kurz angerissen*
Mit überstilisierter Graffiti-Optik gelingt natürlich keine authentische Nachempfindung des geteilten Berlins zur Zeit des Mauerfalls. Von daher ist es völlig legitim, dass "Atomic Blonde" die historischen Begebenheiten zur bloßen Fassade für grelle Agenten-Action umfunktioniert. Dass infolge dessen kein wirkliches Eintauchen in die inzwischen fast drei Jahrzehnte zurückliegende Zeit möglich ist, geht mit der Ausrichtung der Produktion einher und ist gelinde gesagt zu verschmerzen.
Man redet eben lieber James Bond, oder vielmehr dessen extremer veranlagten Erben, nach dem Mund. Harte Vollkontakt-Begegnungen haben sich spätestens mit Anbruch der Phase Jason Bourne und Craig-Bond durchgesetzt; hier führen sie zu einem reizvollen Kontrast mit dem traumartigen Besuch eines vergangenen Deutschlands, der eingesperrt in Farbschemata zwischen stahlblau und aschweiß ein irreales Gefühl erzeugt. "99 Luftballons" & Co. sind Hollywoodklischees, für die Filmfabrik Teil der leicht zugänglichen Oberfläche, in Trailern und Werbematerial bequem zu verwenden; aber diese Kombination einer gekonnt um sich schlagenden Charlize Theron (die sich nach "Mad Max" und trotz ihrer passiven Rolle in "Fast & Furious 8" scheinbar zur Action-Mätresse zu transformieren versucht) in einer Retro-Berlin-Fantasie mit Lesben-Subplot und gleichzeitiger Abgeklärtheit eines Snake Plissken lässt einen manchmal schon vergessen, dass das Drehbuch im Grunde eine zweitklassige Agentenstory erzählt, die an ihren schlichten Figuren und - trotz vieler beteiligter Parteien - simplen Konstellationen leidet.
Soll heißen, "Atomic Blonde" versteht es durch seine keinesfalls stromlinienförmige Inszenierung, seine Schwächen geschickt zu kaschieren. Die fehlende Verantwortung gegenüber historischer Authentizität erlaubt wenigstens eine ästhetische Vision, die stereotype Darstellungen wie ein Klettergerüst verwendet, um ganz oben den Punk zu spielen. Und solange Theron dabei so überzeugend Ärsche tritt, gibt es keinen Einspruch.
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