Review

„Die Stunde der grausamen Leichen“ ist ein spanischer „mad scientist“ Film aus den Siebzigern. Wieder einmal will ein Wissenschaftler künstliches Leben erschaffen, diesmal aus Leichenteilen, und unterstützt wird er dabei von einem verstoßenen Buckligen, der sich vom Doktor und seinen Experimenten die Wiedererweckung seiner verstorbenen Verehrten erhofft.

In der Leichenhalle des Feldkirchner Krankenhauses arbeitet der bucklige Gotho. Wegen seines Aussehens wird er von seiner Umgebung verlacht, allen voran die im Krankenhaus arbeitenden Stundenten. Einzig eine sterbenskranke junge Frau im Krankenhaus versteht ihn, und Gotho kümmert sich nach besten Möglichkeiten um sie. Während er für die Kranke einen Blumenstrauß pflückt, wird er von den Studenten verspottet und es kommt zu einer Prügelei. Dadurch wird Gotho aufgehalten und erreicht erst später das Krankenbett seiner Verehrten. Doch leider zu spät – sie ist kurz vor seinem Eintreffen verstorben. Nachdem die Tote später von zwei Mitarbeitern der Leichenhalle, im Keller des Krankenhauses, noch würdelos behandelt wird, tötet er die beiden und dazu noch den Studenten, der den Streit zuvor begonnen hat. Er entführt er den Leichnam der Toten Frau und bringt ihn in ein unterirdisches Versteck – einen alten, vergessenen Folterkeller. Von der Polizei gesucht, schleicht er sich zu einem Mitarbeiter des Krankenhauses, Dr. Orla. Er bittet ihn um Hilfe und zeigt ihm auch sein Versteck. Für den Wissenschaftler kommt diese Entdeckung äußerst gelegen. Er forscht im Krankenhaus an Leichenteilen, hat aber kürzlich die Mittel für diese Experimente verloren. In diesem Keller sieht er nun die Möglichkeit seine Forschungen im Geheimen weiterzuführen. Er richtet sich in den ehemaligen Folterräumen ein Labor ein und holt sich Unterstützung von seinem Assistenten. Ebenfalls eingeweiht wird die Direktorin eines nahen Sanatoriums. Trotz Bedenken des Assistenten kann ihn der Doktor überzeugen bei seinen Forschungen zur Schaffung künstlichen Lebens beizustehen. Für den Wissenschaftler allerdings ist Gothos Wunsch, dessen Angebetete wieder zu beleben, unwichtig und auch gar nicht mehr machbar, doch lässt er Gotho im Glauben auf Hoffnung, um ihn für die Beschaffung von Leichenteilen zu benutzen. Zuerst schickt er ihn um einen Kopf aus der Leichenhalle. Gotho wird bei der Flucht von Polizeibeamten entdeckt und verfolgt, kann sich aber im Haus einer Sanatoriumsärztin retten. Die Frau ist deckt ihn, und sie ist auch die einzige, die noch ehrlich etwas Positives für den Buckligen empfindet. Mittlerweile haben drei Laborgehilfen des Doktors die überflüssige tote Freundin Gothos in das laboreigene Säurebecken geworfen. Der Bucklige verdankt es ihnen zwar dementsprechend, doch nun hat sich auch seine Hoffnung auf eine Wiederbelebung seiner Verehrten sprichwörtlich aufgelöst. Dr. Orla gelingt es inzwischen ein Lebewesen zu kreieren, und in einem Raum im Labor gefangen zuhalten. Doch es entsteht bei weitem kein Wesen nach den Wünschen des Wissenschaftlers. Trotz allem hält er daran fest, und führt das Experiment weiter. Er macht Gotho Hoffnungen aus dem Wesen die Verehrte neu zu formen, nur um ihn auch weiterhin für seine Zwecke benutzen zu können. Da er mit den toten Leichenteilen keine Fortschritte mehr erzielen kann, schickt er den Buckligen los um lebende Opfer zu holen. Gotho entführt dafür Frauen aus dem nahen Sanatorium, die dem Wesen in die Zelle geworfen werden. Nachdem das Experiment immer schlimmere Formen annimmt, stellt sich der Assistent gegen den Doktor. Mit Gothos Hilfe gelingt es dem Wissenschaftler seinen neuen Gegner im Keller gefangen zu nehmen, und auch die Chefin des Sanatoriums wird eingesperrt. Bei einer weitern Entführung eines Mädchens aus dem Sanatorium wird Gotho von der Ärztin, die ihn zuvor vor der Polizei geschützt hat, beobachtet. Sie folgt ihm in das geheime Labor, und wird dort entdeckt. Der Doktor will sie als weiteres lebendes Opfer für das immer mehr außer Kontrolle geratende Monster verwenden. Doch damit geht es für Gotho eindeutig zu weit! Er stellt sich nun gegen den inzwischen am Rande des Verstandes stehenden Doktors. Es kommt zum Kampf, und selbst das wütende Monster lässt sich nicht mehr in seiner Zelle halten…

Die Charaktere werden von den Schauspielern durchaus gut getroffen. Allen voran steht Paul Naschy, der mit seiner Rolle als Buckliger eine ausgezeichnete Vorstellung abliefert. Auch der langsam immer mehr an Verstand verlierende Dr. Orla wird gut dargestellt, genau wie auch der Rest der Figuren. Natürlich, herausragende schauspielerische Glanzleistungen darf man nicht erwarten, aber zum Film passen die Darstellungen allemal. Ob nun die betrunkenen Studenten oder die beiden Kommissäre. Besonders erwähnenswert finde ich die beiden Polizeibeamten, die Gotho nachts verfolgen. Sie kommen zwar nur für ein paar Sekunden vor, aber dafür in einer umso sympathischeren Szene. Die beiden erkennen den flüchtenden Buckligen – holen sofort sie ihre Trillerpfeifen hervor und nehmen pfeifend die Verfolgung auf. Ja, damals war eine gute Puste noch wichtig für einen Polizisten. In den heutigen Filmen würden die beiden stattdessen die Uzi rausholen und dabei die halbe Stadt sprengen. Auch die betrunkenen Studenten sind immer wieder für einen Lacher gut. Zuerst noch zwei Doppelliter Bier beim örtlichen Wirten beim Wetttrinken runtergekippt, beim nach Hause Wanken dann ein Zusammentreffen mit Gotho und am Ende eine Skalpelltestperson am Leichentisch. Tja, so kann’s oft gehen.

Die Musik fügt sich gut in die Filmatmosphäre ein, beschränkt sich unglücklicherweise bloß auf eine Länge von ein paar Sekunden. Noch dazu wird dieses eine Thema im Laufe des Films bei jeder Gelegenheit wieder eingesetzt. In dieser Hinsicht wäre etwas mehr Abwechslung nicht falsch gewesen. Besonders nachdem dieselbe Melodie bereits zum x-ten male wiederholt wird, täte man auch gern einmal etwas anderes hören.

Das unterirdische Labor dagegen ist von der Ausstattung ein wahrer Leckerbissen. Ob nun Kleiderschrankgroße Computer mit undefinierbaren Lichtern und Schaltern, seltsam gefärbte und dampfende Flüssigkeitsgefäße oder gar das große blubbernde Säurebecken zur Entsorgung von Leichenteilen – In diesem Labor ist alles so vorhanden wie es sich gehört, und obendrein stehen im Labor noch die übrig gebliebenen Folterinstrumente herum. Perfekt ausgestattet sozusagen, und sowohl Säurebecken als auch Folterwerkzeug kommen auch zum Einsatz. Die Säure (sowohl im Becken als auch in den Gläsern) bekommen vor allem die drei Laborgehilfen zu spüren, die Gothos tote Verehrte im Becken entsorgen. Einer von ihnen darf später im Film noch als entstellter Fast-Zombie seinen ebenso entstellten Kollegen huckepack tragen. Weder besonders wichtig für die Handlung, noch erkennt man beim ersten mal Sehen überhaupt wer / was die beiden sind und wozu sie überhaupt gut sein sollen – immerhin sind sie von den vorigen Szenen nicht wieder zu erkennen. Aber als Unterstützung der Atmosphäre (Zombies sind immer gern gesehen, und genaue Details darüber doch bloß Nebensache) und zur Erschreckung der beiden Sanatoriumsdamen taugen sie allemal.

Der Originaltitel („El Jorobado de la Morgue“) wörtlich übersetzt, bedeutet etwa soviel wie „Der Bucklige aus der Leichenhalle“, wobei „Morgue“ kein spanisches Wort ist, sondern aus dem Französischen kommt. Der deutsche Titel weicht dabei vom Original etwas ab, gibt dem Film aber dennoch einen stimmungsvollen und vor allem noch einigermaßen passenden Titel.

Vom Goreinhalt her gibt es ebenfalls einiges zu sehen. Mit japanischer Splatterkunst kann dieser Film natürlich nicht mithalten – und aus heutiger Sicht entlocken die Effekte sowieso bloß ein Grinsen anstatt Schrecken, aber genau so etwas erwartet man schließlich auch von solchen Filmen und hier bekommt man es 1a geliefert. Ob abgeschnittene Körperteile, blutende Körper, verätzte Wunden oder Rattenbisse. Alles vorhanden, und nachdem Gore alleine auch niemanden glücklich macht, zeigt die tote Dame beim runterlassen mit dem Seil in den Keller noch schön ihr Höschen her, und eine kurze Duschszene gibt es auch. Nicht als ob man irgendwann auch etwas Unanständiges dabei zu Gesicht bekommt, aber irgendwie müssen solche Szenen einfach untergebracht werden.

Ähnlich wie mit den Effekten verhält es sich auch mit Dialogen („Bring mir einen frischen Kopf!“) und Drehbuchlogik (Atmosphäre vor Logik und wer Fehler suchen geht, darf gleich im Säurebecken baden). In diesem Film dreht sich alles nur um Atmosphäre – ein Folterkeller, ein geheimes Labor, Ruinen, Monster, abgetrennte Köpfe, Bucklige, verrückte Wissenschaftler und obendrein noch eine Love Story! Was sollte man sich mehr wünschen! Wer sich für so etwas begeistern kann, findet hier eine glänzende, seltene Perle!

Der im Film vorkommende Ort Feldkirch liegt übrigens am westlichsten Ende vom Österreich nahe zur Schweizer und Liechtensteiner Grenze. Ein Krankenhaus gibt es auch, gefilmt wurde allerdings ausschließlich in Spanien. Das lässt sich auch schön an der Bauweise der Kirche und der Ruinen erkennen. Sieht zumindest für mich sehr Spanientypisch aus.

Paul Naschy heißt mit richtigem Namen eigentlich Jactino Molina (geboren 1934 in Madrid) und ist eine der wichtigsten Figuren im spanischen Kino. Vor allem als Schauspieler, aber ebenso als Regisseur und Autor. Auch in diesem Film hat er, neben seiner schauspielerischen Tätigkeit, am Drehbuch mitgeschrieben. Ob als Buckliger, als Dracula oder in seiner Paraderolle als der Werwolf Waldemar Daninsky. Er schafft es immer wieder jeder dieser Figuren überzeugend und mit viel Leben darzustellen.

Ebenfalls noch erwähnenswert, weil eine Landsfrau von mir, Maria Perschy. Geboren 1938 im österreichischen Eisenstadt, spielte im Laufe ihrer bisherigen Karriere bereits in mehreren anderen spanischen Produktionen dieser Art mit. Unter anderem in einem „reitenden Leichen“ Teil als auch unter der Regie von Jess Franco.

Ich selbst hatte das Glück den Film, im Rahmen einer Wiederaufführung, im Kino zu sehen. Die Qualität des Materials war durchaus etwas bescheiden, und der Film dürfte im Laufe der Zeit bereits schon den einen oder anderen Riss mitsamt eher ungefährer Reparatur hinter sich gehabt haben. Der Höhepunkt dann etwa zehn Minuten vor Schluss – ein plötzliches Ende mitten im Film! Zuerst dachte ich noch es würde sich wieder mal um einen Filmriss handeln, aber nach ein paar Minuten kommt der Herr Vorführer in den Saal spaziert: „Tut mir leid Leute – von dem Film ist nichts mehr da!“ Tja, kann vorkommen, und ich bin mit den restlichen drei, vier Zuschauern wieder heimwärts, ohne das Monster am Filmende gesehen zu haben. Glücklicherweise konnte ich das inzwischen nachholen und mit dem Vorführer hab ich doch immerhin noch die Live Version des Simpsons Comic Shop Besitzers gesehen. Also alles andere als gigantischer, klimatisierter Megaplex-Riesenleinwand-Dolby Digital Stil. Na ja, und solang es genau so etwas noch gibt, geh ich auch weiterhin mit größtem Vergnügen ins Kino!

Also dann! Mittlerweile ist von diesem Film eine Code 1 DVD erschienen, und dieser Schatz ist es auf alle Fälle wert noch von anderen wieder ausgegraben zu werden!

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