Die Kritik beruht auf der ungeschnittenen DVD-Fassung der Neuauflage von Anolis im Vertrieb der ASCOT ELITE!
Was hat sich denn der deutsche Verleih damals gedacht, als es diesen spanischen Horrorklassiker aus den frühen 70er Jahren mit dem irreführenden Titel "Die Stunde der grausamen Leichen" in hiesige Lichtspielhäuser brachte?
Dabei kommt der englische Alternativtitel "The Hunchback Of The Morgue" der Handlung dieses Filmes viel näher, klingt aber natürlich nicht so reißerisch wie die "grausamen Leichen".
Und tatsächlich: Drehbuchautor Jacinto Molina aka Paul Naschy ließ seiner Phantasie freien Lauf und schusterte eine Story zusammen, die eine tragische Liebesgeschichte wie aus "Der Glöckner von Notre Dame" mit dem Motiv des Mad Scientist aus "Frankenstein" kreuzt und daraus ein Schauerstück mit hohem Trashgehalt entstanden ist.
Die dunklen Gänge und Kellergewölbe, in der sich der bucklige Gotho herumtreibt, erinnern zudem noch an die Katakomben aus "Das Phantom der Oper" und auch Gotho ist wie das Phantom durch eine Laune der Natur mißgebildet und wird von seiner Umgebung gemieden und verspottet. Nur die unerfüllte Liebe zu einer todkranken Frau lässt ihn all die Erniedrigungen überstehen.
Die Liebe ist neben den fragwürdigen Experimenten eines besessenen Wissenschaftlers das zentrale Thema dieses Films und Paul Naschy spielt die gebrochene Figur des Gotha sehr glaubwürdig. Sein trauriger Blick und seine krumme Gestalt zusammen mit dieser wunderbaren deutschen Synchronstimme - das ist etwas, was dem Zuschauer doch sehr zu Herzen geht.
Da es sich aber immer noch um einen spanischen Horrorfilm
handelt, sorgt der Handlungsteil rund um die skrupellosen Experimente des Professor Orla dafür, dass auch das Blut in Strömen fließt. Dabei greift Regisseur Javier Aguirre zu sehr billigen, aber äußerst effektiven Tricks zurück, die ihre Wirkung nicht verfehlen und für die damalige Zeit schon sehr explizit waren.
Die Dialoge sind Dank der ausgezeichneten Synchronregie durch die Deutsche Synchron KG Karlheinz Brunnemann wirklich sehr gut gelungen und auch die melancholische Musikuntermalung von Carmelo Bernaola passt sich gut der bemitleidenswerten Figur des Gotho an. Spannung und Atmosphäre erzeugt diese Komposition weniger, ist aber weitaus gelungener als die Marschmusik, die die Credits unterlegt.
Und wie für europäisches Horrorkino der 70er Jahre üblich liegt über "Die Stunde der grausamen Leichen" auch ein Hauch von Trash-Appeal, der seinen Höhepunkt in dem von Professor Orla erschaffenen Menschen erreicht, der Laute eines Lachsacks von sich gibt und so aussieht, als wäre ein Statist mit Grafschafters Goldsaft überschüttet worden.
Und eine Frage stelle ich mir als sorgfältiger Zuschauer immer wieder: was hat es mit diesen beiden aneinander gefesselten, bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen auf sich, die in zwei Szenen durch die Gänge des Kellerlabyrinths laufen? Eine Erklärung findet sich hierfür nicht.
Insgesamt gesehen ist "Die Stunde der grausamen Leichen" ein sehr unterhaltsamer Horrorfilm mit einer tragischen Geschichte, der vor allem durch eine sehr gute Synchronisation mit tollen Dialogen und einem ergreifenden Schauspiel von Paul Naschy punkten kann.
7 von 10 Buckel!