kurz angerissen*
Ausgerechnet "The Walking Dead"-Star Steven Yeun die Hauptrolle in einem Infizierten-Film anzubieten, mag man als Typecasting bezeichnen wollen. Bei näherer Betrachtung hat "Mayhem" aber nicht allzu viel mit dem gemein, was man normalerweise als "typisch Zombie" bezeichnen würde. Nicht nur ist der als "Red-Eye-Virus" beschriebene Krankheitserreger nicht tödlich für die Infizierten (womit das "Dead" also schon mal gestrichen werden kann), darüber hinaus bewahrt er den Faktor Mensch, ja setzt sogar darauf, diesen ganz besonders zu betonen. Und der Mensch, der kommt wahrlich nicht gut aus der Gleichung.
Angesiedelt im Bürokomplex einer großen Anwaltsfirma, fungiert der Virus also als eine Art Verstärker der übelsten Auswüchse rücksichtsloser Ellbogenkultur in den höheren Chefetagen. Per Off-Kommentar schwadroniert der Protagonist in eloquenter Anwaltsrhetorik über die Ausgangssituation und beschwichtigt gleich im Eröffnungsplädoyer, dass es hier nicht um den Weltuntergang oder dergleichen geht, sondern lediglich darum, die eigenen Nerven unter Kontrolle zu halten, bis ein Mittel gegen die Epidemie gefunden ist. Erstaunlich treffsicher wird der Virus als McGuffin eingesetzt, um berufliche Ängste vom durchschnittlichen Büroarbeiter bis zum hohen Tier zur Groteske zu steigern. "Mayhem" dreht immer dann so richtig auf, wenn es darum geht, all die verachtenswerten Charaktereigenschaften großer Firmen hervorzuheben, die ihr Personal wie Brennstoff verheizen. Kleinigkeiten wie der Kampf um eine Lieblingstasse werden bis zur Kriegserklärung aufgewiegelt, der Versuch, Job und Gesundheit mit vermeintlicher Effizienz unter einen Hut zu bringen, wird ins Lächerliche gezogen (Headset-Calls mit Laufband, Yoga in der 5-Minuten-Pause). Die Ungreifbarkeit des abstrakten Systems "Firma", das weder einen Kopf zum Anschreien besitzt noch einen Hintern zum Reintreten, wird anhand eines zum Sensenmann stilisierten Überbringers von Kündigungen dargestellt, der eigener Definition nach ja nur "der Bote" ist. Und die Illustration des nach verachtenswerten Kriterien errichteten Karrierebaumes ist sogar noch dramaturgisch verwertbar als pervertierte Variante von Bruce Lees "Game Of Death", wenn sich die Hauptfigur von Stockwerk zu Stockwerk prügeln und Zugangskarten einsammeln muss, um endlich beim Big Boss vorstellig werden zu können.
Wer sich allerdings aufgrund dieser Beschreibung, des Titels und der Neonfarben auf dem Poster einen knalligen Amok-Prügler mit leuchtenden Farbklecksen erwartet, sieht sich getäuscht. Die Palette reicht kaum über trostloses Grau hinaus, was einerseits zum Sujet passt, andererseits aber auch ein wenig dröge anzuschauen ist. Dass die Produktion aus Zeit- und Kostengründen nach Serbien verlegt wurde, ist im fertigen Film leider durchaus sichtbar, weit mehr jedenfalls als in Lynchs "Everly", der ebenfalls dort gedreht wurde. Yeun emanzipiert sich derweil erfolgreich von jener Serien-Rolle, mit der er Bekanntheit erlangte, hebt sich sein wütender White-Collar-Worker doch stark vom gutherzigen Ex-Lieferjungen auf Zombiejagd ab. Weil Publikum und Produzenten aber selten so genau hinsehen, gilt wohl leider auch für ihn: Noch eine Rolle aus einem zombie-verwandten Drehbuch angenommen und er kommt vielleicht nie wieder aus der Schublade heraus.
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