Volle Breitseite gegen die Weltpolizei
"War Machine" ist ein Mix aus "Dr. Strangelove...", "Lord of War" und "Full Metal Jacket", tanzt auf dieser Messers Schneide riskant umher. Nur einer tanzt noch mutiger, nämlich Brad Pitt als Hauptdarsteller und Faszinosum. Liebt man oder hasst man - mich hat er weggeblasen. So stark habe ich ihn lange nicht mehr gesehen, eine polarisierende Tour de Force. Viel besser als in größeren Produktionen ala "Allied" und das während der wohl schwersten Zeit seines privaten Lebens. Endlich ist er mal wieder lustig, endlich mal wieder Over-The-Top, endlich geht er mal wieder All-In. Eine Performance, wie man sie heutzutage nicht mehr oft sieht, die Eier zeigt und die den Film alleine sehenswert macht. Vergisst man nicht so schnell! Der Charakter wächst einem als Herz. Unfassbar! Die auf wahren Begebenheiten beruhende Kriegs-Satire um einen sympathischen aber ungeschickten US-General, der den Afghanistan-Krieg beenden soll, bietet jedoch noch Einiges mehr als nur seinen aufs Ganze gehenden Superstar.
Der Film hat mehr witzige, ironische Töne als ernste, daher wirken letztere manchmal etwas fehl am Platz. Trotzdem funktionieren beide Seiten der Medaille nur zusammen und profitieren voneinander. Wie clever, fein und elegant hier das US-Militär und die ganze Philosophie eines kriegsgeilen Landes angeprangert werden, ist grosse Klasse. Dazu ein herausragendes Ensemble, bei dem einer Tilda Swinton eine beeindruckende Szene als deutsche Abgeordnete reicht, um im Gedächtnis zu bleiben. Schnell geschnitten, haarscharf geschrieben, eine Parodie wie man sie lange nicht mehr gesehen hat. Und das i-Tüpfelchen: egal wie seltsam, aus der Zeit gefallen und aggressiv der General und sein Team sein können, der Regisseur und das markige Script lassen ihnen Würde, Respekt, Liebe füreinander und sogar gehörig Sympathie. Das muss man bei so beschämenden und lernresistenten Themen erstmal hinbekommen. Soldaten sind eben auch nur Menschen.
Vor allem Pitts Viersterne-General MacMahon ist ein vielschichtiger und guter Mann - nur eben im falschen Krieg, vielleicht sogar im falschen Zeitalter oder der falschen Branche. Egal wie sehr er Krieg liebt. Die Schlusspointe sitzt perfekt, Ben Kingsley ist als afghanischer Übergangspräsi ist gut wie lange nicht mehr und "War Machine" schafft es, die Sinnlosigkeit einer komplexen, undurchschaubaren Kriegsmaschinerie zu entlarven. Egal wie laut man lacht, denkt man länger nach, wird der Beigeschmack von Minute zu Minute bitterer. Ein wichtiger, sehenswerter Film. Vor allem für Amerikaner. Und wenn es ganz tief drin sogar ein General MacMahon rafft, dann könnt ihr das doch auch, oder?
Fazit: selbst solche bissigen Satiren lassen die Weltmacht nicht lernen... "War Machine" glänzt mit schwarzer Ironie, bitterer Verzweiflung und einem faszinierenden Brad Pitt! Einer der besseren Netflix-Exclusives.