kurz angerissen*
Die Vogelperspektive auf sein eigenes Haus in der gemütlichen Kleinstadtsiedlung dürfte für den früher noch so wilden Familienvater ein unerträglicher Anblick sein. Das Eigentum verschwindet in dem feinmaschigen Muster aus Dachziegeln, Autodächern in der Einfahrt und dem Grün des hübschen kleinen Vorgartens, es wird regelrecht unsichtbar. Frau, Haus, Kinder: Der Eintritt in die Konformität geschah Baustein für Baustein. Völlig willenlos.
Und die Frau? Quält sich im Aerobic-Kurs für eine gute Figur, die sich aber ohnehin nicht im Kampf gegen die Zeit halten wird. Ihr Mann würde den trainierten Körper nicht einmal bemerken. Der ist zu sehr mit Autopolitur und Selbstmitleid beschäftigt. Also, was ist der Ausweg? Mal einfach etwas Zeit für sich nehmen? Unmöglich, wo die Kinder da sind und gerade die großen Wunder des Lebens für sich entdecken. Da muss man halt gute Miene zum bösen Spiel machen und schützend die Hand über sie halten, während sie ihre Erfahrungen machen, auch wenn es ein verdammt mühsamer Job ist.
Muss man wirklich?
„Mom and Dad“ greift zwar auf die Regeln des übernatürlichen Horrorfilms zurück und lässt unsichtbare Kräfte (Magnetfelder? Schallwellen? Voodoo-Puppen?) walten, um die Eltern gegenüber ihrem eigenen Nachwuchs zu bestialischen Killern mutieren zu lassen. Die unerklärliche Prämisse lässt das Drehbuch sogar ein Stück Richtung Massenphänomen-Horror der Marke „The Happening“ oder „Bird Box“ treiben. Und doch wird bei den zuschauenden Eltern bewusst eine sehr alltägliche Emotion getriggert: Manchmal, da möchte man den Kindern eben einfach...
Ein Soundtrack fast wie aus der Klapsmühle, ein Schnitt, der Rückblenden wie verendende Hirnfürze in die Gegenwart schiebt: Brian Taylor scheint der richtige Dirigent zu sein, um einen solchen Stoff zur schwarzhumorigen Satire auszuarbeiten. Und Nicolas Cage natürlich genau der richtige Schauspieler, auch wenn sein wunderbarer Expressionismus diesmal ein wenig auf Sparflamme kocht (oder man hat sich einfach inzwischen zu sehr daran gewöhnt). Dafür hat man Selma Blair vielleicht noch nie so aufgedreht gesehen...
Der wie üblich hyperaktive Stil des Regisseurs garantiert allerdings noch längst keinen nahtlosen Erzählfluss. Es gibt leider so einige Ideen im Film, die sich bloß um die eigene Achse drehen, auch wenn eine dramaturgische Steigerung in Form einer zunehmenden Eskalation zum Konzept gehört (erstaunlich agil und ein wahres Highlight in seiner kurzen Nebenrolle: Lance Henriksen). Für Inspiration sorgt dann auch weniger die handwerkliche Umsetzung als vielmehr die bloße Grundidee. Es ist ein wahrer Ventil-Film für Väter und Mütter, die mit ihrer sozialen Rolle unglücklich sind und dieses Unglück zumeist nicht einmal mit anderen Menschen dürfen, weil es gesellschaftlich verpönt ist. Heimlich auf der Couch werden die Eltern womöglich so manchen Jubeltanz aufführen, während sie mit den Durchgeknallten mitfiebern. Aber Obacht: Nicht gemeinsam mit dem Nachwuchs schauen. Verletzungsgefahr!