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Kinderkacke

Für gewöhnlich flimmern die Weimarer „Tatorte“ ums Ermittlungsduo Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner) an einem Feiertag oder ähnlich bedeutsamen Datum über die Mattscheibe. Der vierte Fall dieser Reihe datiert seine Erstausstrahlung auf den 05.02.2017, laut schneller Netzrecherche der „Tag der Wetterleute“ in den USA, der „Runeberg-Tag“ in Finnland sowie der Welt-Nutella- oder auch der Hast-du-gepupst?-Tag. Zumindest die beiden Letztgenannten würden so etwas wie einen Bezug zumindest erahnen lassen, dazu später mehr. Wie üblich stammt das Drehbuch von den Weimar-„Tatort“-Stammautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, während der für Thriller-ähnliche „Tatorte“ bekannte Regisseur Sebastian Marka („Tatort: Es lebe der Tod“) erstmals unter Beweis stellen darf, dass er „auch lustig kann“.

Schutzpolizist Ludwig Maria Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey, „Anatomie“), von allen nur „Lupo“ genannt, trifft eine folgenschwere Entscheidung: Seit langem (un)heimlich in Kommissarin Dorn verliebt, beendet er seine Beziehung zu Andrea Münzer (Florentine Schara, „Rammbock“). Aus allen Wolken fallend zerstört sie aus Rache in Rage seine geliebten Rosenbeete, wobei sie jedoch die Explosion einer unter ihnen deponierten Bombe auslöst und seither „größtenteils vermisst wird“. Zweifelsohne galt dieser Anschlag eigentlich Lupo, und der Mörder scheint auf Nummer sicher gehen zu wollen: Mit einer Rizinvergiftung, gegen die kein Kraut gewachsen ist, wird Lupo ins Krankenhaus eingeliefert. Er hat nur noch 72 Stunden zu leben. Dorn und Lessing nehmen die Ermittlungen auf, die in eine Porzellanmanufaktur führen, in der die Schwestern Desiree (Katharina Heyer, „Stellungswechsel“) und Amelie Scholder (Laura Tonke, „Bittere Unschuld“) um ein Millionenerbe streiten – auf das, wie sich überraschend herausstellt, auch Lupo einen Mitanspruch hat, seit seine mütterliche Freundin Olga (Carmen-Maja Antoni, „Rosa Roth“) einen Vaterschaftstest durchgesetzt hatte. Diese wiederum ist die Mutter des Kleinkriminellen Ringo Kruschwitz (Florian Panzner, „Kleinruppin Forever“), den kein Geringerer als Lupo einst ins Gefängnis brachte…

Dieser sehr verschachtelte Fall, der nach und nach diverse Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse bis ins Inzestuöse offenlegt, führt in die Welt des feinen, doch so zerbrechlichen Porzellans, das dann sprichwörtlich auch viel zerschlagen wird. Im Mittelpunkt steht dabei diesmal der bemitleidenswerte Lupo, der groß auftrumpfen darf, wenn er kurzerhand seinen eigenen Chef als Geisel nimmt und auch von der Schusswaffe Gebrauch macht. Den Überblick zu bewahren erfordert einige Konzentration, wofür die interessant und ambivalent konzipierten Figuren entschädigen. Klassische Spannung tritt diesmal deutlich in den Hintergrund, was vor allem daran liegt, dass das Informationsdefizit des Publikums das Miträtseln erschwert; neue, überraschende Erkenntnisse liefern fortwährend neue Motive und Verdächtige. Der Humor geriet sehr trocken, wobei nicht jeder Wortwitz sitzt, die generelle Ironie nicht nur des Schicksals Lupos dafür umso besser. Lessing klugscheißt diesmal botanisch und psychologisch und muss sich in einem dann doch unvorhergesehen nervenaufreibenden Showdown behaupten. Der Epilog löst schließlich sämtliche Handlungsfäden und Fährten auf, durchaus befriedigend, wenn auch bewusst und vielleicht etwas bemüht kurios. Und natürlich muss Lupo nicht das Zeitliche segnen, wofür man leider eine denkbar schwache Erklärung findet. Das lässt das Drehbuch dann doch etwas unrund wirken.

Zu den eingangs erwähnten Tagen passt das Chemieklo voller Babykot, das die Ermittler im Kofferraum ihres Autos durch die Gegend kutschieren und anscheinend nicht dicht genug ist, um tatsächlich alle Gerüche in sich zu bewahren – sehr zum Leidwesen auch anderer das Fahrzeug Annektierender. Geruchsfernsehen gibt es ja aber glücklicherweise nicht und so gibt es über meine genannten Kritikpunkte hinaus nichts, worüber es die Nase zu rümpfen gelte. Trotz allem halte ich Porzenit aber für eine wirklich gute Idee...

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