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iHaveCNit: Ghost in the Shell (2017)

Masamune Shirow hat in den Jahren 1989/1990 mit seinem Manga den Grundstein für „Ghost in the Shell“ gelegt, der von Mamuro Oshii im Jahre 1995 als knapp 1,5-stündiger Anime adaptiert worden ist. Ebenfalls Grundstein wurde er für weitere Fortsetzungen und Serien. Und er ist neben „Akira“ einer der Grundpfeiler des Science-Fiction-Anime-Genres sowie des Cyberpunks. Der Einfluss dieses Meisterwerks ist bereits stark in „The Matrix“ aus dem Jahre 1999 spürbar, doch auch wenn immer wieder eine Realverfilmung von „Ghost in the Shell“ schon sehr lange im Gespräch war kam man erst 22 Jahre nach dem Anime dazu, „Ghost in the Shell“ in die Kinos zu bringen. Die Fußstapfen in die der Film treten muss, sind extrem groß.

Wir befinden uns in New Port City, einer Art Neo-Tokio, im Jahre 2029. Die Welt ist vernetzt und Verbrechen finden nur noch ausschließlich digital statt. Hierfür ist eine Antiterroreinheit, Sektor 9 zuständig, die inoffiziell Terroristen ausfindig und unschädlich machen darf. Bei einer Serie von Morden und digitalen Einbrüchen kommt Sektor 9 und die beste Agentin, der Major Mira Killian auf die Spur von Kuze, einem Cyberterroristen. Der Major ist die beste Waffe von Sektor 9, ein vollständig kybernetischer, menschlich aussehender Organismus mit nur einem vollständig menschlichen Geist. Dem Geist in der menschlichen Hülle, dem „Ghost“ in der „Shell“. Je näher Sektor 9 und der Major Kuze kommen, umso mehr kommen dem Major Zweifel an der eigenen Existenz.

Die Sichtung des Films liegt nun exakt 24 Stunden zurück. Genau die Zeit wollte ich mir nehmen, den Film zu rekapitulieren, zu verarbeiten und nochmal den 1995-Film im Nachgang zu sichten. Ich kann vorweg sagen – der Film hätte unendlich viel falsch machen können, doch er macht extrem viel richtig und ist überraschend gut geworden. Die Fußstapfen füllt er nicht vollends aus, das benötigt er jedoch auch nicht. Aus audiovisuellen Standpunkten heraus würde der Film ohne Probleme 10/10 Punkte bei mir holen, denn die Welt, in die wir hier abtauchen, hat von der Optik, seinem Look und der Atmosphäre perfekt vom heutigen Stand der Technik den Film von 1995 darstellen können. Ich hatte extrem oft das Gefühl, dass meine Augen in diese Welt eingesaugt werden wollen. Gepaart mit dem 3D, den visuellen Effekten – unabhängig ob handgemacht oder am Computer entstanden - und den Kameraeinstellungen wurde uns diese Welt von New Port City so unglaublich greifbar dargestellt. Von der Musik her präsentieren uns Clint Mansell und Lorne Balfe einen perfekt auf den Stil abgestimmten Soundtrack, der den Sog des Films noch weiter verstärkt.
Der Film orientiert sich handlungstechnisch sehr an dem Film von 1995 und baut noch einige Versatzstücke des kompletten „Ghost in the Shell“-Universums ein. Doch es gibt genug Dinge, die der Film für sich selbst neu in die Handlung integriert, die allesamt stimmig eingebettet sind. Auch nahezu identische Elemente gegenüber dem 1995er lassen sich hier wiederfinden, damit für einen gewissen Maß an Hommage und Fan-Service gesorgt wird. Storymäßig wird für genug Spannung gesorgt. Es gibt hier nur wenige Kritikpunkte. Die Thematik der Menschlichkeit, die für den 1995er-Film alleinstehend zu komplex war, wird im 2017 nur etwas oberflächlich betrachtet, so dass etwas zu wenig „Ghost“ in der „Shell“ ist. Auch der letztendliche Antagonist des Films bleibt nur als relativ in Ordnung zurück.

Im Vorfeld wurde viel über die Besetzung von Scarlett Johansson als Major diskutiert und die Debatte über „Whitewashing“ hat sich mal wieder nahezu überschlagen. Doch offenbar haben selbst die Japaner kein Problem damit, diese sind mit der Besetzung von ScarJo einverstanden. Vermutlich scheint dies eher ein Problem puristischer, westlicher Fans zu sein, die im Quellmaterial eindeutig japanische Züge beim Major ausmachen wollen. Für mich ist das hier nicht wirklich eindeutig. Der Major ist von den äußeren, menschlichen Zügen her klar global ambivalent und nationslos. Nach der Sichtung muss ich nun auch sagen, dass die Besetzung von ScarJo absolut gepasst hat und sie die Rolle der Major Mira Killian sich zu eigen gemacht hat. Hier stellt sie mal wieder eindrucksvoll unter Beweis, wie vielseitig sie ihre Bandbreite von Arthouse- bishin zu Blockbusterfilmen einsetzen kann. Hat sie doch bereits vor 3 Jahren in einer sehr freien Interpretation von „Akira“ - Luc Bessons „Lucy“ bereits die Hauptrolle gespielt. Pilou Asbeak, der mit Scarlett bereits in „Lucy“ gearbeitet hat, findet sich nun in GITS in der Rolle des Batou wieder. Pilou ist in den letzten 2 Jahren einer meiner Lieblingsschauspieler des dänischen Raums entwickelt und mit seiner coolen, physischen Darstellung von Batou bestätigt er dies wieder perfekt. Michael Pitt liefert mit Kuze einen ebenfalls sehr interessanten Charakter. Die japanische Legende Takeshi Kitano passt auch perfekt rein, genau wie Juliette Binoche. Wobei man sich berechtigerweise bei Kitano die Frage stellen darf, warum hier unbedingt mit japanischer Stimme und Untertiteln gearbeitet werden musste.

Trotz allem ist „GITS“ eine Überraschung des Kinojahrs – ein toller audiovisueller und thematisch interessanter Film.

„Ghost in the Shell“ - My First Look – 9/10 Punkte.

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