Das Jahr 2029: Seit 25 Jahren wurden keine Mutanten mehr geboren. Logan, alias Wolverine, gespielt von Hugh Jackman, verdient seinen Lebensunterhalt als Chauffeur und hängt an der Flasche. Von der Stärke vergangener Tage ist ihm nicht viel geblieben, seine Selbstheilungskräfte sind schwächer. Und auch Professor Charles Xavier, gespielt von Patrick Stewart, für den Logan sorgt, hat seine besten Tage hinter sich. Der Telepath leidet unter einer neurologischen Erkrankung und ist damit eine Gefahr für seine Umgebung. Als ein kleines Mädchen, ebenfalls ein Mutant, Zuflucht bei den beiden sucht, rafft sich Wolverine zu seinem letzten großen Kampf auf.
Das Kinoplakat, auf dem der titelgebende Mutant als einsamer Wolf mit dem Sonnenuntergang im Rücken abgebildet ist, deutete bereits an, worauf auch der Trailer im Vorfeld schließen ließ. James Mangold, der mit „Todeszug nach Yuma“ einen erstklassigen Neo-Western inszeniert hat, der in „Identität“ oder „Girl, Interrupted“ sein Interesse für gebrochene Figuren zeigte, was sich auch in seiner Johnny-Cash-Biografie „Walk the Line“ dokumentierte, James Mangold, der mit „Wolverine: Weg des Kriegers“ eher enttäuschte, hat „Logan“ als Western angelegt und auf einen abgehalfterten, einen innerlich wie äußerlich kaputten Helden gesetzt. Der Mutant mit den Adamantium-Klauen ist diesmal keiner dieser strahlenden Comic-Helden, kein John-Wayne-Typ, genauso, wie der Film nicht an einen dieser klassischen US-Western erinnert. Vielmehr gleicht der Wolverine im Film den Ganoven aus diversen Italo-Western und vielleicht ist „Logan“ für das Comic-Genre ja tatsächlich das, was Sam Peckingpahs Spätwestern „The Wild Bunch“ für das Westerngenre war: Ein Abgesang auf ein Genre, dessen Filme sich seit Jahren im Kreis drehen, ein brutaler Bruch mit den gängigen Klischees, Mythen und Motiven der Comic-Verfilmungen.
Und Mangold folgt seiner Western-Linie zunächst sehr konsequent. Das dokumentiert sich zum einen in den gebrochenen Figuren. Patrick Stewart, den als Professor X immer die Aura des weisen Mentors umgeben hatte, ist nun ein neurologisches Wrack, eine Gefahr für die Allgemeinheit, weshalb er in einem Schutzbunker leben muss. Und Hugh Jackman, der sonst den strahlenden und etwas lässigen Helden im Tony-Stark-Stil verkörperte, ist sichtlich heruntergekommen und überall vernarbt - aber er löst auch den Part des gebrochenen Mutanten mit Bravour. Jackman strahlt Resignation und Verbitterung aus, er ist zynisch und schweigsam. Und wenn er kämpft, wenn er tötet: dann spritzt das Blut. „Logan“ zeichnet sich so nicht zuletzt durch seine expliziten Gewaltdarstellungen aus. Mangold dosiert die Action-Szenen eher spärlich, verzichtet auf großen Bombast und setzt stattdessen auf brutale Nahkampfszenen, in denen, anders als in den übrigen „X-Men“- oder „Wolverine“-Filmen, auch mal detailliert gezeigt wird, welchen Schaden die messerscharfen Adamantium-Klauen ausrichten können, wenn sie einen menschlichen Körper durchbohren oder Wolverines Gegnern ganze Gliedmaßen abtrennen. Dass die etwa 10jährige Nachwuchs-Mutantin ebenso brutal vorgeht, macht die Action-Szenen noch eindrücklicher. Und auch ansonsten hat „Logan“ wenig von einer bunten und heiteren Comic-Verfilmung a la Marvel. Mangolds Films ist inhaltlich reduziert, gemächlich und knochentrocken erzählt und dabei für eine Comic-Verfilmung ausgesprochen schweigsam. Sergio Leone lässt grüßen.
All dies, der schweigsame und ruhige Erzählstil, Brutalität, Zynismus und Pessimismus, machen „Logan“ zu einer Comic-Verfilmung, die angesichts der Schwemme an Genre-Filmen eine wohltuende Abwechslung bietet und allein deshalb durchweg gelungen unterhält. Ob „Logan“ dem Genre damit eine neue Wendung verpassen wird, muss sich noch zeigen. Das gute Einspielergebnis gibt Mangold jedenfalls Recht. Ein Meisterwerk ist ihm aber nicht gelungen. Dass der Held am Ende doch noch Vatergefühle für die junge Nachwuchsmutantin an seiner Seite entwickelt und sich für sie ins letzte Gefecht wirft, ist nicht nur vorhersehbar und konventionell, es wirkt zudem eher unglaubwürdig. Mischte sich in die großen Spätwestern noch ein gewisser Wehmut über das Ende einer Ära, so wird in „Logan“ letztlich der Stab an eine neue Generation von Mutanten weitergegeben und somit angedeutet, wie es dann doch weitergehen könnte. So wird sich Mangold bei allem Mut, diesmal alles anders zu machen, doch eine gewisse Inkonsequenz vorwerfen lassen müssen. Hinzu kommen, wie bei so vielen Comic-Verfilmungen, die allzu schwach konstruierten Antagonisten.
Fazit:
„Logan“ ist nicht nur in inszenatorischer, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht das Comic-Pendent eines Spätwesterns. James Mangold ist mit seiner kompromisslos brutalen, im Stile eines Road-Movies erzählten Comic-Verfilmung einer der besten „X-Men“-Filme überhaupt gelungen, der gleichzeitig eine wohltuende Abwechslung zum mittlerweile allzu gewohnten Comic-Bombast darstellt. Schade, dass dieser Abgesang auf die Mutanten-Filme um Wolverine und Professor X am Ende doch noch allzu formelhaft und versöhnlich wird. Das ändert aber wenig daran, dass „Logan“ absolut sehenswert geworden ist.
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