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Verflucht seist du, Quentin Tarantino. Du hast Generationen von Filmemachern dazu gebracht zu glauben, eine Story sei mehr oder weniger irrelevant, wenn man nur ausreichend schräge Charaktere, lässige Sprüche, einen Retro-Soundtrack und eine postmoderne Pulp-Attitüde auf die Leinwand bringt. Das Resultat: zahllose Filme, deren höchstes Ziel es offensichtlich ist, dem Zuschauer zu vermitteln, dass der Macher aber mal echt ein cooler Hund ist. Yuck.

SCHNEEFLÖCKCHEN ist, dem dämlichen Titel zum Trotz, nicht ganz so schlimm, wie diese Einleitung befürchten lässt. Im Gegenteil, für einen deutschen Film lässt er hin und wieder erstaunlich viel Phantasie aufblitzen und ist unterhaltsam genug erzählt, dass man bei der Sache bleibt – wenn es auch in der zweiten Hälfte immer wieder deutlich an Tempo fehlt.

Neben dem bemüht extrasmarten Gestus ist das Hauptproblem des Films aber sein völliger Mangel an eigener Handschrift. Hier wird einfach unglaublich viel RESERVOIR DOGS mit noch mehr STRANGER THAN FICTION in den Mixer geworfen, mit non-linearer Erzählweise und häufigen Titeleinblendungen überwürzt und mit überflüssigen Pseudo-Trash-Elementen wie einem billigen Latex-"Superhelden" und einer Nazi-Untergrundarmee zu einem gewollt möglichst hippen Ergebnis gequirlt.

Natürlich muss dieser Film in Berlin spielen (gähn); wofür es die Backstory um bürgerkriegsähnliche Zustände dort braucht, bleibt allerdings unklar – zu sehen bekommen wir sie mit Ausnahme von TV-Nachrichtenschnipseln nie, und sie spielen auch für die Handlung eigentlich überhaupt keine Rolle. Zudem macht eine möglichst große Zahl an möglichst exzentrisch gezeichneten Figuren noch lange keinen wilden Unterhaltungsritt aus. Nicht, wenn sie keine Funktion haben, sondern nur Deko sind. Oder aber so schlecht gespielt sind, dass sie einem höchstens auf die Nerven gehen (siehe "Superheld", siehe "Engel").

Das wirkt schon alles sehr bemüht. Wir machen jetzt auch mal Tarantino. Hmm. Nee, ist 2017 eigentlich auch ein bisschen spät dafür.

5 Punkte gibt's trotzdem. Einen davon dafür, dass man ja auch den Versuch würdigen muss, in Deutschland mal etwas Schrägeres auf die Leinwand zu bringen. Gut gefallen haben mir außerdem die beiden Jungs, die entdecken müssen, dass all ihre Handlungen und Dialoge wohl von einem merkwürdigen Drehbuch vorherbestimmt werden. Die Idee kennt man, klar. Aber die beiden haben Ausstrahlung, und man "leidet" dann auch mal mit ihnen.

Auch sonst gibt es immer wieder ein paar nette Ideen zu bewundern. Sogar ein paar eigene. Für einen Langfilm reichen die aber definitiv nicht.

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