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Jedem Kenner der Werke Woody Allens ist bereits bestens bekannt wie abgöttisch der Meister seine Stadt verehrt. New York steht oft im Zentrum seiner Filme, doch „Manhattan“ ist die endgültige Liebeserklärung – eine Ode an den Big Apple wie sie schöner nicht hätte ausfallen können. Der Zuschauer bekommt einen authentischen und dennoch romantisch verklärten Blick auf New York und Manhattan geboten, dessen unübersehbare Idealisierung zu keiner Zeit verlogen oder an den Haaren herbei gezogen wirkt. Dies liegt vor allem daran das Allens New York wirklich existiert und seine Filme niemals all die negativen Aspekte ausklammern. Die intellektuelle Welt der Stadt wird so genau und analytisch wie nur überhaupt möglich gezeigt; die starke persönliche Färbung der Filme macht den Reiz aus und wirkt jederzeit glaubwürdig.

„New York war seine Stadt und würde es immer sein“

–Das merkt man und kann es auch durchaus nachvollziehen. Warum?

Wunderbar leicht und unbeschwert wirkt die Inszenierung, bei der Allen keine Fehler begeht und die lockere Atmosphäre seiner Komödien hervorragend auf eine neue Stufe erhebt indem er sie in einen anderen Kontext überträgt. Schon mit dem Bergmann’schen Drama „Innenleben“ zeigte er das er auch anders kann, so schwerfällig wie dieser Film ist „Manhattan“ glücklicherweise aber nie. Und das obwohl Woody hier durchaus keine einfache Komödie vorlegt: Im Vordergrund stehen die Beziehungsgeflechte der Hauptcharaktere und die Story sowie deren Ausgang ist viel melancholischer als witzig. In ein gängiges Genre kann man den Film nicht wirklich einordnen, er bedient sich ganz frei verschiedener Elemente aus Komödie, Drama und Avantgarde. Der Kampf um Individualität steht auch hier im Vordergrund, doch auf eine wesentlich einfachere und weniger codierte Weise als in früheren Filmen wie „Play it again Sam“, „Annie Hall“ oder „Bananas“ – und obwohl „Manhattan“ weniger verspielt und experimentierfreudig ist weist er nicht die Schwere auf die einem solchen Film in der Regel anhaftet.

Diana Keaton war wohl die Muse, die Allen am meisten künstlerische Entwicklung beschert hat, ihre Darstellung ist auch in „Manhattan“ über jeden Zweifel erhaben. Mit Leichtigkeit meistert sie die komplexe Rolle und verleiht jeder Nuance ihrer Persönlichkeit Seele und Leben. Nachdem sie verdientermaßen den Oscar erhielt für „Annie Hall“ ist ihre Form auch hier noch ungebrochen. Die meisten Darsteller-Auszeichnungen für „Manhattan“ bekam aber Meryl Streep für ihre Nebenrolle als Woodys Ex-Frau Jill, die ein Buch über ihre zerbrochene Beziehung veröffentlichen will und Isaac (Allen) damit zur Verzweiflung bringt. Die Streep stand noch am Anfang ihrer erfolgreichen Karriere und machte mit ihrer natürlichen Darstellung auf sich aufmerksam. Noch im gleichen Jahr gelang ihr mit einer Hauptrolle im berühmten Ehe-Drama „Kramer gegen Kramer“ der endgültige Durchbruch, die Nebenrollen in „Manhattan“ und „Deer Hunter“ können aber zweifelsfrei als Grundstein ihres Erfolges gesehen werden. Ebenso erwähnt werden sollte Michael Murphy, der in seiner Qualität oft unterschätzt wird und dessen Talente meist unter den Teppich fallen bzw. ungenannt bleiben. Auch er trägt entscheidenden Anteil an der Stimmigkeit innerhalb des überschaubaren Ensembles.

Wie auch das brillante Drehbuch von Allen und Marshal Brickman (bereits die dritte Zusammenarbeit der beiden) wurde auch Mariel Hemingway, ebenfalls in einer ihrer frühesten Rollen, für den Oscar nominiert. In beiden Fällen ging „Manhattan“ jedoch leer aus, auf zahlreichen anderen Festivals aber mit Preisen geradezu überhäuft. Nahmen Allens vorige Werke teilweise surrealistische oder absurde Züge an, so ist sein Stil diesmal weitaus minimalistischer und konzentrierter. Die Geschichte wird ohne Rückblenden oder sonstige Schnörkel chronologisch erzählt und nimmt sich genau die nötige Zeit für die Beschreibung des Innenlebens ihrer Figuren. Die spröde Schönheit der schwarz-weißen Bilder wird adäquat unterstützt von der unsterblichen Musik des amerikanischen Komponisten George Gershwin. Auch ihm widmet Allen damit sein Meisterwerk, denn schon am Anfang macht der Hauptcharakter Isaac klar wie er New York erlebt: Mit einer stets farblosen Optik und der Hintergrundmusik Gershwins, geschickt erweist Allen damit gleich mehreren seiner geschätzten Idole Respekt und Anerkennung.

Übrigens ist „Manhattan“ eines der wenigen Werke Allens, welches auf den klassischen Vorspann mit weißen Buchstaben auf schlichten schwarzen Grund komplett verzichtet. Stattdessen zeigen schon die ersten Sekunden bestechende Aufnahmen der bekanntlich extrem schwierig zu filmenden Stadt. Die Bildkompositionen von Gordon Willis sind in ihrer statischen Ausdruckskraft und inneren Spannung geradezu einzigartig eingefangen und lassen die Optik der vorherigen Filme mehr als blass aussehen. Selten zuvor hat New York (oder irgendeine andere Stadt) in einem Film derartig geglänzt und verzaubert; nach den unterhaltsamen neunzig Minuten hat jeder, egal ob schon persönlich dort gewesen oder nicht, mehr als nur eine vage Ahnung davon was Woody so an NY bindet.

Kleines Detail am Rande: Mia Farrows Schwester Tisa spielt eine kleine Rolle in diesem Film, nur um kurz danach in den drei italienischen Kult-Exploitern „Zombi 2“, „Jäger der Apokalypse“ und natürlich „Man-Eater“ zu zweifelhaftem Ruhm zu gelangen und anschließend in der Versenkung zu verschwinden.

Fazit: Ein einzigartiges Meisterwerk, auf der ganzen Linie perfekt. Nach „Love & Death“ und „Annie Hall“ Allens dritter makelloser Film, ein Muss für jeden Cineasten. Weder zuvor noch danach erstrahlte Manhattan in einem solchen Glanz – ästhetisch wie inhaltlich gelingt Woody genau die Gratwanderung die er zu erreichen hoffte. Nur noch selten sollte er an der Qualität kratzen, die er hier vorlegte, auch wenn ich so ziemlich jeden seiner Filme zu schätzen weiß – „Manhattan“ ist ein Höhepunkt, vielleicht DER Höhepunkt seines Machers.

10 / 10

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