Schöne neue Datenwelt
Die Digitalisierung ist ja aktuell nicht nur in Deutschland eines der heißesten gesllschaftspolitischen Eisen. Die technische Entwicklung hat hier allerdings eine Geschwindigkeit entwickelt, der die ja noch nie sehr schnell reagierende Politik wie ein müder Klepper hinterher hechelt. Datenschutz, Bildung, Überwachung, Privatheit, überall poppen im Minutentakt neue Baustellen auf. Der Bestseller-Roman „The Circle" bündelte 2013 all diese Brennpunktthemen in einem Unterhaltungsthriller. Fünf Jahre später ist er aktueller denn je, so dass die Filmversion ebenfalls noch exakt den Nerv den Zeit trifft. Mehr noch, mit dem jüngsten Datenskandal um Facebook schlägt die Brisanznadel erst recht aus.
Alle Vorzeichen standen also auf Blockbuster, was mit dem Cast um Emma Watson, Tom Hanks und John Boyega noch zusätzlich Futter bekam. Dank des recht niedrigen Budgets von 18 Millionen Dollar kann ein Einspiel von 40 Millionen noch einigermaßen zufrienden stellen, aber bei der Thematik und einer Bestseller-Vorlage als Basis konnte und durfte man doch deutlich mehr erwarten. Dabei hat der Film durchaus seine Stärken.
Der Social-Media-Gigant „The Circle" ist eine zugleich beängstigende wie fasziniernde Fusion aus Google, Facebook und Apple, die in ihrer Visualisierung noch einmal signifikant eindrucksvoller wirkt wie auf Papier. Die äußere Anlage ist ein klar erkennbares Duplikat des Apple Parks im kalifornischen Silicon Valley. Ein riesiger Ring aus Glas, Chrom und Hitech, der wie ein gigantisches Ufo in der Landschaft thront.
Zukunftsweisend sind auch die Ideen, die hier geboren werden. So schwebt Circle-CEO Eamon Bailey (Tom Hanks) nichts weniger als der gläserne Kunde vor. Und das natürlich am besten freiwillig und ohne dass er irgendetwas daran als störend empfindet. Seine Mitarbeiter leisten dabei fröhlich Pionierarbeit und leben praktisch rund um die Uhr in der Firma. Es fehlt ihnen ja auch an nichts, für jedes Bedürfnis wird gesorgt und für jede Unzulänglichkeit gibt es via Bildschirm flugs dutzende von Lösungsansätzen und Verbesserungsvorschlägen. Im Arbeitsplatz beim Circle ist heiß begehrt und nur die besten, kreativsten und schlauesten jungen Köpfe werden zum Vorstellungsgespräch geladen.
Manchmal reicht aber auch das berühmnte Vitamin B, so zumindest bei der ehrgeizigen Mae (Emma Watson), die über ihre beste Freundin aus Kindertagen den Eintieg ins digitale Paradies schafft. Mae ist zunächst erschlagen und skeptisch ob des totalen Zugriffs, passt sich aber zunehemnd an und hat bald kaum mehr pysischen Kontakt zur Außenwelt. Bailey erkennt recht schnell das Potential des gleichermaßen wissbegierigen wie hübschen Neuzugangs und baut sie zur Gallionsfigur für den nächsten firmeneigenen Quantensprung auf: den gänzlich gläsernen Menschen. Mae scheint am Ziel ihrer Wünsche und kann dank ihrer Berühmtheit nun auch ihrem kranken Vater die dringend benötige Behandlung finazieren. Doch die schöne neue Digitalwelt hat eine finstere Kehrseite ...
„The Circle" ist vielleicht kein reißerischer Cyber-Thriller wie sein 90er-Jahre-Äquivalent „Enthüllung". Dramaturgisch gerät er ein ums andere Mal ins Stocken, Tom Hanks bekommt viel zu wenig Gelegenheit seine interessante Figur mit Leben zu füllen und Emma Thompsons Mae wandelt sich arg plötzlich vom Paulus zum Saulus und wieder zurück. Für die dennoch vorhandene Spannung zeichnet also weniger die eigentliche Handlung vernatwortlich, sondern der deutliche und engagierte Kommentar zum aktuellen Stand des digitalen Fortschritts. Man kann dem Film vorwerfen, dass er dabei ein wenig zu sehr den mahnenden Zeigefinger hebt und sich deultich mehr auf Risiken denn auf Chancen fokusiert, aber eine klare Message ist eben nur mit ein wenig Zuspitzung ans anvisierte Massenpublikum zu bringen.
Das blieb zwar nicht aus, strömte aber auch nicht gerade massenhaft in die Lichtspielhäuser. Zwischen den Zeilen schauen gehört auch nicht unbedingt zum Standardprogramm des handelsüblichen Blockbusters und mag teilweise verscheckt oder auch gelangweilt haben. Das ist schade, denn der Film regt definitiv zum Nachdenken an und wirkt noch lange nach. Er entfaltet seine volle Wirkung also erst im Abgang, was ja in anderen Bereichen durchaus für Qualität spricht. Die schöne neue Digitalwelt zeigt ihre Schattenseiten, im Mutterland der Skeptiker und Schwarzmaler müsste das doch eigentlich sehr gut ankommen.