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„In diesem Haus gibt es nur Schmerzen!“

„Zelle R17“ ist ein hierzulande anscheinend noch weitestgehend unbekannter Film-noir von US-Regisseur Jules Dassin („Rififi“) aus dem Jahre 1947. Es handelt sich um einen frühen Gefängnisfilm. Im Westgate-Gefängnis plant eine Gruppe Insassen die Flucht vor dem eiskalten Regime des machtgierigen, sadistischen Oberaufsehers Captain Munsey (Hume Cronyn, „Phantom der Oper“).

In einer seiner ersten Rollen spielt Burt Lancaster („Airport“) den Häftling Joe Collins, der als Rädelsführer der R17er-Schicksalsgemeinschaft hervorgehoben wird. Jules Dassin zeichnet ein düsteres, desillusionierendes Bild nicht nur von den unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis, sondern auch vom vorausgegangenen Leben der Zellengenossen. Rückblenden charakterisieren diese nach und nach und zeigen, durch welch unglückliche Verkettungen, durch welche Intrigen und Verrate, sie hinter jenen Gittern landeten, die wie eine Radikalisierung, eine Essenz des von Habgier und Egozentrik geprägten Lebens in einer trügerischen Freiheit wirken. Diese negative Weltsicht war damals stilbildend für das Genre und wird auch hier in einem unheimlich starken, in seiner Unerbittlichkeit und Härte auch heute noch verstörenden Finale auf die Spitze getrieben. Ungeschönt und konsequent lässt Dassin Sympathieträger blutig sterben, nachdem sie bis zum Letzten von Verzweiflung getrieben gegen ihr Schicksal angekämpft haben.

Bei allem Pessimismus ist „Zelle R17“ auch provokante, offensichtliche Anklage der Zustände in US-Haftanstalten und der Intriganten und Diktatoren, die in so vielen Mitmenschen lauern. Der von Captain Munsey betriebene Machtmissbrauch lässt sich ebenso problemlos auf andere Lebensbereiche projizieren wie der Verrat, dem die konspirative Gruppe anheimfällt. Wie jedoch auch in anderen Vertretern des Genres gestaltet sich bis zum sich aller Voraussicht nach tief im Gedächtnis festsetzenden Finale die Handlung verhältnismäßig gleichförmig. Grob in drei Abschnitte unterteilbar, braucht sie doch etwas, um in die Gänge zu kommen – was natürlich der gewissen Vorhersehbarkeit von Gefängnisfilmen geschuldet sein mag. Darsteller wie Lancaster, Hume Cronyn und Charles Bickford („Die Tage des Weines und der Rosen“) geben aber alles, um dem Geschehen die nötige Glaubwürdigkeit und Schwere zu verleihen, ohne in schwülstige Melodramatik abzugleiten. Auch Pathos wird größtenteils ausgespart, lediglich die behutsam eingesetzte orchestrale musikalische Untermalung unterstützt die Bilder und Dialoge zeitweise ein wenig in diese Richtung.

„Zelle R17“ ist eine ungeschliffene Desillusion, die den geduldigen Zuschauer mit einer Mutation zum schwarzen Hassbatzen belohnt. Für Gefängnisfilm- und Film-noir-Freunde Pflichtprogramm und für mich eine weitere Inspiration, mich mit letztgenanntem Genre zukünftig näher zu befassen.

„Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und trinke Whiskey. Und was macht Sie betrunken? Macht?“

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