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Für mich als bekennenden Fan von „Caligula“ war es eine stetige Suche, dass Talent von Tinto Brass in irgendeinem seiner anderen Werke wiederzuentdecken. Aber stattdessen fand ich immer nur das Ausleben seiner Phantasien. Das war bei Filmen wie „Paprika“ noch recht erträglich, wurde dann aber immer nerviger. Nach dem Konsum von „Do-It“ war ich mir sicher, dass Tinto Brass unmöglich „Caligula“ geschaffen haben kann. Der gute Tinto ist schlicht ein Schweinigel, der sich einen Dreck um sein Publikum schert. Oder zumindest um den Teil der Zuschauer, zu dem ich mich zähle.  Nun ist der geneigte Zuschauer nicht zwingend rationell in seinen Entscheidungen und tut sich der getroffenen Einschätzung von Herrn Brass zum Trotz „Black Angel“ an. Blöder Name, mieses Image. Also erwarten’se nix.  Und siehe da, in diesem billigen Filmchen tritt plötzlich der talentierte Brass wieder an das Tageslicht. Vielleicht dadurch motiviert, Visconte zu kopieren oder ihm ein Denkmal zu setzen, liefert er mit „Senso 45“ (lassen wir mal den Bildungsbürger raushängen) eine sehr ansprechende Arbeit ab. Der Film besticht mit einer guten Story, für die Brass zwar nicht verantwortlich ist (für die durchaus passende zeitliche Verlagerung in die Zeit der Republik von Salo schon), durch eine exzellente Erzählstruktur, eine raffinierte Regiearbeit und –man höre und staune – sehr ansprechende schauspielerische Leistungen. Untermalt mit einem mäßigen Soundtrack von Morricone ein sehr ordentliches Gesamtwerk.  Dabei stößt Brass aller Voraussicht nach seinem Stammpublikum schwer vor den Kopf. Wie kommt er dazu, eine weibliche Hauptrolle mit einer richtigen Schauspielerin zu besetzten, die ihr optisch bestes Alter überschritten hat und sich nicht ausziehen will? Weil er eine Geschichte erzählen will! Und diese hat mehr Facetten als das Schwenken dicker Frauenhintern. Leider hält Brass diese Besetzung nicht ganz durch. Wieso in aller Welt muss er die Hauptdarstellerin in der Badeszene durch ein Body-Double ersetzen? Der Film lebt von den unterschiedlichen Begehrlichkeiten der Hauptdarstellerin und ihres jungen, schönen aber gewissenlosen Liebhabers.  Tinto nutzt natürlich die Gelegenheit, seine Schmuddelvisionen auszuleben. Das macht er im Falle von „Senso 45“ in Form der Orgie, bei der wir (Oh Wunder) alle seine Ferkeleien aus „Do It“ wieder treffen. Nur wirken sie diesmal nicht als groteske Phantasie eines alternden Lustmolches, sondern als akzeptables Zugeständnis an die Neigungen eines durchaus begabten Regisseurs.  Bei der von Brass so wichtigen Erotik oder dessen, was er persönlich dafür hält, kommt in diesem Film wieder das zum Tragen, was „Caligula“ so einzigartig macht – die Vermischung von Eros und Tod. Das Ende mit der Hinrichtung ist mäßig gelungen. Aber auf verstörende Weise genial ist die Kameraperspektive unter den Rock der erschossenen Mutter. Zuerst fragt sich der geneigte Zuschauer, was diese Nummer soll. Aber schon bald merkt man, dass man den Tod in seiner finalen und fatalen Bedeutung nicht besser darstellen kann, als ihn in Verbindung mit Elementen des Lebens zu setzen. Brass hat es also doch drauf und ist mutig genug, die einen Gefühle zu verletzen, um andere Empfindungen hervorzurufen.  Ich war nach dem Konsum von „Senso 45“ beruhigt, mich nicht völlig in Brass getäuscht zu haben. Mit etwas mehr Budget wäre dieser Film eine ganz große Nummer geworden. So hat er aber immer noch 8 von 10 Punkten verdient.Es muss aber ganz klar gesagt werden, dass die Zuschauer, die am üblichen Werk von Brass Gefallen finden, von diesem Film mit Sicherheit schwer enttäuscht sein werden. Was soll’s. Die Katze lässt das Mausen nicht und ich bin sicher, Brass wird Zeit seines Lebens noch so mache Ferkelei nachschieben, um den anderen Teil seines Publikums wieder gnädig zu stimmen.

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