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„Wenn ich morgen meinem Gott gegenüberstehe, kann ich ihm sagen: ‚Ich bin unschuldig. Ich habe niemanden betrogen, ich habe niemandem wehgetan – außer mir selbst.‘“

Dokumentationen über den österreichischen Ausnahme-Musiker, -Entertainer, -Künstler und die ‘80er-Popkultur-Ikone Falco (bürgerlich: Johann „Hans“ Hölzel) gibt es mittlerweile ja so einige, und die meisten sind tatsächlich recht gelungen. Sie entstanden meist unter Mitwirkung bzw. Federführung des Musikvideo- und -Doku-Regisseurs Rudi Dolezal, einem engen Vertrauten Falcos, der zahlreiche seiner Musikvideos inszeniert hatte. Auch der 2017 anlässlich Falcos 60. Geburtstags erstausgestrahlte, abendfüllende Dokumentarfilm „Falco – Die ultimative Doku“ wurde von Dolezal konzipiert und gedreht. Dafür rechtfertigt er, der auch als Off-Erzähler durch den Film führt, sich dann auch gleich zu Beginn und erläutert, weshalb es ihm wichtig war, einen weiteren Falco-Film zu drehen: 100%ig zufrieden sei er bisher nie gewesen; er habe den Drang verspürt, die ultimative Dokumentation nachlegen zu müssen. Da er tatsächlich eine Menge neues Material – und neue Erkenntnisse – mitbringt, bin ich der Letzte, der sich darüber beschweren würde, zumal ich mich über jedes Wiedersehen mit Falco freue.

„Falco war ein Getriebener.“

„Falco – Die ultimative Doku“ beginnt mit dem großartigen Tributsong „Falco Super Star“ von The Bolland Project feat. Alida. Nach der oben beschriebenen Einleitung widersteht Dolezal jeder Versuchung einer streng chronologischen oder bereits in anderen Dokus erschöpfend behandelte Gossipthemen aus Falcos Privatleben aufgreifenden Abhandlung. Stattdessen arbeitet er – neben den zu erwartenden zahlreich eingestreuten Archivaufnahmen und Videoclips – mit raren Aufnahmen aus der Dominikanischen Republik, in der Falco die letzten Jahres seines Lebens verbrachte und leider auch den viel zu frühen Tod fand. Dolezal besucht ein Zimmer in Falcos Wohnung, die aussieht, als käme er jeden Moment zur Tür rein. Sicherlich nicht nur für mich war neu, dass Falco nach seinem Durchbruch in den USA mit „Rock Me Amadeus“ die Promotion für seine nächste Single „Vienna Calling“ torpedierte. O-Ton Falco: „Es ist mir völlig wurscht, was die Amis wollen! Ein Interview muss reichen, sonst flipp‘ ich aus!“ Für die weiteren Radio-Interviews musste sein Promoter ihn dann imitieren…

Dolezal trifft Brigitte Nielsen wieder, dänische Hollywood-Schauspielerin, Sängerin und ‘80er-Sexsymbol, und man tauscht Anekdoten zum „Body Next To Body“-Duett-Videodreh aus. Ursprünglich sei ein Duett mit Madonna angedacht gewesen, doch dies habe Falco abgelehnt, woraufhin Nielsen ins Spiel gekommen sei. Weitere Interviewpartner(innen) sind u.a. Niki Lauda, Ferdi und Rob Bolland, Frank Farian und Falcos Mutter Maria Hölzel. Am bedeutendsten jedoch: Exklusiv für diesen Film bricht Hans Reinisch sein Schweigen, ein langjähriger Freund Falcos in der Dominikanischen Republik. Dort habe Falco unerkannt leben können, er sei clean und gesund gewesen und habe die Liebe zur Musik sowie eine neue Freundin kennengelernt – die einheimische Selina, die keinen Schimmer gehabt habe, wer er ist. Zur Feier seines 40. Geburtstags habe sich jedoch Besuch aus Wien angekündigt, der mutmaßlich Kokain mitgebracht habe. Falco sei mit Alkohol und Drogen rückfällig geworden, Selina habe erschrocken die Beziehung beendet.

Das habe Falco nicht gut verkraftet und ihn tiefer ins überwunden geglaubte psychische Elend getrieben. Bereits sechs Wochen vor seinem Tod habe er einen schweren Autounfall gehabt, den nächsten hat er nicht überlegt. Etwas befremdlich erscheint es mir, dass Dolezal die dem tödlichen Unfall vorausgegangenen Momente spielfilmartig mit Schauspieler Axel Herring („Jump!“) als Falco-Double nachstellt – an Originalschauplätzen. Doch Dolezal hat auch erstmals Einblicke in Falcos Tagebücher erhalten, aus denen er von der Falco ähnelnden Stimme Gerald Sagmeisters aus dem Off das eine oder andere Zitat einstreuen lässt. Das Drama um Falcos dann doch nicht leibliche Tochter wird hingegen lediglich kurz angerissen. Schließlich überrascht Dolezal dann doch noch mit einem Rückblick zu Falcos musikalischen Anfängen inklusive toller alter Aufnahmen. Auch seine späteren Technoprojekte T»MA und T»MB finden Erwähnung.

Der Film springt also fleißig in Falcos Biografie hin und her, während er sich auf der Suche nach Hans Hölzels wahrer Identität hinter der Kunstfigur Falco befindet: Wie war er wirklich und was bleibt von ihm? Offenbar war er eben auch jemand, der zu seinen aktiven Musikerzeiten fast immer eine gewisse „Grunddröhnung“ brauchte, dies aber nicht immer ausbalancieren konnte und dann oft unausstehlich wurde. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt lagen wohl auch bei Falco bzw. Hans Hölzel oft dicht beieinander. Die mit Falco verbundene Tragik bringt Dolezal gut auf den Punkt.

Das ist alles sehr traurig, aber auch tatsächlich eine sinnvolle Ergänzung zu den zuvor veröffentlichten Dokumentationen. Insgesamt eine schöne Ehrerbietung, die die Schattenseiten Falcos verständlich zu machen versucht, aber trotz intimerer Einblicke als gewohnt bestimmte Grenzen respektiert – und eine solch starke persönliche Prägung Rudi Dolezals aufweist wie keine Doku zuvor.

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