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Kritische Gedanken zu Google, Verdächtigungen gegenüber Facebook?
Wer globalen Konzernen misstraut, etwa wegen ihrer Tendenz zur Datensammelei, der tut nicht zwingend schlecht daran, auch um seine eigene Privatsphäre zu schützen, sofern das noch möglich ist.
Für dieses kontroverse Thema war Dave Eggers 2013 erschienener Dystopie-Roman „The Circle“ ein durchaus lesenswertes Stück Literatur, dass sich mit der zunehmenden „Transparenz“ des modernen Menschen und den guten wie bösen Absichten hinter omnipräsenten Mini-Kameras zur steten globalen Präsenz aller Fakten und Daten auseinander setzt.
Dass diese Konzerne die Welt einerseits verbessern, aber andererseits auch kontrollieren möchten, ist inzwischen Gemeingut, die Auseinandersetzung mit den möglichen Folgen und Konsequenzen ist jedoch nicht oder noch nicht zuende gedacht.

„The Circle“ packt viele Themen an, die marginal sektenartigen Tendenzen rund um die Firmencredos „Teilen ist heilen“ und „Alles Private ist Diebstahl“, das Auffressen der Persönlichkeit durch Überarbeitung, die totale Aufopferung für die Firma und die Doppelgesichtigkeit in der sich verselbstständigen Firmenführung. Mae- die Hauptfigur – macht sich schließlich selbst zum Testobjekt einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung durch eine Körperkamera als Social-Media-Schnittstelle, wobei sie die ganze Zeit davon profitiert, dass durch den „Circle“ ihre Eltern, speziell ihr sehr kranker Vater, zu einer speziellen medizinischen Versorgung kommt.

Kein Wunder also, dass sich Hollywood alsbald an die Verfilmung des Buches machte, wenn auch mit einem moderaten Budget (der Film spielt fast ausschließlich auf dem Circle-Campus und in Innenräumen und ist zu 98 Prozent dialoggetrieben). Dafür konnte man mit den Darstellern wuchern, allen voran Ex-Hermine Emma Watson, Star Wars-Newcomer Jon Boyega, der ebenfalls aufstrebenden Karen Gillan und nicht zuletzt Tom Hanks, der es mit einer Schnittmenge aus Steve Jobs und David Zuckerberg probiert.

Und obwohl man natürlich einiges an der Vorlage veränderte – speziell das eher düstere Ende, welches hier in einen Kontertwist der „Verfolgten“ verwandelt wurde, ohne allerdings den Zuschauer mit den Folgen dieses Twists zu versorgen – blieb die Essenz des Romans erhalten – und somit wurden eine Reihe recht wichtiger moderner Problematiken angesprochen.

Und dennoch ist „The Circle“ auf geradezu überraschende Art und Weise misslungen. Die Präsentation aller Themen fällt enttäuschend flach und offensichtlich statt, was als Roman noch funktionierte, wird dem Zuschauer hier mit eienr relativ klar ersichtlichen Gefahrenandrohung im Unterton um die Ohren gehauen.
Praktisch jede Entscheidung zu jedem Produkt und zu ihrer Arbeit, die Mae Holland fällt, provoziert beim Zuschauer nur die eine entsprechende Aufrechnungsreaktion, was sie das alles kosten wird, an Privatsphäre, Integrität, mentaler Stabilität, Zufriedenheit, familiärem Glück. Und genauso kommt es dann auch in praktisch jedem Fall mit der Subtilität einer zuschnappenden Mausefalle.

Dabei ist – leider – das scheinbare Asset, die allseits sympathische Emma Watson zu casten, der größte Schwachpunkt der Produktion, denn hier kommt sie nicht über den Status des „staunenden Bambi“ hinaus, das mit großen Augen wie eine Flipperkugel durch den Großkonzern geschossen wird und somit als Beispiel für alle, die ihre Existenz zugunsten eines Konzerns praktisch aufgeben.
Watsons „Mae“ ist ein großes, erst schüchternes, später unglaublich aufopfernd für die Firma denkendes, fröhliches Nichts, ein Strohmann und nützlicher Idiot – nur sagt ihr das im Film niemals jemand.

Zunächst ist es das Versprechen auf einen neuen tollen Job bei einem weltbekannten Arbeitgeber, dann verführen sie ihre eigenen guten Ergebnisse. Weil sie mit ihrer introvertierten Persönlichkeit eher zurückgezogen ist, schickt die Firma sozusagen Social-Media-Einheiten los, um sie zu Gesellligkeit zu zwingen.
Als sie bei einem Sportalleingang nicht nur in Gefahr gerät, sondern auch noch überwacht – und gerade deswegen gerettet wird, unterwirft sie sich dem Verstoß gegen das Firmencredo und wird zur gläsernen Person, die wiederum von der Welle an digitalen Kommentaren abhängig ist, genauso wie ihre Eltern, die die Freuden der experimentellen MS-Therapie natürlich nur genießen können, solange Töchterchen jeden Scheiß mitmacht. Und dazu zählt hier auch das Verschlucken eines Senders, um Gesundheitsdaten dauerhaft liefern zu können.

Natürlich geht das alles übel aus, spätestens als das Wörtchen „Follower“ hier wirklich mal in einem Alptraumzusammenhang endet, aber da hat sich der Film mit all seinen Themen, die in den Hut geworfen werden, schon längst übernommen.
Selbstzufrieden provoziert der Plot orakelhafte Reaktionen beim Publikum, welches dann auch immer Recht bekommt, während die Protagonistin nur frustrierend langsam lernt. Der Zuschauer ist hier nicht den Schritt voraus, der bewirkt, dass man sich raffiniert vorkommt, sondern eine Meile, wobei man angesichts des Klassenunterschieds schon mit den Augen rollt.
Und keine Dystopie ist edel: Unter der Oberfläche brodelt es hier natürlich (eine Enthüllung im letzten Drittel, die nun wirklich nur noch Gähnen provoziert angesichts aller vorherigen Unglaublichkeiten), die beste Freundin arbeitet sich fast tot und kündigt, ein Freund stirbt und Tom Hanks entpuppt sich als Schmierlappen, dem man besser nicht an seinen freundlich kaschieren Allmachtskarren fährt.
Und weil man eine globale Community nicht mehr umstimmen kann, indem man ihr liebstes Spielzeug schlecht redet, bleibt als Pointe nur die totale Konsequenz – durchaus originel, doch gleichzeitig eine, für die der Film leider keine Zeit mehr zu haben scheint und sie deswegen auch nicht mehr in ihren Folgen auswertet.

So wichtig die vielen angerissenen Themen auch erscheinen – und viele davon hätten jeweils einen eigenen Film verdient – „The Circle“ provoziert mehr ein „Ja, ist gut, ich habs verstanden!“, regt aber nicht genug zum Nachdenken für sich persönlich an, weil der naive Glaube an die Verbesserung der Welt die Protagonistin zu einer geradezu grotesken Figur machen, der man an jeder Gangecke zurufen möchte, dass sie doch wissen müsste, dass auch ihre nächste Entscheidung wieder in einem großen Feuer enden wird.

Als Schullehrstück mag der Film noch wegen seiner Offensichtlichkeit funktionieren – als einer der ersten wesentlichen Filme, die sich mit dem digitalen Datenmarkt und dem gläsernen Menschen in der aktuellen Zeit auseinandersetzt, ist er ziemlich platt. (3/10)

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