Die Filmographie von Michael Reeves ist übersichtlich, da der Regisseur im Alter von nur 25 Jahren an einer Überdosis von Alkohol und Schmerzmitteln starb. Mit seinem letzten Werk „Witchfinder General“ löste er nicht nur eine Kontroverse wegen Gewaltdarstellung aus, sondern schuf gleichzeitig eine Blaupause für eine kleine Welle von Hexenjäger-Filmen.
Basierend auf realen Begebenheiten ist der titelgebende Hexenjäger bzw. Chef-Hexenjäger die zentrale Figur des Films: Matthew Hopkins (Vincent Price). Der durchstreift mit seinem Assistenten John Stearne (Robert Russell) und weiteren Mannen durch das England des Jahres 1645, das vom Bürgerkrieg gebeutelt wird. Der Zusammenbruch der Ordnung hilft ihm sogar, da er sich ohne große Kontrolle als Gesetzeshüter aufspielen und von Magistraten für seine Tätigkeiten bezahlen lassen kann. Inwieweit er einen offiziellen Auftrag hat, lässt der Film im Unklaren – der historische Hopkins war ein Anwalt, der lediglich behauptete zum Hexenjäger-Chef des Landes berufen worden zu sein.
Ein der Hexerei Beschuldigter ist der Pfarrer John Lowes (Rupert Davies), der mit seiner Nichte Sara (Hilary Heath) zusammenwohnt. Deren Verlobter ist der Soldat Richard Marshall (Ian Ogilvy), der auf Seiten des Parlaments gegen die Truppen des Königs kämpft. Um ihren Onkel zu retten, gibt sich Sara dem Hexenjäger hin, doch sie hat nicht mit der Verschlagenheit von ihm und seinen Mannen gerechnet…
„Witchfinder General“ ist irgendwo im Spannungsfeld von Folterhorror, Gesellschaftsdrama und Historienfilm anzusiedeln, wobei die von Fans gern proklamierte geschichtliche Genauigkeit von Historikern eher kritisch beurteilt wurde. Doch dies ist auch der falsche Ansatz, denn Reeves‘ Film geht es kaum um die geschichtlichen Zusammenhänge. Der Bürgerkrieg ist nur der historische Hintergrund, von dem man auch aus Budgetgründungen eher wenig zu sehen bekommt, sieht man von ein, zwei Einsätzen Richards ab. Viel lernt man nicht über den Bürgerkrieg zwischen Krone und Parlament, aber „Witchfinder General“ geht es sowieso um etwas Universelleres: Die Art, auf die Menschen auf Scharlatane hereinfallen, wenn diese nur genug Staub aufwirbeln und alles im Brustton der Überzeugung tun, die Verlogenheit mancher Leute, die nur auf ihren Ruf (bzw. den ihrer Gesellschaft) bedacht sind und die Lust an sadistischen Spektakeln.
So ist das Bitterböse an „Witchfinder General“ weniger die gezeigte Gewalt, sondern das Umfeld, in dem sie passiert. Da wird der gutherzige Dorfpfarrer angeschwärzt und von einem Gernegroß, den keiner der Dörfler kennt, gefoltert, aber die Leute jubeln, weil der Hexenjäger angeblich im Namen Gottes unterwegs ist, während er (welch böse Ironie) dem Gottesmann Gewalt antut, den die Dörfler jahrelang kennen. Dabei ist sich Hopkins ist klar, dass sein Geschäft ein selbsterhaltendes ist: Nur wenn er stets neue Hexen findet, wird er auch bezahlt. Die Methoden mit Folter und dubiosen Tests sind natürlich so konzipiert, dass jeder und jede Beschuldigte früher oder später als Hexe „entlarvt“ wird, während die öffentlichen Hinrichtungen mittelalterliche Crowdpleaser deluxe sind. Das ist schon ein bitterböses Gesellschaftsbild, das sich aber auch mit wenig Phantasie auf andere Epochen übertragen lässt.
Dreh- und Angelpunkt ist natürlich Hopkins, bei dem man nie so recht weiß, inwiefern er Gutgläubigkeit und Religiosität der Leute ausnutzt und inwieweit er sich selbst in seine Rolle als göttlicher Richter hineinsteigert. Vielleicht glaubt er tatsächlich selbst, dass er sein Verlangen nach Sara nicht rechtfertigt, sondern dass diese ihn mit schwarzer Magie becirct. Allerdings reagiert er mit sehr weltlicher Eifersucht und Spießbürgermoral, als sich auch Stearne an der armen Frau vergeht. Vincent Price in der Hauptrolle ist dabei wirklich famos und das große Highlight des Films. Dabei war er gar nicht die erste Wahl von Regisseur Michael Reeves, der eher Donald Pleasance im Sinn hatte. Für ihn fuhr Price sein sonst eher expressives Mienenspiel herunter, ist aber auch mit diesem Schauspielstil sehr überzeugend. Der Rest liefert brauchbares, darunter Reeves‘ Stammdarsteller Ian Ogilvy, wobei Robert Russell in der verwarzt-hassenswerten Folterknechtrolle der einzige ist, der noch ein paar Akzente setzen und neben Price bestehen kann.
Trotz all seiner Meriten ist „Witchfinder General“ nicht nur ein Gesellschafts- und Sittenbild, sondern auch Edel-Exploitation. So führt er zwar die Schaulust der Dorfbewohner vor, hat aber auch kein Problem vom Voyeurismus der Genrefans zu profitieren. Reeves‘ Film haut in Sachen Folter und Gewalt zwar weniger auf die Kacke als manche seiner Nachahmer, aber gezeigt werden entsprechende Szenen schon. „Witchfinder General“ ist zwar kein großer Splatterfilm und setzt seine Exploitation-Schauwerte eher dosiert ein, sie sind aber nicht ohne – etwa kreative Methoden der Hexenverbrennung. Das Blut fließt ähnlich wie bei Hammer-Produktionen oder den Italo-Horrorfilmen dieser Zeit immer knallrot, vor allem im dramatischen Finale, dessen Ergebnis nicht unbedingt Happy-End-Qualität hat. Hier sind auch mal ein paar Kampfhandlungen ausführlicher zu sehen, was sonst (wohl aus den erwähnten Budgetgründen) eher ausgespart wird.
Freilich hat „Witchfinder General“ auf der Handlungsebene weniger als auf der Ebene seines Gesellschafts- und Stimmungsbildes zu bieten. Über weite Strecken sieht man nur dem Antihelden Hopkins bei seinem schändlichen Treiben zu, während Richard auf dem Schlachtfeld und damit aus dem Mainplot hinaus ist. Erst im letzten Drittel entwickelt sich dann eine Racheplot, während das vorige Geschehen nicht im klassischen Sinne spannend ist – das Publikum kann wesentlich schneller als die verzweifelte Sara einschätzen mit was für einem Drecksack sie es zu tun hat und was wohl passieren wird.
„Witchfinder General“ ist weder eine akurate Geschichtsstunde noch ein beinharter Splatter- bzw. Horrorfilm im klassischen Sinne, aber ein mit Mitteln des Exploitation-Kinos erzähltes Sittenbild über Verlogenheit, religiösen Wahn und Manipulation. Und vor allem eine Vincent-Price-Show der Deluxe-Klasse. Denn der Mann hebt „Witchfinder General“ über die Ebene seiner eher sparsamen Handlung und über manches Budgetproblem hinweg.