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Aus einem südkalifornischen Gefängnis wird gerade einer der ganz schweren Jungs entlassen: Jacob (Nikolaj Coster-Waldau), genannt Money, hat seine 7jährige Strafe abgesessen und wird nun ein freier Mann. Doch nicht seine Frau und sein Sohn sind sein erster Anlaufpunkt, sondern eine abendliche Party, auf der ihn andere schwere Jungs einer weißen Gang mit Alkohol und Nutten willkommen heißen - denn der zurückhaltend und kontrolliert auftretende Money hat einen Auftrag: Es gilt, eine Ladung unregistrierter Waffen zu verkaufen. Dieser noch im Knast von "höchster Stelle" anberaumte Deal erfordert zuverlässiges Personal, und dessen ist sich Money nicht so sicher - zumal er just auf jener Party beinahe Opfer eines Anschlags wird. Spielt hier etwa jemand falsch? Neben dieser entscheidenden Frage muß sich der frisch Entlassene auch noch mit familiären Gewissensqualen auseinandersetzen, hat er seiner Frau und seinem inzwischen halbwüchsigen Sohn doch jahrelang nicht einmal mehr geschrieben (obwohl er sich die Namen dieser für ihn nach wie vor wichtigsten Menschen auf die Brust hat tätowieren lassen), außerdem ist da noch der kompromißlose Bewährungshelfer Kutcher (Omari Hardwick), der den Braten zwar riecht, vorerst aber noch nichts in der Hand hat gegen den betont unaufgeregt agierenden Money...

Der Knast-Thriller Shot Caller weiß vom Anfang bis zum Ende spannungstechnisch zu überzeugen, was vor allem an zwei Dingen liegt: Die Hauptrolle ist mit dem Dänen Nikolaj Coster-Waldau glaubwürdig besetzt, und selbst wenn dieser Money im Laufe des Films vielleicht nicht immer sympathisch rüberkommt, so lädt der von ihm verkörperte Filmcharakter zumindest stets zum mitfiebern ein; der zweite Punkt ist ein gut durchdachtes Drehbuch, das aus der nicht ganz neuen Thematik des Ex-Knastis, der draußen finstere Geschäfte tätigt, durch einige Finessen, wohlplatzierte und durchaus ambivalente Nebendarsteller und einen überraschenden Plot-Twist am Ende fast ein Maximum an möglicher Spannung herausholt.
Hinzu kommen Innenansichten des US-amerikanischen Knast-Alltags, die man so noch nicht gesehen hat, auch wenn man sie in ähnlicher Form vielleicht schon zu kennen vermeint: Die schlimmsten Gefangenen in Isolationshaft in separaten Käfigen - hier ist es der örtliche Anführer der white arian brotherhood, Holt McCallany als vollbärtig-charismatisches Superhirn genannt The Beast, der von dort aus nicht nur draußen die Fäden zieht, sondern auch seine(n) Bewacher geschmiert hat.  In seinem Auftrag handelt nun der gerade entlassene Money, der in einigen Jahren Knast vom sauber rasierten, familienorientierten Büromenschen, der einen Fehler begangen hat, zum volltätowierten eiskalten Profi mit respekteinflößend riesiger Rotzbremse mutiert ist, wie in diversen Rückblenden zu sehen ist.
Nebenbei versucht Regisseur Ric Roman Waugh auch ein wenig der Frage nachzugehen, wie jemand im Lauf der Jahre im Knast zu dem wird, der er am Ende bei seiner Entlassung ist: aus Selbstschutz und nicht etwa aus rassistischen Motiven schließt sich Jacob/Money, der durch einen betrunken verursachten Autounfall mit Todesfolge dorthin gekommen ist, der weißen Bruderschaft an. Deren Hierarchie lernt er zu akzeptieren, auch seinen ersten Fememord im Knast - bei dem er sich fast in die Hosen macht - erlebt der Zuschauer durch die Kameraperspektive auf die anklagend-wehmütigen Augen des sterbenden Opfers mit - aber hier gilt eben ein bedingungsloses entweder/oder, und Money hat sich entschieden, mitzumachen. Mit der Figur des Howie (Emory Cohen), eines sehr jungen Burschen ohne jegliche Tätowierungen, der nur deswegen bei den harten Jungs mitspielen darf, weil er die geklauten Waffen aus Afghanistan in die USA geschmuggelt hatte, platziert das Drehbuch geschickt einen Charakter, der noch am Anfang einer kriminellen Karriere steht und - aus der Perspektive des Zusehers - vielleicht noch rechtzeitig den Absprung schafft.

Eine dezente Kameraführung, ein kaum wahrnehmbarer Score und der Verzicht auf allzu plakativ großmäulige Charaktäre wie auch allzu blutige Szenen trotz der brisanten Thematik um undurchsichtige Geschäfte und der ewig drängenden Frage, wem man noch vertrauen darf, machen Shot Caller, der den Zuschauer das Geschehen zwischendurch auch aus wechselnden Perspektiven erleben läßt (ohne dabei allzuviel zu verraten) zu einem spannenden Sehvergnügen - 8 Punkte.

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