Hämischen Prognosen und Vorberichten folgte eine Welle euphorischer Startkritiken, deren Konsens darin lag, vom besten DC-Film seit Äonen zu sprechen. An "Wonder Woman" lässt sich also wunderbar ablesen, wie irreführend das mediale Geläute rund um einen Kinostart sein kann. Am Ende bekommt man das, was man mit ein wenig Erfahrung von Anfang an hat erwarten können: Einen aufgrund vereinzelter Glücksgriffe gerade noch leicht überdurchschnittlichen, jedoch generischen Comicfilm, von dem man aber nicht so entgeistert wäre, hätte man einfach mal wieder den Hype ausgeblendet.
Der Prolog findet im Dienste der tieferen Charakterisierung der Hauptfigur im Reich der Amazonen statt und einem Teil des Publikums mag die hierin verborgene Exotik vielleicht gefallen, doch den Eskapismus, den eine solch fremde Welt verspricht, liefert sie nicht. Traumähnlich wirkende Bilder von kostümierten Frauen, die artistische Wirework-Einlagen darbieten, zerstören die cineastische Illusion und legen Filmtechnik frei, die verborgen hätte bleiben sollen; hinzu gesellen sich bittererweise Filmklischees, sobald Chris Pine in den Ozean stürzt.
Man sollte meinen, dieser in Bezug auf Emanzipation wichtige Film räume mit Vorurteilen auf, doch die hilflose Rolle, die man Pine geschrieben hat, kehrt sie lediglich um. Wie ein verirrter Dackel beginnt er, sich in der fremden Welt zurecht zu finden; wie ein aufmüpfiger Wurm versucht er später, für die Relevanz seiner kleinen Gefühle einzustehen, die im Bombast typischer Comic-Action unterzugehen drohen.
Umgekehrt immerhin spielt der Film seine größte Stärke aus. Gal Gadot, das kann man nicht anders sagen, ist ein großer Glücksgriff. Es wäre ein Leichtes, Pines unterwürfigem Gewusel mit der Arroganz vermeintlich feministischer Frauen-Action zu begegnen, wie sie in den 90ern mit "Charlie's Angels" begann und zuletzt mit "Ghostbusters" einen fragwürdigen Höhepunkt erreichte. Stattdessen entscheidet sie sich dazu, eine wahrhaft starke Frau zu verkörpern. Sie weiß nicht nur Schönheit mit Stärke zu kombinieren, ohne dabei albern auszusehen, sondern reichert sie zusätzlich mit Neugierde und Naivität, Beharrlichkeit und Stursinn an. Kurzum: Mit entwaffnender Menschlichkeit.
Technisch gesehen verleiht der WWI-Kontext im Mittelteil der Handlung eine gesunde Körperlichkeit, die mit der cineastischen Freiheit eines Superheldenfilms zunächst noch gesund aufgemischt wird, im Effektrausch des physikfreien Finales aber wieder geopfert wird; zumindest im Mittelteil blüht die Titelfigur auf. An diesem Punkt wird "Wonder Woman" zu einem durchaus starken Vertreter seiner Art, auch wenn Witze über kulturelle Unterschiede und Unterzahl-Action letztlich vorhersehbare Schachzüge einer Filmsorte sind, die inzwischen im Überfluss angeboten wird. Selbst das starke Wonder-Woman-Theme, das Gadots Auftritten in "Batman v Superman" noch einen echten Kick gegeben hat, wird nun im betonten Wissen um seine Wirkung angewendet und verliert dadurch seine Besonderheit.
Vielleicht liegt darin das ganze Problem all der Comic-Universen. Während in der echten Welt das Gesetz gilt, dass Ordnung immer zum Chaos strebt, läuft es im Film umgekehrt: Der Reiz des Chaos weicht einer langweiligen, routinierten Ordnung, je mehr Raum man ihm zur Entfaltung gibt.