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Bevor es zum dritten, und erstmals erfolgreichen Male in den Westen ging, ließ es Jackie Chan anno 1994 in Hong Kong nochmal so richtig krachen.
Denn während er sich mit der Möglichkeit eines Hollywoods-Projekts befasste, und eine Produktion und Filmrolle nach der anderen ablehnte (u.a die des Bösewichts aus Demolition Man), blieb er natürlich nicht untätig, und drehte erst den düsteren Crime Story, und gleich im Anschluss Drunken Master 2, seine längst überfällige Fortsetzung zu seinem ersten (eigentlich zweiten) Megahit aus dem Jahre 1978.
Und obwohl sich DM2 in Anbetracht auf Chans „Workoholismus“ bloß als „Aufwendiger Schnellschuss“ erweist, bildet dieser eine der mit Abstand besten Arbeiten überhaupt im Martial-Arts Film.

Diese Fortsetzung ist jedoch eher als eine Art Neuverfilmung zu verstehen.
Denn nach zwei Jahrzehnten hat sich der Publikumsgeschmack, die Sehgewohnheiten und auch das Alter des Hauptdarstellers stark geändert. Von der ursprünglichen Ideen-Konzeption vom originalen Drunken Master blieb nur noch wenig übrig.
So schlüpft also Jackie Chan erneut in die Rolle des frechen, albernen und sehr selbstsicheren Wong Fei Hung, muss sich diesmal aber nicht von einer Trainingsszene zur nächsten durchplagen, sondern mit korrupten Kunstschmugglern ohne jeglichen Patriotismus rumschlagen. Einen verrückten alten Meister gibt es nicht mehr und genauso wenig den Wunsch besser kämpfen zu lernen.
Stattdessen wird der Film gleich zu Beginn in das eigentliche Handlungskonstrukt um ein kaiserliches Jade-Siegel integriert, und gönnt sich aber vor allem in der ersten Hälfte größere Pausen für einen kleinen Subplot in Form eines Familiendramas.
Denn wie es der Titel für Chan-Neulinge vermuten lässt, und es sich Fans des ersten Teils ohnehin denken können, wird man hier einen „betrunkenen Meister“ erleben.
Wenn Wong Fei Hung mal nicht gerade Papa’s Ginseng verliert, der für einen Patieten bestimmt war, und die Sache noch verschlimmert, indem er die Wurzel aus dessen Lieblings-Bonsai herausrupft, dann betrinkt er sich und lässt sich auf Schlägereien ein, was den Vater zur Teufelswut führt.
Das ist ein Subplot, der die Charaktere dem Zuschauer näher bringt, und zugleich als interessanter Lückenfüller für die etwas magere Haupthandlung dient.

Jedoch hat der Film da ein kleines Problem. Herr Chan war damals schon 40 Jahre alt, und den wilden Lümmel nimmt man ihn nicht mehr ganz so ab wie mit 24!
Die Vater Figur, gespielt vom nur 7 Jahre älteren Ti Lung, und die sogar um wenige Jahre jüngere Anita Mui als Stiefmutter, wollen zusammen nicht so recht annehmbare Familienatmosphäre aufbauen. Während man das bei einer Stiefmutter noch verzeihen kann, stört der geringe Altersunterschied zwischen Jackie Chan und Ti Lung schon weitaus mehr.
Was nicht heißen soll, dass die Schauspieler ihre Sache schlecht machen würden.
Ti Lung konnte bereits seine „Sung Tse Ho“-Figur in den A better Tomorrow Filmen souverän meistern, und auch hier, in der Rolle des ehrenvollen, strengen aber gutherzigen Vaters, der lieber sterben würde als unehrenhaft zu sein, glänzt er richtig. Mit seinem Schauspiel macht er eine sehr gute Figur, Emotionen Handlungsweisen und Mimik bringt er perfekt rüber, und da vergisst man schon mal den Altersunterschied zum Filmsohn.
Weniger gut sieht es da mit der Leistung Anita Mui’s aus. Obwohl ihre Performance wegen der ein oder anderen Albernheit ganz unterhaltsam sein mag, sind dieser Figur dem Drehbuch sei dank nicht gerade kinderfreundliche Mutterinstinkte zuzuschreiben.
Welche Mutter fordert den Sohn auf, sich zu dreschen, und unterstützt das auch noch mit einer Menge an Alkohol, die der Sohnemann trinken soll?

Aber genau das macht schließlich den Film aus. Dass Jackie Chan nun mittlerweile etwas in die Jahre gekommen ist, ändert nichts an seiner Spielfreude, seinem Hang für Slapstickszenen, und bewegen konnte er sich damals auch immer noch verdammt gut.
Der typischen 08/15-Jackie Chan Rolle eines seiner jeden Filme kann sich Jackie Chan diesmal leicht erheben, da von ihm diesmal auch emotionale Szenen abverlangt werden, die er überraschend gut zu bewältigen weiß.
Die Szene in der er von seinem Vater angeschrieen, verhauen und schließlich rausgeworfen wird, kommt mit der musikalischen Begleitung sehr gut rüber, und lässt keinen Platz für unfreiwillige Komik, und auch das anschließende Tränen Gesicht sieht überzeugend aus.
Anders als im ersten Drunken Master, wird hier der betrunkene Chan auch in ruhigen Szenen gezeigt, ohne dass er diesen Rausch ausschließlich zum Hüpfen und Treten nutzt. Sein besoffenes Schauspiel ist wirklich gut, auch wenn es hin und wieder leicht zum Overacting reicht.

Doch kommt es damit dann erst zu den grandiosen Kampfszenen, ist Chans Spielfreude ein wahrer Genuss und dürfte für reichliche Lacher und großes Staunen sorgen.
Chans Drunken Boxing sieht verdammt gut aus, und gemixt mit dem Chan typischen Slapstick, inklusive besoffenen Grimassenschneidereien, wird das ganze Gekloppe zu einem wahrhaftigen Freudensfest.
Erst Recht dadurch, weil der Film die Bösewichte optimal einführt, und geschickt in die Kampfszenen einbaut.
Ein filmisches Feature, das sich oft bewährt hat, und die Interesse des Zuschauers besonders auf sich zieht:
Ein Bösewicht, genannt Henry taucht in der Stahlfabrik auf, und fordert die Arbeiter auf unbezahlte Überstunden zu machen. Diese weigern sich, und da nimmt es der Kerl galt mit allen auf. Sofort sieht man welch ernstzunehmender Befehlshaber er ist, wenn er erstmal alle mit schnellen Schlägen und Tritten vermöbelt, und dann auch noch ein glühendes Metallrohr aus dem Ofen zieht und für brennende Bäuche sorgt.
Wow, der Typ ist hart.
Und nun trifft er endlich auf Wong Fei Hung, und der Zuschauer darf sich auf einen interessanten Zweikampf einstellen. Dem Alkohol sei dank wird Fei Hung zum wilden Tier und bekämpft Henry auf stilvolle drunkenboxing-weise; die gefährliche Aura, die den Schurken einst umgab verfiegt schnurstracks, als dieser mit verwunderten Blick am Boden liegt und seine Männer zur Hilfe ruft.
Nach diesem Fehlschlag wendet er sich an seinen Vorgesetzen, John, gespielt von Ken Lo, ein erstklassiger Kickboxer und Jackies Chans Reallife-Bodyguard; ein weitaus stärkerer, selbstbewussterer, scheinbarer Übergegner, der einschreitet, wenn selbst der beste Mann versagt.
Eine ungeheure Aura des Respekts umgibt ihn, als dieser gewaltbereit vor dem besoffenen Jackie steht, welcher schon viel zu betrunken ist um noch zu kämpfen.
Ohne sich großartig anzustrengen, lässt er Jackie festnehmen und ein Exempel statuieren.

Nachdem er später im Film eine Bande von etwa 100 Leuten auf Fei Hung im Teehaus gehetzt hat, gegen die er sich zusammen mit Fu Wen Shi auch ohne Alkohol gekonnt zur Wehr setzen konnte, kommt es dann zum großen überlangen, legendärem Finale.
Die gestohlenen Kunstgegenstände interessieren eigentlich immer noch nicht so richtig, doch es ist hier das Motiv wofür sich Fei Hung auf den finalen Mega Showdown einlässt.
Das Finale in der Stahlfabrik beanspruchte 4 Monate Drehzeit, und diese Arbeit sieht man dem Film auch an. Die Choreographie mit den vielen Angreifern ist absolut gelungen. Jackie schlägt, tritt und hüpft in alle Richtungen, wehrt alles ab und macht dabei eine wie immer perfekte Figur. Jackie unterzieht sich hier einer höchstkomplizierten Choreographie, die es wirklich in sich hat. Alle Gegner greifen mit Metallrohren an, Jackie muss alles abwehren, herunterfallenden Tonnen millimeterscharf ausweichen, sich aus schwerem Kohleschutt befreien, und sich im Feuer welzen.
Absolut spektakulär zum ansehen und das war erst der Vorgeschmack.
Jetzt steht Jackie John Und Henry gegenüber, und muss sich durchprügeln bis Henry zunächst im abseits landet, damit sich die Kamera voll und ganz auf die unglaublich beeindruckende Beinarbeit von Ken Lo konzentrieren kann. Endlich sieht man Wong Fei Hung im alles entscheidenden Kampf mit dem härtesten aller Bösewichte.
Die schnellen, heimtückischen, stepptanzartigen Beinbewegungen von Ken Lo sind ein wahrer Eyecatcher und lassen Jackie zunächst verdammt alt aussehen. Nach einem kurzen Schlagabtausch und einem glühend heißen Hinterhalt vom überraschend auftauchenden Henry kommt es zu einem kleinen Highlight in Chans Stuntographie; hier lässt er sich in eine Grube mit brennenden Kohlen schmeißen, und da dürften sich bei jedem Zuschauer mit einem halbwegs funktionierenden Schmerzempfinden die Zehen zusammenballen, wenn man sehen muss, wie sich Jackie durch diese sicherlich schmerzvolle Plage quält.

(Wer die Outtakes gut beobachtet sieht aber, dass Jackie den Stunt mit einem weiten, dicken übernässten Anzug durchführte)

Nun nähert sich der Kampf seiner Endphase und zugleich dem Höhepunkt, denn der Industriealkohol kommt Fei Hung mehr als gelegen. Das Zeug eignet sich gut um Feuer zu spucken und somit für beeindruckende Flammen zu sorgen, aber es macht praktischerweise auch schnell besoffen. Jackie’s Schauspiel ist dabei wirklich eine Klasse für sich, mit seiner Mimik, seinem Hauch und seinem Gezappel kann er so einige Lacher verbuchen, und scheint dem Kickboxenden Ken Lo langsam überlegen. Nonstop Akrobatik, komplizierte Jumpkicks, und harte Schläge absolviert er im Sekundentakt und lässt den Zuschauer gar nicht mehr aus interessiertem Staunen heraus.
Und kaum ist der Kampf beendet, kommentiert Jackie das mit einem „Das war Drunken Boxing!“; die ersten Blasen steigen bereits aus seinem Mund (und ich dachte er wollte kotzen) und nach diesem Freeze Frame erheben sich völlig unterwartet die Credits aus dem unteren Bildteil und zeigen die traditionell für einen Chan Film, amüsanten Outtakes.

LoL, „was ist denn nun mit den gestohlenen Kunstgegenständen“ mag sich da einer fragen. Die Frage ist zwar rein filmtechnisch berechtigt, aber die Antwort darauf wäre nunmal „is doch jetzt eh wurscht“.
Denn während die ebenfalls uninteressante Handlung aus Police Story immerhin mit einem Problem herhalten kann, welches ein einzelnes Menschenleben betrifft, sind die gestohlenen Kunstgegenstände, die lediglich in einem britischen Museum landen sollen schlichtweg uninteressant, und lassen den Zuschauer völlig kalt. Die Entführung einer geliebten Person hätte schon weitaus mehr gebracht, aber was mit den chinesischen Schätzen geschieht ist nun wirklich Schnuppe.

Erst recht wenn der Film eben mit anderen Stärken überzeugen kann. Während also der Hauptplot sehr nebensächlich erscheint, und wie immer nur den Job vom Verbinden der Kampfszenen erledigt, reißen es da die kleinen Subplots ums „Drunken Boxing vs. Kung Fu“ oder die Familien internen Schwierigkeiten weitaus mehr heraus. Die Hauptcharaktere im Film machen eine sehr gute Figur; Ti Lung liefert ein erstklassiges Vater-Schauspiel ab, Jackie Chan’s Wong Fei Hung wirkt weitaus menschlicher, als das Abziehbild wie in z.b „Wheels on Meals“ und auch die charismatischen Bösewichte strahlen eine gefährliche Aura aus, die sie besonders bedrohlich wirken lässt. In den Kampfszenen schöpft der Film dann schließlich sein ganzes Potential aus und beeindruckt mit jeder Einstellung. Was anfangs (Kampf am Bahnhof und Demonstrationskampf am Markt) noch recht durchschnittlich aussieht, steigert sich mit Chans erstem Rausch, und erlangt in der Stahlfabrik ungeahnte Höhen.
Martial Arts Action vom aller Feinsten. Wer das nicht zu würdigen weiß, bei dem ist Hopfen und Malz echt verloren!
Both Thumbs Up!

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