Review

Woody Allen spielt einen Jazzmusiker, der nach einer missglückten Magengeschwür-Operation ins künstliche Koma fällt und nach 200 Jahren von ein paar Wissenschaftlern wieder aufgeweckt wird. Die Welt hat sich stark verändert und Allen befindet sich nun in einem totalitären System und, da alle Menschen im Staat registriert sind, soll er nun als Spion ohne Identität arbeiten. Als der Unterschlupf der Untergrundorganisation gefunden wird, kann Allen entkommen und nimmt sich eine Geisel, gespielt von Diane Keaton.

Kaum ein Regisseur hat so eine einzigartige Handschrift wie Woody Allen und schon hier, in einer seiner ganz frühen Werke, noch vor seinem endgültigen Durchbruch mit "Der Stadtneurotiker" sieht man eben diese Handschrift mehr als deutlich. Nach "Was sie schon immer über Sex wissen wollten", "Bananas" und "Woody Allen - Der Unglücksrabe" ist dies auch sein bisher bestes Werk und bereits bei der Story merkt man, dass sie aus der Feder von Woody Allen stammen muss. Die komplett übertriebene und unrealistische Sci-fi-Story ist mal wieder ein kritisches, teilweise zynisches Spiegelbild auf unsere Gesellschaft und damit gelingt Allen einmal mehr eine relativ gute Komödie mit gesellschaftskritischen Ansätzen über totalitäre Systeme und eine relativ skurrile Zukunft. Die Charakterkonstruktion ist nicht sonderlich vielschichtig, muss sie aber auch gar nicht sein, da der Zuschauer das Geschehen möglichst distanziert betrachten und sich nicht in die Charaktere hineinversetzen soll, was auch überaus typisch für Allen ist. Die Handlung hat ein paar unvorhersehbare Wendungen, wobei sie aber vor allem in der zweiten Hälfte des Films deutlich abkippt. Wie immer gibt es eine parallel ablaufende Love-Story, die aber ein bisschen zu aufgesetzt wirkt.

Bei der Inszenierung leistet Allen ebenfalls gute Arbeit. Mit seinem genialen Wortwitz und einem schnellen Erzähltempo serviert er federleichte und herzhafte Unterhaltung. In der zweiten Hälfte werden es leider zunehmend weniger Gags und der ganze Film wird etwas zu abstrus und skurril und langweilt teilweise. Mit seiner eigenen Filmmusik kann er leider keine Atmosphäre aufbauen, aber die ist auch nicht weiter nötig. Die Kulisse ist sehr futuristisch, wirkt aber sehr billig, was unter Anderem auf das niedrige Budget zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu seinen späteren Komödien kann er kein Wohlgefühl erzeugen und keine behagliche Atmosphäre aufbauen, weil der Film einfach zu skurril ist, um den Zuschauer auch nur ansatzweise berühren zu können. Der Film ist alles in allem unterhaltsam und in Anbetracht seines Alters recht visionär, aber Allen hätte durchaus ein paar Gags mehr einbauen und auf ein paar Skurrilitäten verzichten sollen.

Und auch als Darsteller zeigt Woody Allen (der mit langen und filzigen Haaren sehr ungewohnt aussieht), dass er schon vor seinem Durchbruch durchaus ordentlich gespielt hat. Wie immer ist er leicht durch den Wind, wirkt furchtbar verpeilt und besticht durch seinen trockenen Wortwitz, den er immer beiläufig einstreut. Sein Spiel und seine Art haben sich also über 40 Jahre nicht geändert und damals war er schon so gut wie heute. Sein Zusammenspiel mit seiner damaligen Muse Diane Keaton stimmt ebenfalls hervorragend und es macht einfach Spaß zuzusehen, wenn sich die beiden Wortgefechte liefern und sich die Bälle nur so zuwerfen. Diane Keaton, die schon in "Machs noch einmal Sam" zusammen mit Allen arbeitete, spielt ebenfalls hervorragend und besticht anfangs als esoterisch angehauchte Künstlerin und später als starke Freiheitskämpferin. Man merkt ihr an, wie viel Spaß sie unter der Regie von Allen haben muss und auch Allen fühlt sich in diesem Film mit Keaton sichtlich wohl. Die beiden sollten ihre Zusammenarbeit mit "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko", "Der Stadtneurotiker", "Innenleben", "Manhattan", "Radio Days" und "Manhattan Murder Mystery" überaus erfolgreich fortsetzen.

Fazit:
Mit zwei guten Hauptdarstellern, Allens typischem Wortwitz und einer guten, gesellschaftskritischen Story ist "Der Schläfer" eine ordentliche Komödie, die in der zweiten Hälfte etwas zu wirr und skurril wird.

62%

Details