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Zum Thema und mittlerweile auch Reiz- bis in mancherlei Kreisen zum "Unwort" verkommenen 'Flüchtlinge' oder doch eher 'Geflüchteter' und 'Vertriebener' sind in den letzten Monaten und Jahren auch hierzulande vor allem die Gemüter erhitzt, und hat jeder seine eigene Meinung und seine eigene, zuweilen leider auch in die Extreme rutschende Ansicht. Eine Debatte darüber soll hier nicht der Gegenstand der Untersuchung sein, weder vom Film selber, der sich für das Schicksal und der Herkunft der Immigranten kaum einen Deut schert,  noch ist hier die Möglichkeit zu einer Auseinandersetzung gegeben, obwohl gerade das Verlegen der sattsam in Literatur und eben auch Film (La decima vittima, das hier extra mit Widmung an Tom Toelle erwähnte Das Millionenspiel, Le Prix du danger, Running Man bspw.) erzählten Prämisse in die heutige Zeit und ihre Aktualität nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist und sicherlich und sichtlich auch genau deswegen und so wie dargebracht auch in zwiespältiger Art und Weise von den Filmemachern beabsichtigt:

Als der Versicherungsvertreter Johannes, genannt 'Joe' [ Mathis Landwehr ] eines Abends nach dem Training als Karatelehrer bei der Heimfahrt zu seiner Freundin Karin [ Katharina Sporrer ] Zeuge eines Überfalls auf einen Flüchtling wird, diesen nach kurzen Zögern zu retten versucht und dabei eher zufällig einen der Angreifer tötet, ändert dies sein Leben von einer Sekunde auf die andere. Der Fliehende war Teilnehmer am "Immigration Game", ein in den letzten Jahren aufkommendes und populär gewordenes Medienereignis, bei dem der 'freiwillig' Mitwirkende von sogenannten "Hunter" einmal quer durch Berlin gejagt wird und am Zielpunkt Fernsehturm beim Erreichen die deutsche Staatsbürgerschaft und damit die Möglichkeit zur Teilhabe am westlichen Wohlstand winkt. Joe, der nunmehr wegen Mordes an einem dieser offiziell erlaubten, auch von der Polizei und Gesellschaft geduldeten bis gar unterstützten Killer festgenommen wurde, darf sich zwischen lebenslanger Haft und selbst der Teilnahme am Spiel entscheiden, und so um seine Freiheit kämpfen. Der vollkommen Perplexe wird ins Studio zu letzten Einspielern vor der Show gezerrt und dann mit anderen Läufern der Meute präsentiert.

Das Aufköcheln einer ursprünglich auch mal doppelbödig erscheinenden Option mit den Voraussetzungen zu Gesellschafts- (und oftmals auch Medien)Kritk, ausgehend von der vor fast einem Jahrhundert von Richard Connell veröffentlichten und selbst beizeiten verfilmten und unzählig variierten Kurzgeschichte "Das grausamste Spiel"; wobei oftmals in den Filmen selber die Aktions- und Spannungseffekte im Vordergrund stehen und dies hier auch offensichtlich die Intention der (oftmals improvisierten) Inszenierung und der Fall damit ist. In der hiesigen Ausgestaltung gerade auch mit dem zusätzlichen Verweis auf die "Staatsbürgerschaft" als Gewinn und dem Dreh- und Handlungsort Deutschland gerade für die hierzulande 'betroffenen' Zuschauer mit  natürlich mehr subjektiven Interesse als jetzt vielleicht für das globale Publikum – der Film lief Mitte 2017 auch auf Festivals im Ausland – hin angelegt. Dennoch: Produziert von der 2011 von (Hauptdarsteller) Landwehr und Kompagnon Sascha Girndt gegründeten RoundhouseFilm und dies auch als erstes eigenständiges und auch erstes Spielfilm - Projekt (es sind mehrere Kurzfilme oder gar 'Serien' noch in Vorbereitung bzw. angekündigt) hat man sich allein über die Zuordnung zur Aktualität auch trotz seines Independentdaseins und des natürlich eingeschränkten Budgets in größere Medien und deren Besprechung und sogar in die Entwicklung einer internationalen Neuverfilmung, spielend in den Vereinigten Staaten bzw. speziell Washington D.C., und der Regie von Carl Bessai hinein gedrückt.

Die Verlagerung in ein 'fiktives' Konstrukt ist dabei offenkundig nur pro forma angelegt, um allzu großen Kontroversen von vornherein aus dem Weg und tatsächlich mehr den Weg eines Unterhaltungsfilmes zu gehen; obwohl die Hauptfigur gleich zu Beginn gefragt wird, "was wäre wenn", und "was würdest Du dann machen", und die Antwort dann nicht so eindeutig und vor allem nicht verbal ausfällt. Kurz darauf ist Joe tatsächlich in der Bredouille, dass er sich entscheiden muss und dann auch keine Möglichkeit hat, bei diesen kurzen Gewissenskonflikt das Für und Wider lang und breit zu erörtern, sondern jetzt handeln muss oder ihm dieses gleich abgenommen wird. Erstmalig ist dabei auch Jemand in den Brennpunkt bzw. in die Jagd gerückt, der dies gar nicht von sich aus antritt und nicht zum Kreise der 'Auserwählten' gehört, sondern bloß Hilfestellung geleistet hat und nur seinem Gewissen gehorcht und eben richtig nach moralischen Maßstäben reagiert. Der Moment des Zögerns und Zauderns ist durchaus gut von der Inszenierung getroffen und die erste prompt folgende körperliche Konfrontation auch; wird das Gegenüberstehen angesichts der überzähligen und aggressiv wirkenden Gruppe trotz ebenso Kampfsporterfahrung und einem jahrelangen Training dennoch zu einer Stresssituation, die nicht zu unterschätzen ist und wo man weder weiß, wo man zuerst hinschauen und auf was gleich achten soll, noch man die Akteure überhaupt trifft. Die Hauptfigur als Spielball des Geschehens, die über weite Strecken einfach überfordert, nicht per se "moralisch selbstüberhöht" ist und teilweise auch gar nicht als "richtiger Mann" wirkt und zum Helden taugt; da es im Grunde nur ein Normalo, Otto Normalverbraucher eben ist, der zwar körperlich schlank, aber auch schon wieder schlaksig allein aussieht.

Auch das für den Drehzeitraum von zwei Wochen im November 2016 gewählte Berlin als Schauplatz des Geschehens ist als positiver Faktor zu sehen und zu werten, mit seinen abgetrennten und gleichzeitig fließend übergehenden vielzähligen Bezirken, die alle für sich eine besondere Aura ausstrahlen und dennoch alle zu einer gemeinsamen Metropole gehören und alle auch auf den ersten Blick alles Andere als anheimelnd sind, wird die Stimmung einer hasserfüllten oder auch gleichgültigen Dystopie durchaus auch durch die architektonischen Gegebenheiten, der 'Hässlichkeit' oder Ungemütlichkeit der vielen Plattenbauten, Unterführungen, fehlenden Grünanlagen usw. erzeugt. Der Fernsehturm als Endziel als bekanntes Symbol, welches hier aber wirklich nur in wenigen Bildern vorkommt und bis dato weit entfernt und ebenso selten zu sehen ist. Eine angestrebte Medienkritik fällt von vornherein aus, da man das Spiel als Medium und in der Fernsehinszenierung gar nicht sieht, sondern ab und an immer nur von hört und vielmehr (sicherlich aufgrund des stark eingeschränkten Budgets) keinerlei Wirkung in der Gesellschaft selber gezeigt wird, weder aktiv noch passiv. Die Verunsicherung ist nur bei Joe, nicht flächendeckend, ein Unbeteiligtsein der Umwelt, deren Nicht-Reaktion auf das Alles dabei aber eventuell schon wieder als Ausdruck einer Apathie und der Bewegung des Weg-Sehens und Ignorierens von Problemen bewertet werden kann, wenn man denn großzügig gegenüber der Produktion ist, und nicht zu hart damit ins Gericht gehen will.

Dass man "Schreie von Rechts" und ihre radikale Skandierung anfangs (scheinbar) von vornherein ausgeschlossen hat und Joe als Identifikationsfigur von vornherein (bis dato) Pro-Geflüchteter ist, ist dabei wie auch die allgemeine Bewegungsfreude des Filmes noch als förderlich zu sehen, war es damit aber auch endgültig; die Inszenierung selber ist noch arg unbeholfen, was sich besonders in einer überaus unruhigen Kameraführung selbst bei Dialogen oder gar Monologen in Ruhestellung und dort auch einer anstrengend abgehackten Montage ausdrückt. Zudem wirkt sich spätestens beim Besuch in Eli Roths Folterkeller ungünstig aus, dass die gesamte Handlung mit der heißen Nadel gestrickt ist, was insbesondere auch die Antagonisten betrifft, einer bessere Straßenclique, die wie ihre Compadres mit den Pump-, Radler- und Wrestlerhosen reichlich albern und gar nicht furchteinflößend, sondern bestenfalls lautmalerisch und wie eine zu alt gewordene Kindergang wirken. Nach hinten raus vergeigt man es komplett, mit gleich drei Abschlüssen, eine Offenbarung bescheuerter als die andere, die allesamt zu dem bisherigen Gesagten und Gezeigten so überhaupt nicht passen, und in der Masse dieser "Fehlleistungen" auch reichlich ärgerlich bis abstoßend gar sind.

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