Im Folgenden leichtere Handlungs-Spoiler (die einem aber nicht den Sehgenuss verderben):
Die Prämisse der Serie ist etwas, was mich schon bei Children of Men
sehr fasziniert hat: Eine Welt, in der keine (oder hier: kaum noch)
Kinder mehr geboren werden, ist eine Welt ohne Hoffnung. Denn wofür
lohnt es sich dann noch, die Welt zu verbessern? Für wen, wenn wir doch
eh aussterben. Es würde die Welt ins Chaos stürzen. In The Handmaid's Tale
hat es dazu geführt, dass eine christlich-fundamentalistische Sekte
immer größeren Einfluss in den USA gewonnen hat und schließlich die
Regierung in einem Militärputsch gestürzt hat. Aus der Asche der USA
ging der neue Staat Gilead hervor. Ein Staat, in dem den Frauen alle
Rechte genommen worden und sie auf ihre biologische Grundfunktion der
Fortpflanzung reduziert worden sind. Jeder Regimegegner, Andersdenkende
oder biologisch nicht nützliche Mensch wird gnadenlos ausgemerzt.
In dieser Welt folgen wir June Osborne (Elizabeth Moss). Es ist noch
nicht lang her, gerade einmal drei Jahre, als sie, ihr Mann Luke (O-T
Fatbengle) und ihre kleine Tochter Hannah (Jordana Blake) beim Versuch,
außer Landes nach Kanada zu fliehen, geschnappt worden sind. Luke blieb
zurück und man hörte nur die Schüsse der Verfolger durch den Wald
hallen. Hannah und June wurden gefangengenommen und voneinander
getrennt. Was mit Hannah geschehen ist, ist ungewiss. June wurde in ein
Umerziehungslager gesteckt, in dem sie auf ihre neue Rolle in dieser
brutalen Welt vorbereitet wurde. Fortan soll sie als Magd einem
Kommandanten des Regimes dienen. Mägde sollen aufgrund ihrer intakten
Eierstöcke Kinder zur Welt bringen. Natürlich nicht mit irgendwem,
sondern der Elite des Regimes. Die Geschichte setzt ein, als June ihrem
neuen Herren zugewiesen wird, einem einflussreichen Mann, der auch einer
der Architekten des Regimes ist, Kommandant Fred Waterford (Joseph
Fiennes). Von da an heißt sie nicht mehr June, sondern Desfred. Der Name
setzt sich aus dem Präfix Des- als Besitzkennzeichnung und dem Namen
des Besitzers zusammen. Hat eine Magd ihren Zweck erfüllt, wird das Kind
der Kommandantenfamilie übergeben (Kommandanten haben auch Ehefrauen,
die zwar besser gestellt sind als alle anderen Frauen, aber dennoch
keinerlei Rechte haben) und die Magd dem nächsten Kommandanten
zugewiesen.
Allmählich entfaltet sich das ganze Grauen, die ganze Tragweite des
völlig widerwärtigen Regimes, wenn man aus Sicht Desfreds die
gesellschaftlichen Strukturen kennenlernt und sieht, welche Konsequenzen
es für Menschen hat, die sich dem Ganzen widersetzen. In Rückblenden
sehen wir Bilder aus Junes altem Leben. Wie sie ihren Mann kennengelernt
hat, wie die gemeinsame Tochter zur Welt kam und wie sie schließlich
versucht haben, zu fliehen. Diese Rückblenden sind einerseits zentral
für Junes Charakter und verdeutlichen ihre Motivation und ihren Willen,
trotz allem, was man ihr antut, nicht aufzugeben. Sie hält an ihrem
alten Leben fest und sie will ihre Tochter zurück. Das hält sie am
Leben. Andererseits erlangen wir Einblicke in den Zerfall der
Gesellschaft und wie es zur Machtergreifung kam. Es fing klein an.
Zunächst haben die Gileadaner ihren Einfluss in der bestehenden
Regierung ausgeweitet. Es kam zu Einschränkungen der Bürgerrechte zwecks
"Terrorbekämpfung". Immer mehr Gilead-Anhänger sind im Straßenbild zu
sehen. Nach und nach werden die Menschen ihrer Freiheiten beraubt. Es
gibt Demonstrationen gegen die neuen Gesetze, die brutal
niedergeschlagen werden. Bis schließlich Menschen auf offener Straße
hingerichtet werden.
Es ist so verdammt fies und nageliegend dargestellt und wird so
elegant innerhalb der Rückblenden vorgetragen, wie schnell eine
Gesellschaft zerfallen kann. Ich habe mehrfach gedacht, dass uns das
heutzutage auch passieren kann. Nicht genau so, Auslöser und
Akteure sind austauschbar, aber die Zivilisation scheint mir doch
wirklich nah am Abgrund zu existieren. Es mag auch daran liegen, dass
ich vorletztes Jahr selbst Vater geworden bin, dass mich The Handmaid's Tale
so fertigmacht. Die Vorstellung, dass einem in so einer Welt das
einzige genommen wird, für das es sich noch zu leben lohnt, ist
unendlich grausam.
Gnadenlos brillante Verfilmung des 1985er Romans von Margaret Atwood.