Welche Farbe hat Blut im Neonlicht?
Vielleicht hätte ich "Atomic Blonde" nicht am selben Tag sehen sollen, wie die Wiederaufführung von "Terminator 2", dem Actionfilm überhaupt. Aber selbst ohne dessen Schatten überwiegen bei dieser ultracoolen Comicverfilmung eher Leere und Langeweile. Ein paar Szenen sind wow, die Darsteller versuchen zu retten und geben alles, der Rest ist eher gähn und hä?. Und dabei habe ich ein ausgesprochenes Faible für die 80s, die New Wave & sogar unsere dreckig-charmante Hauptstadt. Alles beinahe umsonst, denn ein durchgängig guter Film ist "Atomic Blonde" nicht. Trotz allen Boni und Sympathiepunkten, die wir ihm gerade hierzulande zugestehen. Ein solides und gut aussehendes Actionfest ja, ein Film mit vielen Makeln leider auch. Es geht um eine britische Agentin, die im kurz vorm Mauerfall stehenden Berlin eine wertvolle Liste mit geheimen Informationen & Namen ausfindig machen soll... Eigentlich recht simpel - wundersam wie sehr sich der Mix aus "John Wick" und "Tinker Tailor Soldier Spy" trotzdem verheddern kann.
"Atomic Blonde" ist reinstes Eyecandy, hat einen aufdringlich-lässigen Pop-Soundtrack und seine Heldin lässt selbst Wonder Woman wie eine Grundschülerin aussehen. Der Film geht ab wie ein Zäpfchen und bietet kaum Atempausen. Und trotzdem wurde mir ärgerlich langweilig. Das muss man bei so einer Dampfwalze von Film auch erst mal schaffen. Das liegt vor allem an der unnötig wirren Cold War-Story, mit etlichen Nebenschauplätzen, unwichtigen Figuren und empathielosen Dialogen zwischen konturlosen Figuren. Und das trotz einem überdreht-guten James McAvoy im immer noch geilen "Drecksau"-Modus. Das wilde Drehbuch-Durcheinander samt erzwungenen Twists und doppelten Finten könnte man nur entschuldigen, wenn man den Film Neo Noir nennt und den Weg zum Ziel erklärt. Doch ich bleibe dabei: technisch und visuell ein Leckerbissen, ebenfalls in Sachen Mädels (Theron + Boutella - Klamotten = Sabber) und oft schnittloser Kampfchoreo, die "The Raid" Tribut zollt - insgesamt jedoch eine milde Enttäuschung. Kann man gucken, Erwartungen aber bitte nicht zu hoch schrauben.
Fazit: stylisch, hart, berlinerisch - und am Ende doch keine Miss John Wick. An Theron liegt's nicht, die ist extrem stark und heiß und cool. Aber das Drehbuch ist ärgerlich zerfahren und langweilig, die Figuren waren für mich nur leere Hüllen in schicken Roben. Da war so viel mehr drin... nur den Soundtrack kauf ich mir dennoch!