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Anno 2012 sollte „Prometheus“ als irgendwie eigenständiger Film verkauft werden, schwankte aber zwischen bemühter Science-Fiction-Philosophie (die auf den zweiten Blick aber reichlich schal daherkam) und dem Aufkochen bekannter „Alien“-Muster. Die Fortsetzung bemüht sich dagegen gar nicht mehr ihre Verortung in diesem Kosmos zu verstecken und heißt folgerichtig „Alien: Covenant“.
Covenant ist auch der Name eines Passagierschiffes, das neben seiner Crew noch 2000 Siedler und 1400 Embryonen zwecks Kolonisierung eines fernen, erdähnlichen Planeten an Bord hat. Doch rund sieben Jahre vor der Ankunft trifft einen Neutronenstoß das Schiff, beschädigt wichtige Systeme und sorgt für eine Erweckung der in Kälteschlaf versetzten Crew, mit Ausnahme von Captain Branson (James Franco) – der wird nämlich in seiner defekten Kühlkammer knusprig braun gebraten. Seht her, verkündet „Covenant“, selbst den größten Namen im Cast kann es in den ersten Minuten erwischen, was eigentlich schon einmal eine Grundlage für einen spannenden, unvorhersehbaren Survivalhorrorfilm bieten könnte.
Was dann passiert, ist dagegen reichlich vorhersehbar, orientiert es sich doch brav an den von „Alien“ und seinen hunderten Rip-Offs vorgegebenen Mustern: Von einem nahen Planeten schallt eine Hilferuf zur Covenant, der (dieses Minimum an Innovation darf sein) den Klassiker „Country Roads“ erklingen lässt. Da die Crew nach dem Zwischenfall nicht begierig auf eine Rückkehr in die Cryokammern ist, besagter Planet eine erdähnliche Atmosphäre hat und man sich dort anscheinend noch besser als am noch Jahre entfernten Ziel ansiedeln kann, macht man eine Expedition klar, gegen den Protest der patenten Daniels (Katherine Waterston), die derart klar als Ersatz-Ripley gekennzeichnet wird, dass das Überraschungspotential nach dem weggeschröggelten Captain schnell wieder passé ist.

Auf der Planetenoberfläche findet man nicht nur die abgestürzte Prometheus, sondern auch eine Mutation der Biowaffe aus dem direkten Vorgänger, welche Expeditionsteilnehmer nun durch Sporen infiziert. Bald schlüpft das erste Alien aus einem armen Wicht, doch Android David (Michael Fassbender) als einziger Überlebender des Prometheus-Absturzes eilt zu Hilfe. Doch kann man ihm trauen?
Eine Frage, die der Film recht schnell und recht eindeutig klärt, in dieser Parabel über Schöpfung und menschliche Ursprünge, die Ridley Scott und seine Drehbuchautoren John Logan und Dante Harper anscheinend wesentlich mehr interessiert als der generische Sci-Fi-Horror, mit dem die Marketingabteilung von 20th Century Fox freilich im Trailer deutlich mehr warb. Man mag „Alien: Covenant“ daher als einen (faulen) Kompromiss zwischen Genreschlachtplatte und höherstrebenden Ambitionen abseits von Franchisepfaden bezeichnen – ein Zwiespalt, der schon „Prometheus“ unschön zerriss und auch hier zu keinem besseren Ergebnis führt.

Dementsprechend ist der Mainplot ein Abhaken bekannter Topoi, bei dem man manche Figurenfehlentscheidung noch damit entschuldigen kann, dass es sich hierbei a) um keine Expertenmission wie in „Prometheus“ handelt und b) viele Crewmitglieder privat verbandelt sind, da sie auf dem neuen Planeten sesshaft werden sollen (dennoch zählen die nicht mal 20 Crewmitglieder stolze fünf Paare in ihren Reihen, was in Sachen Drehbuch ein wenig gewollt wirkt). Manche Doofheit mag das trotzdem nicht erklären, besonders signifikant in jener Szene, *SPOILER* in welcher neue Captain, Oram (Billy Crudup), nachdem er bereits Davids Schöpferambitionen und seine Fürsorge für die Aliens kennt und gesehen hat, dass er dafür auch den Tod von Crewmitgliedern in Kauf nimmt, sich von dessen Harmlosigkeitsbezeugungen einlullen lässt und in ein Alien-Ei hineinschaut, was prompt mit einem Facehugger in der Visage belohnt wird. *SPOILER ENDE* Auch haarsträubend ist es, wenn ein Crewmitglied sich nach mehreren Alienattacken frisch machen will, sich nicht zu weit fortbewegen soll, aber doch in einen Waschraum geht, der so weit entfernt ist, dass die anderen weder Schreie noch Schüsse von dort hören. Sowieso bewegen sich die Crewmitglieder auch nach dem ersten Alien-Auftauchen gerne mal allein durch irgendwelche Katakomben. Da verzeiht dem Film fast noch, dass *SPOILER* Davids Forschungsunterlagen inklusiver toter Dr. Shaw offen in seiner Behausung herumliegen, aber erst im dramaturgisch passenden Moment gefunden werden. *SPOILER ENDE*
Tatsächlich scheint Scott wenig Lust auf einen „Alien“-Film klassischen Zuschnitts gehabt zu haben und dementsprechend werden die Attacken der Biester inszeniert: Es gibt wenige davon, meist weiß man woher das Vieh nun angreifen wird und wenn es dann soweit ist, dann stürzt sich oft ein nicht ganz in der Top-Effekt-Klasse animiertes CGI-Wesen im Kameragewackel auf seine Opfer. Wenn das deren Verwirrung vermitteln soll, dann ist es trotzdem nur ein weiterer Fall von Bourne-gewollt-und-nicht-gekonnt. So mindert die Inszenierung eine in der Anlage tolle Szene, in der ein angreifendes Vieh wie ein Derwisch in die Mitte der Expeditionsteilnehmer springt, mit Schwanz und Klauen unter ihnen wütet, während sie hilflos um sich schießen. Gelegentlich zitiert die Alien-Action auch die Vorgänger, etwa wenn ein Baukram analog zum Loader aus „Aliens“ hier zur Waffe gegen einen Angreifer wird, wobei auch diese an sich nicht uninteressante Sequenz unter CGI-Overkill und mäßiger physikalischer Glaubwürdigkeit leidet. Den Showdown dagegen inszeniert Scott so lustlos und egal, dass man glaubt, dass danach eigentlich noch das tatsächliche Finale kommen müsste.

Was interessiert Scott also? Der Schöpfungsmythos, hier durchgespielt anhand der von Michael Fassbender gespielten Androiden David und Walter, die als guter und böser Bruder voneinander lernen, erst ein philosophisches, später ein körperliches Kräftemessen veranstalten. Das sorgt bisweilen für starke Szenen (etwa jene, in der David Walter das Flötenspiel beibringt), ist an anderer Stelle dagegen aufgesetzt, vor allem in der extrem prätentiösen Auftaktszene, in der David mit seinem Erbauer Peter Weyland (Guy Pearce) über Schöpfung und Vergänglichkeit palavert. Ohne Namedropping von Byron und Shelley über Nietzsche bis hin zu Wagner geht das natürlich nicht ab, doch steht „Covenant“ vor dem „Prometheus“-Problem: Große philosophische Fragen werden zwar mit größtmöglichem Ernst angerissen, aber vor ernsthafter Beschäftigung mit dem Thema (es müssen ja nicht gleich Antworten sein) macht der Film dann doch halt.
Sowieso hat „Covenant“ dem Alien-Mythos wenig hinzuzufügen. Der hier erklärte Ursprung der Xenomorphs ist angesichts des ganzen Tamtams erschreckend banal *SPOILER* (Ein Android mit Gottkomplex erschuf sie aus Rachegelüsten, Langeweile und Schöpferambitionen) *SPOILER ENDE* und entzaubert den Mythos eher. Die bereits in „Prometheus“ begonnene Umdeutung der Aliens von einer invasiven Spezies zur tatsächlichen Biowaffe bedeutet zudem ein ungutes Gedankenspiel, demzufolge die Weyland Yutani Corporation in der Originalreihe eigentlich die ganze Zeit über richtig lag, wollte sie die gefangenen Aliens doch nur ihrer natürlichen Bestimmung zuführen. Mal ganz abgesehen davon, dass die Zeitlinie knirscht, etwa wenn in „Covenant“ ein Schiff mit Videoüberwachung und Ortungsmechanismus zum Einsatz kommt, während man im (später spielenden) Original noch mühsam mit Handbewegungsmeldern auf die Suche nach dem Biest gehen musste.

Immerhin muss Scott eines lassen: Ein Gespür für ikonische Bilder hat er immer noch. Gerade die Aufnahmen der in der Planetenatmosphäre schwebenden Covenant sind wirklich erhaben, ebenso die Bilder von der gespenstisch verlassenen Planetenoberfläche oder Davids masoleumartige Behausung, deren Bedeutung erst später entschlüsselt wird. Es ist schade, dass die Alien-Attacken (inklusive horrorgenerischem Dusch-Doppelmord) dagegen so 08/15 sind, denn wie man an solchen Momenten sieht, kann Scott es ja deutlich besser – doch bei den Morden fällt ihm dann nur ein den Gorepegel nach oben zu schicken, denn spratzeln tut es in „Covenant“ ordentlich, aber das ist dann doch kein Ausgleich für all die erzählerischen Defizite und die fehlende Spannung.
Noch dazu ist Michael Fassbender in seiner Doppelrolle famos und kann die gleichzeitig so ähnlichen wie unterschiedlichen Androiden als Brüder im Wesen, aber nicht im Geiste facettenreich zum Leben erwecken. Daneben fällt Katherine Waterston als Ersatz-Ripley ziemlich ab und liefert eine wenig einprägsame Performance, was man auch vom Rest des Ensembles sagen kann, dass immerhin bekannte Gesichter aus Hollywoods zweiter Reihe, von Billy Crudup über Carmen Ejogo bis hin zu Demián Bichir, auffährt. Die große Überraschung im Cast hingegen ist Danny McBride: Sonst eher als besonders derber Komiker aus dem Apatow-Dunstkreis bekannt, kann er auch die ernste Rolle als Pilot mühelos schultern und dabei den Rest seiner Mitspieler mühelos ausstechen, wenn er den nahbaren, besorgten und doch nie um einen Spruch verlegenen Ehemann und Flieger gibt.

Wenn man „Covenant“ als würdige Fortsetzung von „Prometheus“ beschreibt, dann ist das ein vergiftetes Lob, denn wie schon der Vorgänger ist auch der neueste Teil der Reihe ein mauer Kompromiss zwischen Sci-Fi-Horror und ebenso bemühter wie unterentwickelter Philosophiestunde, garniert mit mäßig glaubwürdigem Figurenverhalten, bestenfalls pflichtschuldig eingebauten Alienattacken und verschenktem Cast. Starke Bilder und gelegentlich eindrucksvolle Szenen findet Scott dabei immer noch, doch auch die retten „Covenant“ nicht davor deutlich schwächer als so manches weniger ambitionierte, aber deutlich besser erzählte „Alien“-Rip-Off zu sein.

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