Ewan McGregor spielt erneut den ehemaligen Junkie Mark Renton, der nach 20 Jahren in seine einstige Heimatstadt Edinburgh zurückkehrt. Dort vereitelt er kurz nach seiner Ankunft einen Suizidversuch seines Freundes Spud, gespielt von Ewen Bremner, und trifft auf seinen einstmals besten Kumpel Sick Boy, gespielt von Jonny Lee Miller, bei dem er zunächst unterkommt. Die beiden planen, gemeinsam einen Saunaclub zu eröffnen, während sie um die gleiche Frau buhlen. Was Renton nicht ahnt: Begbie, gespielt von Robert Carlyle, ist soeben aus dem Gefängnis ausgebrochen und sinnt auf Rache an dem Mann, der ihn, Spud und Sick Boy vor seinem Verschwinden um 16.000 Pfund aus einem gemeinsamen Drogendeal erleichtert hat.
Die Fans (und davon gibt es offenkundig einige) mussten sich lange gedulden. Nachdem Danny Boyle bereits 2009 angekündigt hatte, eine Fortsetzung zu „Trainspotting“ zu drehen, zogen einige Jahre ins Land, bis der Regisseur und sein Cast erneut zusammenfanden und der auf „Trainspotting“ folgende Roman „Porno“ von Irvine Welsh den Vorstellungen der Beteiligten entsprechend umgeschrieben worden war. Nun, gut 20 Jahre nach dem Erscheinen des Originals, das die Hollywood-Karrieren des mittlerweile Oscar-prämierten Regisseurs Boyle und seine Hauptdarstellers Ewan McGregor befeuert hatte, ist es soweit: „Trainspotting 2“ kommt in die Lichtspielhäuser. Und sogleich meldeten sich die Stimmen, die wahlweise feststellten, der Film reiche nicht an seinen Vorgänger heran oder sei ohnehin praktisch überflüssig. Aus Sicht des Verfassers dieser Kritik, der mit dem Originalfilm nie viel anfangen konnte, hat Boyle diesen mit seinem Sequel jedenfalls übertroffen.
Dabei ist Vieles wie im Vorgängerfilm. Die Vorliebe Boyles für visuelle Tricks, für das kunstvolle Verfremden einzelner Szenen, die satten Farben und die mitunter etwas eigenwilligen Kameraperspektiven sind dem Film erneut durchgehend anzusehen. Boyle bleibt also auch 20 Jahre später seinem unverkennbaren Stil treu, nachdem er sich bei seinem Biopic „Steve Jobs“ zuletzt inszenatorisch stark zurückgenommen hatte. Das ist wie immer stellenweise fesselnd oder auch mal etwas anstrengend, auf jeden Fall aber unkonventionell und durchaus eindrucksvoll. Besonders hervorgehoben sei zudem Boyles Händchen für die Auswahl des Soundtracks, das sich mit dem eines Quentin Tarantino oder James Gunn definitiv messen lassen kann.
Boyle gelingen einige echte Gänsehautmomente, wenn sich die Freunde von einst nach 20 Jahren wiedersehen, drüber hinaus aber auch einige urkomische Sequenzen. Man wartet von der ersten Minute an auf das Wiedersehen Rentons mit dem aggressiven Soziopathen Begbie - und wenn die Szene dann kommt, ist sie keine Enttäuschung, sondern eine regelrechte Offenbarung. Dazwischen gibt es etwas Leerlauf, auch mal ein paar unwitzige Szenen, die eher nach hinten losgehen und für kleinere Längen sorgen, doch trotz der im Vergleich zum Originalfilm deutlich größeren Laufzeit ist „Trainspotting 2“ insgesamt ausgesprochen kurzweilig geworden. Über die schwächeren Szenen trösten zudem die großartigen Darsteller hinweg, die ihre kauzigen Figuren mitunter noch besser als im ersten Teil verkörpern. Das gilt nicht nur für Robert Carlyle, der in der Rolle des wandelnden Pulverfasses Begbie wie entfesselt aufspielt, sondern auch für den übrigen Cast, für den wild Grimassen schneidenden, ausgesprochen sympathischen Ewen Bremner und natürlich auch für Ewan McGregor und Johnny Lee Miller, die in den stärker geerdeten Rollen souverän durch den Film tragen.
Was dem Sequel abgeht, das ist die Kompromisslosigkeit des Vorgängers, der tief in die Junkie-Szene eintauchte und dabei trotz aller Übertreibungen ein knallhartes und irgendwie authentisches Bild vom Leben an der Nadel zeichnete. In den heruntergekommenen Behausungen der Protagonisten standen Fäkalien und Dunst förmlich in der Luft, es gab viele abstoßende Szenen, die auch mal extrem übertrieben wurden. Damit kann man „Trainspotting 2“ mit einigem Recht als lauwarmen Aufguss, oder einfach als einen Film begreifen, der sich von der Drogenthematik des Vorgängers entfernt und sich um etwas ältere, minimal vernünftigere Figuren dreht, die nicht mehr tagelang betäubt auf einer alten Matratze liegen. Boyle jedenfalls hat ausreichend Anspielungen und Bezüge zum Vorgänger eingebaut, um die Fans des Films weitgehend zufrieden zu stellen. Außerdem kommt bei „Trainspotting 2“, anders als beim ersten Teil, ein echter Erzählfluss zustande, weil die Story recht zielführend verläuft und der Film somit nicht nur aus einer Ansammlung von anekdotisch verknüpften Sequenzen besteht.
Fazit:
Inszenatorisch wie darstellerisch bleibt bei „Trainspotting 2“ alles beim Alten. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass das Sequel nicht ganz so hart und zynisch daherkommt und die Drogenthematik kaum noch eine Rolle spielt. Dafür verfügt das Sequel über eine stringentere Narration. Der eine oder andere mag das als lauwarmen Aufguss betrachten, dem Verfasser hat diese gediegenere „Trainspotting“-Version allerdings mehr zugesagt als das Original. „Trainspotting 2“ ist melancholisch, witzig und kurzweilig, eine sehenswerte Tragi-Komödie.
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