Oft heißt es, wenig sei angsteinflößender als die Furcht vor dem Unbekannten. Denn das Ungewisse, das sich da nähert, nötigt zu reagieren, statt zu agieren. Schlägt die Initiative aus der Hand. Zwingt seine Spielregeln auf. Drängt aus der Routine. Auch bei einem Horrorfilm, meinen manche, sei der gesichtslose Schrecken im Off potentiell schwerer zu ertragen als das anschaulich Bebilderte und damit Fassbare. Natürlich bleibt diese Frage auch in Zukunft strittig, immer Ansichtssache und wird außerdem von weiteren Faktoren, wie Inszenierung, Einfallsreichtum und Vorstellungskraft des Rezipienten beeinflusst. Wenn man allerdings als Freund des Gruselfilms auch gering budgetierten Streifen ohne Effektfeuerwerk etwas abgewinnen kann, die es tatsächlich zu Wege bringen, ein wenig geschickter als üblich mit der Psychologie der Angst zu hantieren, dann fühle man sich hiermit eingeladen, einen Blick auf „It Comes at Night" zu werfen. Einen, wenn auch nicht das Rad neu erfindenden, so doch recht intensiven kurzen Alptraum.
Die Exposition: Paul (Joel Edgerton), seine Frau Sarah und ihr Sohn Travis bringen den sichtlich kranken Großvater auf einer Schubkarre aus dem Haus. Paul drückt ihm, das Gesicht verheult, ein Kissen aufs Gesicht und schießt ihm in den Kopf. Die Leiche wird in ein Loch gelegt, verbrannt und bestattet. Eine Seuche hat wieder einmal offenbar den Planeten im Griff und selbst in der absoluten Abgeschiedenheit, mitten im Wald, die Familie eingeholt. Ein paar Tage später hören die drei Geräusche in ihrem verrammelten Haus. Mit der Waffe in der Hand wird der Eindringling (Christopher Abbott) gestellt, überwältigt und gefesselt. Er beteuert, nur auf der Suche nach Nahrungsmitteln für seine Frau und seinen Sohn gewesen zu sein. Darf Paul dem Fremden Glauben schenken oder sollte er ihn, den barbarischen Spielregeln der Endzeit gemäß, als potentielle Bedrohung für seine eigene Familie beseitigen? Er ringt sich nach reiflicher Überlegung dazu durch, sein Haus für die drei Neuen zur Verfügung zu stellen - wohl wissend, dass in einer Zeit voller Gefahren eine größere Gruppe mehr Schutz bietet als eine kleine. Doch mit der Welt und der Zivilisation am Abgrund, liegen die Nerven bei allen blank. Mit jedem verstreichenden Tag etwas mehr. Dann steht eines Nachts die Vordertür sperrangelweit offen. Obwohl draußen der Tod lauert.
Und keiner will's gewesen sein.
Es ist beinahe ungewohnt, wenn man etwa die letzten Seasons von „Walking Dead" erdulden musste, dass die Sprechrollen einer postapokalyptischen Geschichte nicht zur Seifenoper verkommen. Dass Dialoge auch ohne viel Action als Beiwerk das Erlebnis Horrorfilm als solches intensivieren und nicht nur Laufzeit totschlagen. Im Gegensatz nämlich zu den sich längst sinn- und hirnlos gebärdenden Hauptfiguren des Zombie-Serienhits, inszeniert Trey Edward Shults, der auch das Drehbuch verfasst hat, die Psychologie seiner kleinen Gruppe nachvollziehbar und plausibel. Vor allem auch im Hinblick auf die am Ende lauernde Katastrophe. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht, wenn man sich neben den eben erwähnten immer weiter und weiter laufenden Leichen die meisten anderen Produktionen aus dem Low-Budget-Bereich so ansieht. Denen sieht man nämlich nicht nur an, wie billig sie sind, sondern bedauerlicherweise auch, wie uninspiriert und ungewandt ihre Macher daran gehen, „Ideen" filmisch zu verwirklichen. Trey Edward Shults, der übrigens zeitweise bei Terrence Malick in die Lehre gegangen ist, jedenfalls weiß eine Story zu erzählen, wenn er auch mit der Erschwernis der meisten jungen Filmemacher mit Ambitionen zu ringen hat: einem streng eng bemessenen finanziellen Rahmen. Weshalb er sich im Wesentlichen auf seine vier Wände beschränkt.
Es ist kein Geheimnis, dass ein Horrorfilm aus dem Direct-to-Video Bereich kein allzu großes Risiko eingeht. Denn er kostet nicht viel und streicht im Regelfall das Vielfache seiner Produktionskosten als Gewinn ein. So auch „It Comes at Night", der sogar in ein paar Kinos lief. Trey Edward Schults konnte also im rein wirtschaftlichen Sinne nicht viel falsch machen. Aber er hätte eben einfach den wievielten Genrebeitrag von der Stange abliefern können - und besann sich doch eines Besseren. Zur Hilfe kommt ihm dabei ein solider Cast, der zwar keine nennenswerten Akzente setzt, dieses Kammerspiel aber routiniert über die Bühne bringt. Da ist es auch gar nicht so dramatisch, dass hier das Drama zeitweise den Grusel in den Hintergrund drängt. Jedenfalls nicht, wenn man als Filmfreund nicht nur beim Horror, sondern auch in Sachen Genre-Mix die Ruhe weg hat.