Review

kurz angerissen*

Spürbare Ehrfurcht vor dem Indianerland spricht aus den Kompositionen aus Eis, Gewalt und Meditation, die Taylor Sheridan für seinen Krimi-Thriller "Wind River" findet. Der Abschluss der mit den Drehbüchern zu "Sicario" und "Hell Or High Water" begonnenen "American Frontier"-Trilogie steckt einerseits voller mystischer Verklärung, andererseits aber auch voller Statistik und bitterer Realität. In den menschenleeren Gebirgs- und Waldlandschaften könnte man gesellschaftlichen Eskapismus vermuten, eine Flucht vor Autolawinen und Fassaden aus Glas und Metall. Dabei steht der Schnee, der ins Grenzland fällt, symbolisch für die Verdeckung der Schuld, die Amerika nach Überzeugung des Autoren gegenüber dem indogenen Volk empfinden sollte.

Natürlich, "Wind River" ist ein "weißer" Film. Mit Jeremy Renner als männlichem und Elizabeth Olsen als weiblichem Lead werden native Belange explizit aus einer Outsider-Perspektive behandelt. Die Zerrissenheit des Films, sein Pendeln zwischen der Faszination für ein Land und der Trauer über die Entwicklung des darin lebenden Volkes, ist ein Ausdruck dieser Perspektive und die einzige authentische Möglichkeit für einen weißen Writer-Director, seinen Standpunkt zu diesem Thema zu vermitteln.

Sheridans Markenzeichen spiegeln sich auf Anhieb in den ungewöhnlich arrangierten Erzählbögen eines Films, der unter anderer Führung ebenso schnell zu einem standardisierten Krimi hätte geraten können. Doch hier ist fundiertes Wissen am Werk, wie man Rückblenden einbaut, ohne sie zum Klischee geraten zu lassen, wie man Übergänge schafft, ohne offensichtliche Match Cuts einzusetzen, wie man Beklemmung erzeugt, weil sich das Grauen oft erst durch die Nachbetrachtung einer vergangenen Sequenz ergibt. Und kaum jemand versteht es so wie Sheridan, den Geltungsbereich eines Filmes, der in diesem Fall immerhin 3000 Quadratkilometer umfasst, gen Finale derart einzuengen, dass am Ende nur eine klassische Western-Situation zurückbleibt - zwei Männer und ein abgesteckter Platz, den nur einer der Männer lebend verlassen wird.

In der Anlage bloß ein weiterer Grenzland-Thriller, gelingt es Sheridan also zum wiederholten Male, etwas Besonderes aus dem Gegenstand seiner Betrachtung zu ziehen. Die Schuld reicht er an das Publikum weiter; ebenso allerdings die Fähigkeit, das Schöne in den Bildern zu sehen.

*weitere Informationen: siehe Profil

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