Zum fünften und letzten Mal taten sich Don Siegel und Clint Eastwood für „Flucht von Alcatraz“ zusammen und erschufen eine Geschichtsstunde für alle „Prison Break“-Fans von heute.
Frank Morris (Clint Eastwood), notorischer Ausbrecher, wird nach Alcatraz verlegt, jene legendäre Gefängnisinsel, die als ausbruchsicherster Knast der Welt gilt. Die lange Credit-Sequenz gehört zu den wenigen Ausnahmen des Gefängnisses, sonst konzentriert sich Siegels Film auf dessen Innenleben, wie er sich auch auf das Innenleben der Protagonisten und weniger auf äußere Action konzentriert.
Morris will auch aus diesem Gefängnis ausbüchsen, was allerdings ziemlich viel Geschick, Planung und Zeit erfordert. Doch davon hat Morris genug und macht sich an die Umsetzung des Vorhabens…
Siegels Film ist ein Thriller, der bei einer Laufzeit von fast zwei Stunden ein ruhiges Tempo und ein geringes Maß an Schauwerten vorlegt. Die handelsübliche Auseinandersetzung mit dem Knast-Bully darf nicht fehlen, beim Ausbruch gibt es auch ein paar körperliche Strapazen, ansonsten dominieren hier aber die stillen Momente, in denen Morris heimlich in seiner Zelle werkelt und die Szenen vom Miteinander des Knastinsassen.
Denn „Flucht von Alcatraz“ ist eben nicht nur ein Ausbruchsthriller, sondern gleichzeitig ein verstecktes Drama. Das dies so gut funktioniert, ist an sich erstaunlich, denn groß mit Background bedacht werden die Figuren kaum. Das führt zu einer leichten Schwarz-Weiß-Malerei, auf der einen Seite die eher ehrenhaften Insassen, auf der anderen Seite der fiese Direx, der Häftlingen die Privilegien wegnimmt und sie damit zum Selbstmord treibt. Sicher ist die Anklage unmenschlicher Haftverhältnisse ein lobenswerter Zug, der hier allerdings plakativ betrieben wird.
Dass Alcatraz dann nicht unbedingt aus humanistischen Gründen, sondern aus wegen der immensen Kosten geschlossen wurde, ist ja bekannt, doch dieser Fakt interessiert Siegel weniger. Dafür die Tatsache, dass die Geschichte der titelgebenden Flucht tatsächlich in dieser oder ähnlicher Weise stattgefunden hat – ob sie glückte, ist nicht bekannt, aber man kann es annehmen. Spuren der hier von Eastwood verkörperten Figur finden sich auch im neueren Actionkino wieder: In „The Rock“ wird der Mythos des Alcatraz-Flüchtigen aufgegriffen, in „Flucht aus Absolom“ wird ebenfalls ein notorischer Ausbrecherkönig in den härtesten Knast seiner Zeit verlegt.
Clint Eastwood spielt die Hauptfigur mit dem ihm ganz eigenen Minimalismus, was durchaus zu der Figur passt, über die wir so wenig erfahren. Aber Eastwoods kleine Gesten füllen Frank Morris mit Leben und zeichnen das Bild des determinierten Ausbrechers. Derartig prägnante Eindrücke hinterlässt kein Mitglied des ebenfalls überzeugenden Supportcasts, weder Patrick McGoohan als Gefängnisdirektor noch Fred Ward aus Ausbruchskomplize.
Wer sich auf „Flucht von Alcatraz“ einlässt, der lässt sich auf extrem ruhiges, auf Schauwerte verzichtendes Erzählkino der minimalistischen Art ein. Bisweilen etwas plakativ, aber durchweg packend – ein spannender Film der leisen Töne. Als Siegel/Eastwood-Kooperation nur noch von „Dirty Harry“ übertroffen.