Review

Lustige Spiele oder feinster Psychohorror?!

Yorgos Lanthimos macht sperrige, spezielle Filme - so viel dürfte mittlerweile jedem bekannt sein. Doch sein neuester Streich ist böser, depressiver und hypnotisch-schöner als alles zuvor. Dagegen wirkt "The Lobster" wie ein lockerer Besuch im Streichelzoo, "Dogtooth" wie ein harmloses Inzucht-Aufklärungsvideo. "The Killing of a Sacred Deer" ist der bisherige Höhepunkt der Karriere des umtriebigen Griechen, ein wilder, unberechenbarer Genremix der sprachlos macht und unfassbar schwer im Magen liegt. Ein Knobelbecher gefüllt mit Metaphern, purem Terror, dunkler Komik und anderen Perversitäten. Ein verquerer Alptraum aus den hintersten Ecken eines genialen Gehirns. Wieder ein Film, den man fast nur lieben oder hassen kann, dem man unfreiwillig verfällt oder dem man sich völlig verschließt. Da soll nochmal einer sagen, es gäbe nur noch stromlinienförmige Filme. In einem Jahr mit u.a. "Mother!", "A Ghost Story", dem neuen Star Wars und eben diesem surrealen Brett, darf man sich nicht beschweren, zu wenig Gesprächs- & Streitstoff zu haben...

Umso weniger man zu dieser spleenigen Horrortragödie weiß, desto mehr Potenzial zu Wowen ist da. So viel sei gesagt: es geht um einen Familienvater und Chirurgen, der einen Teenager kennenlernt, der ihn vor eine teuflische Entscheidung stellt... "The Killing of a Sacred Deer" ist ein vielschichtiges, komplexes, fettes Brett, durch das man erstmal Nägel schlagen muss. Vielleicht etwas lang und verkopft, doch ich war innerlich nahezu durchgehend am zittern, schmunzeln, brodeln, staunen, rätseln. Für Freunde der Metaphern und des Symbolismus ein Feiertag. Ist der Film zu stark, bist du zu schwach. Oder so ähnlich. Die Darsteller spielen durch die Bank intensiv und aufopferungsvoll, doch es ist Lanthimos' unverkennbarer Stil und sein gewagtes Drehbuch, die den seltsamen Thriller im Kopf verankern. Unverschämt macht er hier sein eigenes Ding und bietet etliche Schichten zum erforschen und interpretieren. All das erinnert erstaunlich an ein bärtiges Genie, das vor fast 40 Jahren ins Overlook Hotel lud und ähnlich gekonnt eingebildet auf nichts und niemanden etwas gab. Nur hier ist es wesentlich lustiger. Wenn man den passenden Humor besitzt. Eine mächtige Parabel über die Machtlosigkeit gegenüber der eigenen Schuld und die Qual der Kinderwahl. 

Fazit: kein Regisseur ist wie Lanthimos. Ein polarisierendes Genie. Solche Männer braucht die Filmwelt. Selbst wenn die breite Masse angewidert und verständnislos den Kopf schüttelt. Sein fünfter Streich ist sein Meisterwerk und schraubt den Horror, die Psychospielchen, den schwarzen Humor in unangenehm extreme Höhen. Unterschwellig ein diabolischer Wadenbeißer, irgendwo zwischen "Funny Games", einer griechischen Tragödie und "Shining". Der experimentell aufreibende, kratzige Soundtrack ist da noch das kleinste "Übel"... Paralysiert!

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