte junge Frau am Wegrand auf, welcher sie helfen wollen, indem sie sie zum nächsten kleinen Kaff mitnehmen. Doch genau von da kommt sie her und ist dem Tod gerade so entkommen. Weil sie weiß, was sie erwartet, nimmt sie sich noch im Van der Gruppe mit einer Pistole das Leben. Schockiert kommen die fünf endlich im kleinen Nestchen an und wollen dem Sheriff den Selbstmord melden, wissen aber nicht, dass sie in ihr eigenes Verderben rennen.
Bei dieser Neuauflage handelt es sich um Nispels Kinoregiedebüt, der sich zuvor mit Musikvideos einen Namen gemacht hat. Er gibt sich nicht zufrieden, Tobe Hoopers Werk blind abzukupfern, sondern schafft teilweise eigene Handlungsstränge, ändert Szenen ab und lässt andere ganz unter den Tisch fallen. Selbst die Charaktere wurden teilweise verändert und die Tötungen sind ebenfalls frisch inszeniert. Quasi wird das alte Grundgerüst des 74er Originals zur Spielwiese für Nispels eigene Ideen.
Durch die leicht veränderte Story und Charaktere verändert sich auch der Grad der Verstörtheit. Leatherface und Familie wirken nicht mehr ganz so krank, animalisch und geistesgestört wie im Original. Das mag Fans vielleicht enttäuschen, dennoch beinhaltet die Neuversion ebenfalls einen gewissen Grad an Abartigkeit, der nicht zu übersehen ist - vorallem für die, die mit der Materie "Horrorfilm" noch nicht allzu viele Erfahrungen gemacht haben. Der Goregehalt hat etwas abgenommen, ist dafür aber sauberer inszeniert als im Original. Die Gewaltakte wirken nicht mehr so gekünstelt wie in der 74er Version, was aber einfach an der fortgeschritteneren Technik liegt. Man wünscht sich vielleicht etwas mehr Einfallsreichtum und Detail bei den blutigen Momenten, alles in allem gehen sie aber schon in Ordnung.
Was die Atmosphäre angeht, kann man Nispel durchaus ein Lob aussprechen. Mit ausgefeilten Kameraperspektiven und cleverem Spiel mit Licht und Dunkelheit schafft er eine durchaus angespannte Atmosphäre. Die Sets und Locations sind auch recht gut gelungen. Einzig und alleine der teilweise etwas hektische Schnitt verdirbt stellenweise den sonst filmtechnisch durchaus akzeptablen Streifen. So richtig beklemmend oder herzklopfend spannend wird es zwar nicht, aber vorallem gen Schluss darf man schon zumindest etwas mitzittern. Leider ist der Film etwas zu vorhersehbar - ein Manko, mit dem schon "Wrong Turn" aufwarten konnte. Eine Referenz in Sachen Schaudern schafft Nispel in der Tat nicht - aber das war auch nicht wirklich zu erwarten.
Was sonst noch stört, sind teilweise einige nervende Klischees, wie die ständige Spielerei mit den Gucklöchern oder wenn sich Erin durch beherzte "Hey, hier her!"-Rufe bei Leatherface Aufmerksamkeit erhofft, mit dem Hintergedanken, ihn mit einem Beil niederzustrecken. Glücklicherweise verfällt die Neuauflage trotz einigen nervenden Ansätzen nie ins Genre des Teenieslashers und bleibt eher dem Vorbild treu.
Die Schauspieler verdienen keinen Oscar, sind dennoch allesamt gut besetzt und ziehen ihren Part routiniert durch - auch wenn das Gekreische der Mädels manchmal auf die Nerven geht. Hervorzuheben ist Jessica Biel, die neben der Optik auch durch ihr zumindest durchschnittliches schauspielerisches Talent überzeugen kann und den Film etwas ansehnlicher macht.
Als Fazit lässt sich sagen, dass das Kettensägengeschwinge in der 2003er Auflage guter Durchschnitt ist. Manchmal zwar leider zu vorhersehbar und etwas zu sehr in Richtung Popcornkino gehend, es verfällt aber nie dem Teenieslasher-Trend und folgt zumindest grob gesehen seinem Vorbild. Technisch gibt’s nichts zu meckern - vorallem im Vergleich zur 74er Fassung. Die Fans, Liebhaber und Kenner des Originals sollten ihre Erwartungen nicht zu hoch ansetzen, ansonsten könnte sich ziemlich schnell Enttäuschung über Nispels Variante breit machen. Allen anderen (mit nicht all zu schwachen Nerven) sei ein Blick ans Herz gelegt...besser als "Wrong Turn" ist das neue "Texas Chainsaw Massacre" allemal.