Review

Als Teil des „Crank“-Duos Neveldine/Taylor hatte Brian Taylor bereits bei „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“ mit Nicolas Cage zusammengearbeitet; für seine erste Solo-Regiearbeit „Mom & Dad“ besetzte er Cage dann erneut in einer Hauptrolle.
Die Prämisse hier ist eine Umkehrung des bekannten Topos der Eltern-mordenden Kinder (siehe „Kinder des Zorns“, „The Children“, „Ein Kind zu töten“ usw.), was schon der Einstieg zeigt, bei dem eine Mutter ihr Baby im Auto zurücklässt, die Karre auf einem Bahnübergang abstellt und danach aussteigt, ehe der Zug das Auto schrottet. Nach diesem Exkurs geht es erst einmal nach in die Vorstadt mit ihren idyllischen Familiendomizilen und gepflegten Gärten. Dort lebt die Familie Ryan: Vater Brent (Nicolas Cage) schuftet im Büro, sodass man sich das Eigenheim samt Haushaltshilfe leisten kann, Mutter Kendall (Selma Blair) kümmert sich um die Kinder und hält sich mit Sportkursen fit, der junge Sohnemann Josh (Zackary Arthur) lässt überall die Spielzeuge liegen und die pubertierende Tochter Carly (Anne Winters) ist gerade in der bockigen Trotzphase. Kurzum: Das vermeintlich perfekte amerikanische Familienidyll, das nur auf eine horrorfilmtypische Störung wartet.
Doch die Risse in der glücklichen Fassade sind erst einmal anderer Natur: Brent hängt gedanklich jugendlichen Zeiten der Freiheit und des Wildseins nach, Kendall leidet darunter, dass die maulfaule Carly sich lieber mit Facebook als mit ihr beschäftigt. Es ist doch nicht alles heile Welt in Suburbia, wie man auch an Carlys Umfeld sehen kann: Ihre beste Freundin Riley (Olivia Crocicchia) wird von ihrer geschiedenen, ständig betrunkenen Mom ebenso vernachlässigt wie Carlys Freund Damon (Robert T. Cunningham), nur dass der als Schwarzer mit seinem Säuferdaddy in wesentlich weniger schicken Verhältnissen wohnt. Das hat durchaus seine Spitzen, doch die Vorstadt und der American Dream wurden im Horrorgenre schon mal bissiger und wesentlich böser auseinander genommen.

Langsam verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass der Vorfall vom Beginn des Films kein Einzelfall war. Immer wieder fallen Eltern über ihre Kinder her, weshalb Carly ihren kleinen Bruder aus dem trauten Heim herausschaffen möchte, ehe es gefährlich wird. Doch Mom und Dad sind auch schon auf dem Weg nach Hause…
Brian Taylors Horrorkomödie hat einige Vorbilder aus verschiedenen Subgenres, in denen er sich in seinen zwei Filmhälften abarbeitet. Hälfte Nummer eins etabliert das Setting (auch wenn die Prämisse dem Zuschauer deutlich schneller klar ist als den Figuren) und spielt an verschiedenen Locations in der (Vor-)Stadt. Dass nie wirklich erklärt wird, warum die Eltern Amok laufen, erinnert an Romeros wegweisenden „Night of the Living Dead“, der immerhin die Landung einer NASA-Probe von der Venus als (nicht vom Film bestätigten) Grund für das Zombieauftauchen anbot. Hier spekulieren Experten im TV über Viren oder Biowaffen, die den elterlichen Beschützerinstinkt ins Gegenteil verkehren, Aggressionen werden durch nur noch Rauschen anzeigende Bildschirme angekündigt, doch leider ist diese Unklarheit in „Mom and Dad“ wesentlich unbefriedigender als im Vorbild. Weitere Zombie- und Infiziertenfilme wie „28 Days Later“, „The Crazies“ oder das „Dawn of the Dead“-Remake stehen dann Pate, wenn die marodierenden Eltern hordenweise anrücken und beispielsweise das Schulgebäude belagern. Das gibt Raum für ein paar spannende Jagdszenen in Alltagslocations, fällt aber überraschend zahm aus – gerade wenn man bedenkt, dass Taylor in seinem bisherigen Filmschaffen kein Kind von Traurigkeit war.
In Hälfte zwei verlagert sich der Film vorwiegend ins Familiendomizil der Ryans, wo Home Invasion unter umgekehrten Vorzeichen stattfindet: Ausgerechnet die Eltern sind von den Beschützern der Kinder zu den Eindringlingen im eigenen Haus geworden, vor denen die Nachkommen sich verstecken müssen. Das ackert dann Motive aus Home-Invasion-Filmen wie „Panic Room“ oder „The Purge“ ab, bedient sich teilweise sogar sehr direkt bei deren Ideen und ist leider arg konventionell geraten, sieht man von einem kleinen Twist im Schlussakt ab, den leider der Trailer zum Film schon verrät. Das Ende vom Lied ist dann auch etwas unbefriedigend, die Überleitung vom letzten im Film gesprochenen Satz zum Abspann ist zwar in Sachen Montage ganz pfiffig, aber letzten Endes stiehlt sich „Mom and Dad“ etwas aus der Verantwortung das Ganze zu einem runden Abschluss zu bringen. Abgesehen davon, dass die fehlenden Erklärungen über die Dauer übel aufstoßen, da Taylor dann doch in erster Linie an seinen Set Pieces und weniger an deren kohärenter Einarbeitung in ein stimmiges Gesamtkonzept interessiert ist.

So sehen dann auch diverse Einschübe in die Filmhandlung aus: Rückblenden reißen Themen an, denken diese aber nie weiter oder binden sie so recht in den Film ein – man erfährt, dass die Eltern nicht mit allen Entscheidungen in ihrem Leben glücklich sind, dass die Midlife Crisis droht und dass die Kinder arschig sein können. Das sind Gründe zum Ausrasten, das hier aufgrund unbekannter Ursachen eben ins Mörderische überzeichnet ist, aber eine clevere Analogie macht das trotzdem nicht aus „Mom and Dad“. Zum anderen wundert man sich, dass Taylor im Vergleich zu früheren Regiearbeiten so zurückgenommen agiert: Die Gewaltszenen sind nicht so heftig und vieles passiert im Off, auch die Bildsprache lässt zwar gelegentlich den comicartigen Stil früherer Werke anklingen, ist aber deutlich bodenständiger und zurückgenommener. Das ist schade, denn manchmal nutzt „Mom and Dad“ das Potential seines Stoffes echt gut aus, etwa wenn ausgerechnet in diesem Klima ein Kind zur Welt kommt und die Mutter noch im Kreissaal zur reißenden Bestie mutieren könnte. Solche spannenden wie schwarzhumorigen Einschübe hat der Film leider nicht genug, zumal das Ganze trotz der Prämisse und gelegentlicher Humoreinlagen überraschend ernst bleibt, die Absurdität seiner Grundidee nie so ganz ausreizt.
Ebenfalls nicht ausgereizt wird Nicolas Cage als einer der Hauptdarsteller. Mit seinem Hang zum Overacting und zu manischen Charakteren ist er immer dann perfekt, wenn er als ausrastender Vater so richtig freidrehen darf, doch nur lässt ihn das Script viel zu selten. Der Fokus liegt mehr auf Selma Blair, die dafür viel aus ihrer facettenreichen Rolle herausholt: Die fürsorgliche Mom, die am als Sackgasse empfundenen Mutter-Dasein zweifelt, die enttäuschte Ehefrau, die doch immer noch die Stimme der Vernunft in der Beziehung sein muss, die engagierte Beschützerin, die trotz besseren Wissens ihrem Impuls folgt nach Hause zu gehen, wo sie ihre Kinder angreifen wird. Anne Winters und Zackary Arthur sind überzeugende Kinderdarsteller und geben Cage und Blair auch schauspielerisch Paroli, Olivia Crocicchia und Robert T. Cunningham liefern Brauchbares, werden vom Script aber etwas vernachlässigt, und Genreveteran Lance Henriksen schaut für ein paar Minuten für einen launigen Auftritt vorbei, der aber nur Gastspielcharakter hat.

Die Besetzung stimmt, die Grundidee ist gelungen und starke Szenen wie im Kreissaal oder auf dem Footballfeld der Highschool finden sich ebenfalls in „Mom and Dad“. Doch leider fährt Brian Taylors Film mit angezogener Handbremse, lässt weder Nicolas Cage noch den visuellen Irrsinn und den Fuck-You-Impetus früherer Werke des Regisseurs von der Leine. Als Horrorkomödie ist der Film eher dezent amüsant, in Sachen Gewalt überraschend zurückhaltend. Insgesamt okay, aber schade um die verschenkten Chancen angesichts der zugrundeliegenden Konstellation von Regisseur, Darstellern und Prämisse.

Details
Ähnliche Filme