„Wir haben alles wie die Erwachsenen gemacht! Wieso hat es nicht funktioniert?“
Mit seinem nach „Aufstand in Kenia“ zweiten abendfüllenden Spielfilm seiner Karriere wagte sich Regisseur Harry Hook im Jahre 1990 in US-Produktion an die Neuverfilmung der Robinsonade William Goldings, die erstmals 1963 von Peter Brooks auf die Leinwand portiert wurde.
Ein junge Militärkadetten transportierendes Militärflugzeug stürzt in den Ozean. Die Kinder retten sich auf eine einsame Insel und versuchen, ein soziales Miteinander zu organisieren, während sie auf Rettung warten. Doch schon nach kurzer Zeit spalten Machtansprüche und unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben und -arbeiten die Überlebenden in zwei Gruppen: Ralph (Balthazar Getty, „Lost Highway“) bemüht sich um die Aufrechterhaltung zivilisatorischer Werte, während Jack (Chris Furrh, „Abenteuer in Malaysia“) in seiner Aggressivität und seinem Führungsanspruch vornehmlich die Jagd bevorzugt, immer stärker in archaische Verhaltensweisen verfällt und dabei immer mehr Anhänger um sich versammeln kann. Zum offenen Krieg zwischen beiden Gruppen kommt es schließlich, als versäumt wurde, das Signalfeuer am Lodern zu halten und dadurch ein vorbeifliegender Hubschrauber nicht auf die unfreiwilligen Inselbewohner aufmerksam wird. Die Mär eines auf der Insel weilenden Monsters besorgt eine zusätzliche Zuspitzung der Situation und es kommt zu ersten Todesopfern…
Hooks Interpretation des Materials arbeitet im Prolog mit Zeitlupenaufnahmen des Überlebenskampfes im Meer. Dass die Kinder sich von vornherein im militärischen Tonfall anreden, ist der inhaltlichen Änderung geschuldet, aus aufeinandertreffenden Elite- und normalen Schülern schlicht Militärkadetten zu machen und somit auf jeglichen klassenkämpferischen Aspekt zu verzichten. Im Gegensatz zur noch in Schwarzweiß gedrehten Erstverfilmung kostet Hook die Möglichkeiten des Farbfilms genüsslich aus, setzt auf kräftige grüne Farben und präsentierte hochgradig faszinierende, wunderschöne Bilder absoluter Freiheit in einem paradiesischen Ambiente, aus dem sich die Menschenkinder in der Folge selbst vertreiben werden. Gedreht wurde auf Hawaii, auf Jamaika sowie in einem botanischen Garten in Los Angeles.
Die exotische Jugendcamp-Atmosphäre weicht bald einer bedrohlichen Kulisse aus Sozialdarwinismus und Totalitarismus, bis schließlich auch die letzten Skrupel in der ehemals unberührten Natur schwinden und Jacks Bande den Tod Andersdenkender nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern absichtlich herbeiführt, auch vor Folter nicht zurückschreckt und in erschreckenden Bildern einen anderen Jungen auspeitscht. Der ersten Tötung vorausgegangen war ein „Feuertanz“, ein Ritual wie von Eingeborenen, um sich durch Tanz ums Feuer aufzuputschen. Dieses stand im Zusammenhang mit dem Aberglauben an ein auf der Insel sein Unwesen treibendes Monster, bei dem es sich um einen verletzten erwachsenen Überlebenden handelte. Hierfür hat man durchaus interessant variiert: Der Verletzte wird nicht von vornherein als Ungetüm betrachtet. Anfänglich wirkt es, als würde er absichtlich ignoriert werden, was Raum für Spekulationen bietet. Später wird sich doch um ihn gekümmert, doch ist er eines Tages verschwunden. Er hat sich in eine Höhle geschleppt und wird erst dann zum vermeintlichen Monstrum stilisiert, als ein Kind in einer stark umgesetzten Szene mit dessen unheimlichen Schatten konfrontiert wird. Als später die Leiche des Mannes in der Höhle entdeckt wird, geschieht das Unglück.
Die noch immer, wenn auch durch die Konzentration auf „militärisch vorbelastete“ Kinder in etwas abgeschwächter Form stattfindende Auseinandersetzung mit antidemokratischen gesellschaftlichen Entwicklungen, ihrem Eskalationspotential und den in primitiven Verhaltensmustern, irrationalen Ängsten und niederen Instinkten zu suchenden Ursachen, heruntergebrochen auf und veranschaulicht durch eine Gruppe vermeintlich harmloser Kinder, findet ihren symbolträchtigen Höhepunkt in der Verwandlung der Insel in ein flammendes Inferno, das zur Kulisse einer unerbittlichen Hetzjagd wird. Diese endet erst vor den Füßen eines Erwachsenen, der im Gegensatz zur Erstverfilmung auch ein paar Worte sagen darf.
Die in der Gegenwart angesiedelte Neuverfilmung gilt als weniger werkgetreu als Brooks 1963er-Variante, ist dennoch durchaus erfolgreich darum bemüht, seine Aussage verständlich zu machen und lädt vor allem aufgrund der genussvollen Verwendung audiovisueller Reize zum Verweilen auf dem Eiland der Rotzlöffel ein. Neben der erwähnten optischen Pracht ist es auch die musikalische Untermalung mit ihren sphärischen, folkigen Flötenklängen, Marschtrommeln, sakralen Chören etc., die Hooks „Herr der Fliegen“ zu einem weniger kopflastigen als vielmehr auf der emotionalen Ebene funktionierenden, kontrastreichen Exkurs zwischen Himmel der Natur und Hölle menschlicher Zerstörungssucht macht.