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Weiterer Beitrag des südkoreanischen Kinos zum dort seit Jahren florierenden Gangstergenre, allerdings auch qualitativ immer noch mit recht beeindruckenden Beispielen gesegnet und so Tag ein, Tag aus auch mit Hoffnung ein weiteres Exemplar dergleichen besetzt. The Villainess macht die kleine Ausnahme von der Regel, nicht die des Gütegrades und der Sorgfalt der Produktionen betreffend, sondern in der Formulierung der Geschichte, und dies sowohl von einigen Facetten der Inszenierung und der Herangehensweise an die Figuren her als auch der Hauptrolle mit einer Frau, der Villainess, was auch im Asiatischen Filmland immer noch bzw. eher wieder die seltene Erscheinung ist. (Das seit den Neunzigern tote Girls with Guns Genre mal ausgeklammert.):

Nach dem gewalttätigen Tod ihres Vaters wird die kleine Sook-hee von Lee Joong-sang [ Shin Ha-kyun ] aufgenommen und zur Killerin herangebildet, die als erwachsene Frau [ Kim Ok-bin ] allerdings während eines verheerenden Rachefeldzuges von den staatlichen Organisationen geschnappt und in deren Reihen zur gehorsamen Schülerin mit gleichen tödlichen Eigenschaften 'umprogrammiert' werden soll. Nach entsprechenden Training und Lektionen unter Führung von Kwon-sook [ Kim Seo-hyung ] wird die zwischenzeitlich zur Mutter gewordene Sook-hee mitsamt ihrer kleinen Tochter außerhalb des Geländes und getarnt in einer Wohnung untergebracht, wovon sie zwischenzeitlich immer wieder diverse Aufträge der Geheimdienstorganisation erhält. Doch bald tauchen Killer aus der Vergangenheit auf, und der neue Mann an ihrer Seite, der scheinbar harmlose Witwer Hyeon-soo [ Sung Joon ] ist auch nicht Derjenige, der es zu sein vorgibt.

Südkorea und seine Action- und die Gangsterwerke selber wie auch in anderen Ländern, anderen Kulturen und zu den meisten Zeiten als Männerdomäne behandelt und eben mit den Herren der Schöpfung, den männlichen Diskussionsteilnehmern in der Debatte um Macht, Ruhm, Geld und natürlich auch Sex ausstaffiert; wobei die Frauen da zwar selten die reine Damsel in distress, aber meist trotzdem nur die Zuträger an Informationen, die aufopferungsfähigen Untergebenen (in Polizeikreisen) oder doch die treusorgende Ehefrau und nicht die wirklichen Entscheidungsträger und auch nicht die Kombattanten sind. Die vorliegende Arbeit wird dies nicht ändern, oder höchstens nur für den einen Moment der Aufmerksamkeit, die der Produktion schon früh bei den ersten Bildern des Marketings anheim wurde und durch zahlreiches Spielen auf Festivals und schneller Distribution vor allem in den westlichen Markt noch zusätzlich gefördert ist. Der entscheidende Vorteil erstmal für eine Verbreitung über die Landesgrenzen hinaus und dem Erringen des Bewusstseins des Zuschauers und so überhaupt der Akzeptanz, die bspw. der auch aktuelle A Special Lady (2017) oder Früheres wie Lady Furious (2011) nicht erlangt hat und wofür Mundpropaganda allein in dieser Welt der Schnelllebigkeit und Masseninformationen im Sekundentakt nicht mehr ausreichend ist.

Furore machte der im Ausland wohl besser situierte Film, der im einheimischen Kinoeinspiel mit ca. 8 Mio. USD in etwa ein Zehntel vom diesjährigen Box Office Gewinner einnahm und um Platz 50 der Rangliste herum vertreten ist, vor allem durch seine Gestaltung der Aktionszenen und der Kameraarbeit darin. Vor allem die Eröffnungsszene, eine mehrminütige Plansequenz ohne ersichtlichen Schnitt und zusätzlich aus der Egoperspektive der Titelfigur gedreht, hat es den Zuschauern angetan und ist von der technischen Umsetzung her all des Blutbades durch gleich mehrere Räume und unterschiedlichen Höhen auch handwerklich hervorragend gedreht. Ob man den Amoklauf durch mehrere Dutzend Gegner hindurch per Schusswaffe, Schwert und mit bloßen Händen auf diese Art und Weise stilisieren und im Grunde hellauf über-inszenieren muss, wodurch in der ungewohnten Perspektive für den Betrachtenden im POV-Shot auch einiges an Bildinformationen in dem "Brei" aus Kameragewackel, seitlich eingeschränkten Blickfeld und einer gewissen Schnelligkeit und Fülle an Eindrücken verloren geht, ist die Frage des Regisseurs hier nicht. Auch spätere Aktionen und Attraktionen wie eine Verfolgungsjagd per Motorrädern auf nächtlicher Hauptstraße oder gar das Straßengemetzel im Showdown mit u.a. einem Massenkampf an und in einem bald führerlosen Verkehrsbus sind in gleich mehrfach handelsunüblichen Einstellungen, abseits der Sehgewohnheiten formuliert, was positiv und negativ zugleich ist, von der dahinter steckenden Kreativität und der Arbeit in der Umsetzung selber aber nichts zu wünschen über lässt. Immerhin schafft es Jung Byung-gil, Regisseur von z.b. dem Thriller Confession of Murder (2012) und der Seoul Action School - Dokumentation Action Boys (2008) so, jede seiner Spektakelszenen a) anders und damit auch erfrischend zu gestalten und b) teilweise den Zuschauer auch mit- und in das Geschehen hinein zu reißen und c) auch zu überraschen bis zu verblüffen, was heutzutage das Einfachste nun nicht mehr ist.

Eine Killermär in oft dunklen Räumen, mit wenig Sonnenschein und auch wenig Tageslicht, ein Kreislauf aus Gewalt und Tod, der früh beginnt und wie ein Kreislauf üblich auch immer wieder die gleichen Punkte aus viel Blut und viel Schmerz durch tritt. Die Welt hier ist schlichtweg abgeschottet und Phantasie, auch nach dem Auftakt nach Maß und dem Massaker in "Gang Sieben" wird eine Mischung aus wenig Realitätsbezug und viel (Alb)Traum dargeboten, eine Melange aus Beyond Hypothermia, aus Nikita, aus empfindsamen japanischen Einflüssen auch gereicht und viel roten Lebenssaft quer durch alle Plätze und auch mal mitten hinein in die Kamera spritzend kredenzt. Ein wenig geerdet wird die Geschichte durch die aufblühende Beziehung zwischen Sook-hee und dem "zufällig" am gleichen Tag in die Nachbarswohnung einziehenden Hyeon-soo, und auch dessen "Ersatzvaterschaft" zu der kleinen Tochter, ist diese leise und zarte Romanze, die eigentlich schnell von einer Unterstützung der alleinerziehenden Mutter anfängt und über eine tröstende Schulter zu einer helfenden Partnerschaft übergeht, ja allerdings im Wissen des Zuschauers von vornherein als "falsch" angelegt und auch noch von oben gefördert und überwacht, was eventuelle Gefühlsneigungen beizeiten unterbindet und eher baldiges drohendes Chaos am Horizont aufkommen lässt.

Eine im Grunde materielle Nichtigkeit also, basierend auf einem Fake, was man von dem Drumherum trotz oder auch wegen der vielen Zeit- und Ortsprünge behaupten kann und muss, da die Handlung überaus zerstückelt und bis auf einzelne Momente gleichzeitig dennoch leer und bloß wie ein Gimmick auch wirkt. Dazu viel Leiden, steifes Spiel, alles eine ganze Ecke drüber in den Fatalismus hinein; wenn auch eben in einer Verpackung, die man so schnell nicht mehr vergisst und phasenweise am Faszinieren ist.

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