kurz angerissen*
Der Oscar wurde wie so oft mit einer einfach gehaltenen, für Jedermann verständlichen Rassismus-Parabel geholt. Dementsprechend flach fällt die Anlage der Figuren aus, in der es vor Stereotypen wimmelt, die auf einem Maßband mit den Polen "Gut" und "Böse" ihre feste Position einnehmen. Eine Kuchen-Bar wird so zum Schauplatz von Anfeindungen gegen Homosexuelle und Afroamerikaner, und das binnen Sekunden, so als solle eine direkte Verbindungslinie zwischen den unterschiedlichen Ausformungen des Rassismus gezogen werden, die man nicht übersehen kann. Sally Hawkins ist in der Hauptrolle allerdings zweifellos von diesen Kritikpunkten ausgenommen, auch weil sie in ihren Möglichkeiten als Wirbelwind zwischen den starren Polen am wenigsten eingeschränkt bleibt. Rein darstellerisch halten viele ihrer Kollegen (Richard Jenkins, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg...) mit, können aber bedingt durch das Drehbuch nicht gleichermaßen viel ausrichten. Wenig komplex geraten ist dann auch der Abstraktionsgehalt, den man dem Zuschauer bei der Übersetzung von Bild zu Aussage zumuten möchte. Wie schon in "The Devil's Backbone" und "Pan's Labyrinth" arbeitet Guillermo Del Toro erneut mit der Zusammenführung von Phantastik und Geschichtsfilm, doch diesmal fallen die Verflechtungen bei weitem nicht gleichermaßen reichhaltig und verschachtelt aus. Gerade sein Bürgerkriegsmärchen von 2006 hatte in diesem Punkt noch ganz andere Qualitäten vorzuweisen.
Interessant wird "The Shape Of Water" für den Cineasten vielmehr in der Form seiner Elemente (soviel zu "Nomen Est Omen"). In betörende Grünblautöne getaucht, gelingt es dem Regisseur praktisch, einen Unterwasserfilm über Land zu drehen, und wenn das auch bedeutet, dass er ganze Badezimmer mit Wasser fluten muss, um die Aura der Liebenden zur perfekten Illusion zu vervollständigen. Wer den in Sachen Artdesign herausragenden Videospiel-Klassiker "Bioshock" kennt, wird sich wünschen, die von Del Toro erschaffenen Bilder würden zu einer entsprechenden Verfilmung gehören, denn einer solchen säßen sie wie angegossen. Mit den Schwarzweißsequenzen wird dann der Ära des klassischen Hollywoods mit all seinen Monster- und Tanzfilmen auf sagenhafte Weise ein Teppich ausgelegt. Hier werden einzig mithilfe der brillanten Bildkompositionen die Dimensionen eröffnet, die in der vordergründigen Geschichte noch verschlossen bleiben.
Mutig ist es in diesem Kontext auch, wieder ein Fischwesen zum zentralen Spezialeffekt zu erklären, eine für Del Toro nicht ganz neue Figur. Angelegt ist sie natürlich in erster Linie an den "Schrecken vom Amazonas", der vor über 80 Jahren bereits mit vergleichbaren Themen spielte. Das zeitgenössische Publikum verbindet sie aber selbstverständlich zunächst einmal mit Abe Sapien aus "Hellboy"; und das nicht nur, weil es wieder Doug Jones ist, der den Fischmenschen verkörpert. Das Amphibienwesen aus dem Labortank ist als bloße Verfeinerung von Sapien zu sehen. Er ist sozusagen die Stummmfilm-Variante seines Vorgängers mit Augenmerk auf Charakterzeichnung statt Actionfiguren-Eigenschaften. Dass der Regisseur seine Lieblingsbausteine mehrfach recycelt, anstatt neue Pfade zu erkunden, könnte man ihm zum Vorwurf machen. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass er inzwischen eine eigene Sprache erfunden hat, um Aussagen zu transportieren. Ein solch linguistischer Ansatz schmeichelt einem inhaltlich vermeintlich wenig originellen Film wie diesem natürlich besonders, denn so ist es das Gesprochene und nicht das Gemeinte, das zum Alleinstellungsmerkmal wird.
Der eigentliche Wert von "The Shape Of Water" liegt also im verschlungenen Tanz der Elemente Wasser und Luft. Gerne hätte das Drehbuch zwar tiefere Subtexte bergen und weniger auf Schwarzweiß-Pole vertrauen können. Dass das selbst bei einem Märchen kein Widerspruch sein muss, hat del Toro in der Vergangenheit ja bereits bewiesen. Visuell allerdings ist dies sein erstaunlichstes Werk.
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