Als „Fluch der Karibik 4“ 2011 zwar weltweit dick Knete machte, am heimischen Box Office allerdings schwächelte und von Fans wie Kritikern bestenfalls lauwarm angenommen wurde, vertagten Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer und die restlichen Macher ihre Sequelpläne auf später – sechs Jahre nach „On Stranger Tides“ ist mit „Dead Men Tell No Tales“ alias „Salazar’s Revenge“ nun der nächste „Pirates of the Caribbean“ da.
Nach dem farblosen Rob Marshall übernimmt nun das norwegische Regieduo Joachim Rønning und Espen Sandberg als Franchise-Verwalter die Nachfolge von Gore Verbinski. Mit „Kon-Tiki“ konnten die beiden Erfahrungen mit nautischen Drehs sammeln, während Franchise-Neuzugang Jeff Nathanson ein Drehbuch verfasste, welches das Rezept aus potentiellem Paar junger Abenteurer plus Jack Sparrow (Johnny Depp) erneut aufkocht. Hier sind es nun Henry Turner (Brendan Thwaites), der inzwischen ansatzweise erwachsene Sohn von Originalheld Will (Orlando Bloom), der seinen Vater vom Dienst auf der Flying Dutchman befreien möchte, und die Astrologin Carina Smyth (Kaya Scodelario), die eine angebliche unlösbare Schatzkarte entschlüsseln will, die ihr Vater ihr hinterließ, den sie nie kennenlernte.
Dabei ist Jack Sparrow erneut der Angelpunkt des Geschehens. Denn ihn sucht Henry auf, in der Hoffnung, dass Sparrow ihm den Weg zu Poseidons Dreizack zeigen kann – jenem Artefakt, das alle nautischen Flüche lösen kann, auch den, der Will bindet. Die Karte dorthin ist wiederum jene, die Carina besitzt. Dummerweise gibt Sparrow einen magischen Kompass im Tausch für Hochprozentiges ab, was den nächsten verfluchten untoten Feind aus der Vergangenheit entfesselt, nämlich den spanischen Captain und Piratenjäger Salazar (Javier Bardem) – der wiederum bereits die Crew von jenem Kriegsschiff auslöschte, auf dem Henry Dienst tat. Klingt alles etwas verworren und kompliziert, läuft aber auf das bekannte Rezept der Abenteurertruppe wider Willen auf Schatzsuche mit gespenstischen Verfolgern im Nacken hinaus.
Natürlich schlägt die Rückkehr Salazars und die Kunde vom Versteck des Dreizacks hohe Wellen. Englische Truppen wollen den Dreizack im Dienst der Krone holen, während Piratencaptain Hector Barbossa (Geoffrey Rush) ebenfalls seine Finger im Spiel hat, da Salazar in seinem Piratenhass auch Barbossas Schiffe reihenweise versenkt…
„Fluch der Karibik 5“ ist ein Auf-Nummer-sicher-Film, ähnlich wie sein direkter Vorgänger, der quasi noch einmal die Geschichte des Erstlings unter leicht veränderten Vorzeichen aufwärmt. Verrücktheiten wie im nicht gänzlich gelungenen, in seinem Größenwahnsinn nicht uninteressanten dritten Teil werden da ausgeklammert, weshalb Dienst nach Vorschrift angesagt ist: Wieder sind ein paar ahnungslose Briten als mitmischende, aber völlig egale Partei dabei, wieder wird Barbossa in die Chose hineingezogen, wieder ist ein monströs-untoter Captain als Antagonist am Start und wieder dient ein dolles Artefakt als MacGuffin, hinter dem alle Parteien in wechselnden Allianzen her sind. Natürlich fliegen die Funken zwischen Held und Heldin und das Ende könnte glatt als Abschluss für die Reihe durchgehen, würde nicht ein Post-Credit-Sequenz nicht schon die nächste Fortsetzung andeuten.
Dementsprechend ist „Fluch der Karibik 5“ auch nicht besonders spannend, da man alle Zutaten zur Genüge kennt und das Ganze von Drehbuchseite Malen nach Zahlen ist. Doch die Chemie zwischen dem Liebespaar in spe stimmt mehr als die beim direkten Vorgänger, so egal die Bezüge zu früheren Filmen auch sein mögen. Jack Sparrow bleibt leider wieder eher der Pausenclown; vom Können und der Verschlagenheit, die seine Figur in der Originaltrilogie noch auszeichneten, ist wenig geblieben, aber wenigstens dominiert er den Film nicht so sehr wie in „Fluch der Karibik 4“, in dem er fast alle anderen Figuren erdrückte. Außerdem ist Sparrow mal wieder für einige trockene Gags und Trottelsprüche zu haben, womit der humoristische Ton meist versöhnlich stimmt, abgesehen von einigen peinlichen Flachwitzen, die es in den Film geschafft haben und ihren Höhepunkt in einer Fremdschamszene finden, in der Sparrow mit einer ekelhaften Vettel verheiratet werden soll – zum Glück ist diese Szene schnell vorbei.
Doch was Rønning und Sandberg aus dieser nicht sonderlich neuen Prämisse machen, kann sich überraschenderweise noch recht gut sehen lassen. Das Tempo ist hoch und das nächste Set Piece nie zu weit weg als dass man sich allzu sehr über die Geschichte ärgern müsste. Vor allem aber beweist „Fluch der Karibik 5“ visuellen Einfallsreichtum: Salazars Schiff, dessen Vorbauten sich zu einem hölzernen Maul formen, das andere Schiffe verschlingt, eine Gallionsfigur, die lebendig wird und in eine Seeschlacht eingreift, und ein geteilter Ozean (inklusive Spaziergang am freigelegten Meeresboden) gehören zu den optischen Highlights. Vor allem stark sind die untoten Zombiehaie, die Salazars Crew den Helden in einer Szene auf den Hals hetzt; leider bleibt ihre Präsenz auf dieses eine Set Piece beschränkt.
Dazu kracht und knallt es in gewohnter „Fluch der Karibik“-Manier, wenn auch nicht durchgängig auf gleichem Niveau. In Sachen Schwertkämpfe und sonstige Duelle gibt es wenig Bemerkenswertes zu sehen und das ist meist etwas verwackelt, während die Attacke der Zombiehaie zwar etwas klamaukig endet, aber sonst recht famos ist. Ebenso stark die Seeschlacht zwischen der Black Pearl und Salazars Schiff sowie eine Rückblende, in der man den Grund für die Feindschaft zwischen Sparrow und Salazar erfährt. Der digital verjüngte Johnny Depp schaut in besagter Szene zudem ziemlich überzeugend aus, mehr als die vergleichbar verjüngten Figuren aus „Rogue One“. Dagegen fällt der Showdown etwas ab, der zwar die coole Location des freigelegten Meeresbodens (und eines an der Wasserkante langfahrenden Schiffes) besitzt, aber ansonsten nur Standardkloppe zwischen den Hauptfiguren liefert.
Dabei gibt Johnny Depp seine inzwischen zur Routine gewordene Performance als Heldenclown ab, die teilweise Laune macht, aber eben kaum verhehlen kann, dass das Ganze schon mal frischer und Depp selbst schon mal motivierter war. Geoffrey Rush liefert ebenfalls nur zufriedenstellend mehr vom Gewohnten, während sich Brendan Thwaites und Kaya Scodelario wacker schlagen, aber gegen ihre Vorgänger Orlando Bloom und Keira Knightley abfallen, die kurze Gastauftritte haben. Teile der bekannten Piratencrew sorgen für einen Wiedererkennungseffekt, während Javier Bardem eine Variation seiner gepeinigten wie manischen Schurkenrolle aus „Skyfall“ abliefert, gelegentlich overacted und nicht an seine Vorgänger in Sachen Sparrow-Antagonisten heranreicht, aber dennoch einen memorablen Schurken abgibt.
Salazar und seine Geistercrew, deren Körper im manchen Falle nur noch in Teilen bestehen geblieben sind, sind ebenfalls ein netter Einfall, wenngleich irgendwie eine Abwandlung der Zombiepiraten aus Teil 1. Die neue Spezies untoter Verfolger kann allerdings das Wasser nicht verlassen, was für ein paar nette Gedankenspiele in Sachen Flucht aufs trockene Festland (und weg von der Piratendomäne des offenen Meeres) sorgt, wenngleich die auf der Meeresoberfläche rennenden Geister eher albern als bedrohlich aussehen. So liegen hier Licht und Schatten oft zusammen: Eine Raubzug, bei dem ein ganzes Bankgebäude durch die Stadt geschleift wird, wirkt etwas zu over the top, hat aber ein paar beeindruckende (Zeitlupen-)Einstellungen, ähnlich die obligatorische Last-Minute-Rescue-Szene vor der Hinrichtung (inklusive netter Spielereien mit einer Guillotine). Die Drehorte sind mal wieder von ausgesuchter Schönheit, doch dürfte der Blick gerne länger darauf verweilen, doch stattdessen geht es immer weiter zum nächsten Set Piece, untermalt von der Musik Geoff Zanellis, die aber in erster Linie Hans Zimmer kopiert und darüber hinaus leider etwas egal ist.
Für einen fünften Teil, von dem man eigentlich wenig erwartet hatte, ist „Salazar’s Revenge“ recht ordentlich geworden, da die beiden Regisseure gut aufs Tempo drücken und mit visuellem Einfallsreichtum Actionszenen meist einfallsreicher Natur auf den Zuschauer niedergehen lassen. Sicher ist die Geschichte nach bekanntem, etwas ermüdetem Karibikfluchschema geschrieben, Depp als Sparrow war auch schon mal begeisterter dabei (trotz rekordverdächtiger Gage) und wenn einer der Beteiligten sich gegen Ende des Films (vorläufig?) aus der Reihe verabschiedet, kann man es ihm nicht verdenken. Und doch: Ganz launiges, anspruchsarmes Popcornkino mit einigen Schauwerten ist auch dieser Teil. Nur noch einmal Party zu machen als wäre es 2003, das sollte man besser nicht erwarten. 5,5 Punkte meinerseits.