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Moritz Bleibtreu spielt den Juden David Berman, der den Holocaust durch allerhand glückliche Fügungen überlebt hat und nun, kurz nach Kriegsende, etwas Startkapital benötigt, um sich ein neues Leben in den USA leisten zu können. Er gründet deshalb zusammen mit weiteren Holocaust-Überlebenden ein Unternehmen. Die Juden ziehen von nun an in Frankfurt am Main von Haustür zu Haustür und verkaufen Bettwäsche und Handtücher zu überhöhten Preisen an die Deutschen, womit sie schnell viel Geld verdienen. Währenddessen muss sich Berman dem Verhör durch eine amerikanische Militärangehörige, gespielt von Antje Traue, stellen, da diese in Berman einen Kollaborateur der Nazis sieht.

In Teilen auf den Romanen „Die Teilacher“ (Übersetzung: Vertreter, Hausierer) und Machloikes (geheime Machenschaften) von Michel Bergmann basierend, beschäftigt sich „Es war einmal in Deutschland“ mit einem Teil deutscher Geschichte, der bisher in der Allgemeinheit wenig Beachtung fand. Ist von der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945-1949 die Rede, geht es meist um Entnazifizierung und Nürnberger Prozesse, um Trümmerfrauen und deutsche Teilung, um die Besetzung durch die Alliierten, um die deutschen Kriegsheimkehrer. Das weitere Schicksal der Holocaust-Überlebenden, der deutschen Juden, die zunächst mitunter weiter in dem Land leben mussten, das kaum beschreibbare Verbrechen an ihnen begangen hatte, ist dagegen oft nur eine Randnotiz. Die deutsch-belgisch-luxemburgische Produktion „Es war einmal in Deutschland“ von Sam Gabarski greift dagegen das Schicksal einiger Frankfurter Juden, die nach dem Ende des Krieges zunächst in Deutschland bleiben mussten, auf - und das wie die Buchvorlagen in besonders humoristischer Art und Weise. Schade, dass dieser Stil nicht konsequent durchgehalten wurde.

Vor allem in der ersten Filmhälfte ist „Es war einmal in Deutschland“ eine bissige Komödie, die sich - frei nach dem gängigen Klischee - genauso über die geschäftstüchtigen wie dreisten jüdischen Verkäufer, aber auch über ihre deutsche Kundschaft amüsiert, die den Vertretern oftmals vom schlechten Gewissen etwas eingeschüchtert gegenübertritt und dann meist behauptet, vom Holocaust nichts gewusst zu haben. Die Szenen, in denen die Vertreter ihre Kunden betrügen indem sie z.B. vorgeben, der verstorbene Ehemann einer Hausfrau habe noch vor seinem Tod Bett- und Handtücher bei ihnen bestellt und bereits eine Anzahlung geleistet, tragen Züge eine Gaunerkomödie, die angesichts des ernsten historischen Hintergrundes Biss und Chuzpe hat. Sonst steht der deutsche Film, wenn es um die NS-Zeit geht, eher für moralisierendes Betroffenheitskino und davon hebt sich „Es war einmal in Deutschland“ zunächst sehr wohltuend ab.

Vielleicht hat Gabarski deshalb Angst vor der eigenen Courage bekommen, vielleicht befürchtete er, ein allzu heißes Eisen zu schmieden. So wäre jedenfalls zu erklären, warum zunehmend ernste Töne angeschlagen werden. Immer wieder werden in Gesprächen oder in Rückblenden bestürzende Geschichten aus der NS-Zeit preisgegeben, wobei aber meist weder der Rahmen noch das Timing stimmen. Exemplarisch dafür ist eine Szene, in der einer der jüdischen Verkäufer erzählt, wie es zum Verlust seines Augenlichts kam. Auch die Vorgeschichte der von Moritz Bleibtreu verkörperten Hauptfigur, die im Verhör mit den Amerikanern zutage kommt, wird nur sporadisch in das Geschehen integriert und schlägt die eine oder andere hanebüchene Wendung zu viel ein, um schließlich einen allzu tragischen Ausgang zu nehmen. Die Kunst besteht bei einer Tragikomödie eben darin, Melancholisches und Witziges synthetisch miteinander zu verbinden, hier erscheinen die tragischen Komponenten dagegen stets aufgesetzt.

Fazit:
„Es war einmal in Deutschland“ beginnt als freche Komödie, als historisches Kino mit Biss und Witz. Doch dann werden zunehmend ernstere Töne angeschlagen, die stets etwas aufgesetzt wirken. Obwohl auch die Verbindung zwischen Rahmenhandlung und Rückblenden aus dem Leben der Hauptfigur narrativ nicht immer reibungslos gelingt, ist Sam Gabarski letztlich doch zumindest ein solider wie kurzweiliger Film gelungen.

59 %

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