Review

Der jüngste Film vom Kultregisseur Aki Kaurismäki ist mal wieder rundum gelungen, meisterhaft und vereint und perfektioniert alle bisher dagewesenen Stilelemente der Filme des Finnen.
Mit ruhiger Hand wird die einfache Story von einem Schweißer erzählt, der ausgeraubt und zusammengeschlagen wird und dadurch sein Gedächtnis verliert. Er muss sein Leben praktisch von vorne beginnen, allerdings am untersten Level der Existenz, bei den Armen im Hafenviertel von Helsinki. Durch die Hilfe der zusammenhaltenden Nachbarschaft und der Heilsarmee kommt er halbwegs zurecht und verliebt sich dabei in eine der Heilsarmee-Arbeiterinnen (schon wieder die tolle Kati Outinen!)
Die Geschichte ist wie so oft bei Kaurismäki recht unspektakulär und einfach, doch sie wird bereichert durch die Liebe zum Detail in jeder Hinsicht und durch die vielen pointenreichen Nebengeschichten. Ich könnte stundenlang über die trocken-aufgetragenen Dialoge, die skurrilen und lebendigen Charaktere und die Situationskomik reden, aber man muss es wirklich gesehen haben. Jeder Gesichtsausdruck, jedes Wort und jede Geste sitzen dank der großartigen Schauspieler und des fabelhaften Drehbuchs.

"Der Mann ohne Vergangenheit" beinhaltet wieder die Kaurismäki-Themen, aber diesmal nicht in ganz so großem Weltschmerz versunken, sondern eher gemütlich-melancholisch, mehr komisch als tragisch, mit etwas mehr Esprit als sonst. Trotzdem werden Dinge wie Würde, Stolz, Moral verbunden mit Armut, Pessimismus und Pech noch präziser und lebendiger dargestellt, als in den älteren Werken. Die gescheiterten Existenzen bewahren sich ihren Stolz, sie machen sich auch mal schick zum Essen (auch wenn es nur die Suppe von der Heilsarmee ist) und versuchen, das Glück in ihrem Leben zu sehen. Materiell benachteiligt bleibt ihnen so nur der Zusammenhalt untereinander, was der Film brilliant darstellt durch die Freundschaften, die der Unbekannte schließt und durch die Hilfs- und Opferbereitschaft aller, obwohl sie selbst kaum etwas haben.

Dieses "soziale Modell" strahlt menschliche Wärme aus, und man wünscht sich als Zuschauer trotz all der Armut in die fiktive Welt des Filmes hinein. Denn alles, was man zum Leben braucht, ist dort zu finden. Nur kein Geld.

Was den Film aber noch schöner macht, ist sein Stil. Allein der Soundtrack voller Rock&Roll und melancholischer Schlager, voller Atmosphäre und Lebensgefühl verdient große Anerkennung. Dazu kommt der für Kaurismäki typische klassische Hollywood-Stil mit den immer rauchenden, nachdenklichen, vom Leben gezeichneten Personen, mit den künstlich und aufgesagt wirkenden Dialogen und mit einer sehr schlichten, atmosphärischen aber auch direkten Filmsprache. Die Wiederentdeckung der Langsamkeit. Und Kaurismäki spielt mit jenem Stil und seinen Elementen, übertreibt es manchmal (was zu wirklich guten Gags führt), stellt ihn auch mal in den Hintergrund, vergisst dabei jedoch seine finnische Würze nicht.

Meiner Meinung nach der perfektionierteste und schönste aller Kaurismäki-Filme (mit "Wolken ziehen vorüber"), eine grandiose Tragikomödie, ein bewegendes Sozialdrama und im Kern ein reifes, leicht idealisiertes Geschichtchen über die wirklich wertvollen Dinge und gewisserweise über den Sinn des Lebens. Mehr als 10.

Details
Ähnliche Filme