"Apocalypse Show - Achterbahnfahrt in die Finsternis"
Warum schauen wir eigentlich Monsterfilme? Wegen der tiefsinnigen Dialoge? Wegen der tiefenpsychologischen Analyse menschlicher Urängste? Oder wegen der tiefschürfenden gesellschaftskritischen Botschaften? Nö, nö und nochmals nö! Wobei wir mit „tief" schon goldrichtig liegen, allerdings im Sinne von „tiefer gelegt". Die wirklich guten Monsterfilme bekennen sich offensiv zu dieser Trash-Attitüde, zu ihren Pulp- und Exploitation-Wurzeln. Wenn das monströse Spektakel zu ernst, zu emotional, zu episch, zu intellektuell angegangen wird, dann hat man die Essenz des Ganzen schlicht nicht verstanden. Nicht nur, aber vor allem deshalb ist Peter Jackson´s sündteurer „King Kong" kein guter Film. Und nicht nur, aber vor allem deshalb ist der aktuelle, auch nicht ganz billige „Kong: Skull Island" ein ausgezeichneter Film.
Das fängt schon mit der sympathisch hanebüchenen Story-Prämisse an, die ja irgendwie die Existenz riesiger Viecher erklären muss. Ja genau, Viecher, denn unsere bemitleidenswerten Artgenossen bekommen es nicht nur mit dem turmhohen Riesenaffen zu tun, sondern dürfen auch noch die unliebsame Bekanntschaft weiterer, ähnlich unfreundlicher urzeitlicher Mutationen im XXL-Format machen. Selber schuld, möchte man sagen, denn schließlich begeben sie sich freiwillig in deren Fänge. Fairerweise muss man zugeben, dass sie nicht so ganz genau wußten, was sie erwarten würde. Andererseits klang es einfach zu aufregend.
Das Ziel sei eines der letzten unerforschten Gebiete der Erde. Düstere Mythen und dunkle Geheimnisse rankten sich um das stets von einer Unwetterfront eingehüllte Eiland im Südpazifik. Irgendwie gelingt es dem zwielichtigen Bill Randa (John Goodman) einem genervten US-Senator Gelder für eine Expedition zur Kartographierung der Insel abzuschwatzen. „Wenn es da irgend etwas zu finden gibt, sollten wir es vor den Russen finden!" Das Argument zieht, zumal man sich anno 1973 noch wohlig im Kalten Krieg räkelt und just das „Abenteuer Vietnam" nicht gerade mit dem gewünschten Ergebnis zum unfreiwilligen Abschluss gebracht hat. Diese Schmach motiviert auch Lieutenant Colonel Packard (Samuel L. Jackson) mitsamt ein paar besonders harten Burschen seines Platoons zur angeforderten Militäreskorte. In Südostasien gibt es nichts Relevantes mehr zu tun und irgendwie war das Getane nicht so richtig erfüllend gewesen. Dem ehemaligen SAS-Agenten James Conrad (Tom Hiddleston) geht´s da ganz ähnlich und die auf eine Sensation hoffenden Wissenschaftler schreien ohnehin von Haus aus hier. Fehlt nur noch die Optik und da kommt die Kriegsfotografin Mason Weaver (Brie Larson) wie gerufen. So scharf wie sie aussieht, ist sie auch auf den Pulitzer Preis, eine klassische Win-Win-Situation also.
Der ehemalige Independent-Regisseur und jetzt Blockbusternovize Jordan Vogt-Roberts - ja, klingt gut und außerdem sind solch unverbrauchte Talente so willig wie billig - inszeniert diesen Auftakt-Blödsinn mit so viel Schmiss und Verve, dass man gar nicht anders kann, als fröhlich mit zu wippen. Selten wurden die 1970er Jahre in Bild, Ton und Feeling knackiger auf den Punkt gebracht, wer fragt da noch nach einem plausiblen Setting? Zumal ein flotter Spruch den nächsten jagt und ein treffender Rocksong den nächsten ablöst.
Angekommen auf der Insel wird die ganze Sause dann ein Stückchen rauer, zumal der einheimische König wenig erfreut über die seismische Bomben abwerfenden Neulinge ist. Kong pflückt die in fröhlicher Apocalypse Now-Verbeugung einfallenden Helikopter kurzerhand vom Himmel und wiederholt die Tet-Offensive im Schnelldurchlauf. Aus der wissenschaftlichen Expedition wird so flugs eine himmelfahrtskommandoartige Search and Rescue-Aktion, denn das erste Gefecht hat die Truppe nicht nur dezimiert und meilenweit zerstreut, sondern neben King Kong auch noch ein paar andere, wenig umgängliche Inselbewohner zum Mitmachen animiert.
Für die beteiligten Effektspezialisten beginnen damit natürlich die Festtage und die Damen und Herren wissen durchaus zu feiern. An CGI-Schauwerte und gigantomanische Zerstörungsorgien ist man ja inzwischen gewöhnt, aber genau in diese Falle tappt „Skull Island" eben nicht. Das Auftauchen der Monster passiert wohl dosiert, dafür plötzlich und brachial. Die Kämpfe sind nie so lang, dass man ermüdet abwinkt, aber lang genug, um den Wow-Faktor auszuspielen. Vor allem aber wirkt das Gezeigte verblüffend real und hat nicht den sterilen Look vieler aktueller Großproduktionen. Dazu kommen einige fies platzierte Schockmomente und die Erinnerung daran, sich immerhin in einem Horrorszenario zu befinden, wenn auch in einem massenkompatiblen.
Die großen Namen des beteiligten Personals stehen zweifellos in krassem Gegensatz zu ihren Comic-Charakteren, aber auch das hat Tradition im Schauwert- und Spektakelkino. Sinnigerweise hat das seinen Ursprung in den 1970er Jahren, als sich in Legionen von Katastrophenfilmen Legionen von Stars tummelten und außer staunen, rennen und bluten kaum etwas zu tun bekamen. „Skull Island" ist in dieser Hinsicht ähnlich naiv und verströmt mehr noch wie Roland Emmerichs Desaster-Orgien einen ansteckenden Retro-Charme.
Die Bezüge zum Vietnamfilm-Klassiker „Apocalypse Now" wurden ja bereits erwähnt, man sollte diese zweifellos gewollte Referenz aber nicht überinterpretieren. Klar gibt es auch hier eine Reise in die Finsternis, auch die führt auf einem sumpfigen Fluss durch unwegsames Gelände und vorbei an diversen tödlichen Begegnungen. Ob Hubschrauberangriff (mitsamt dröhnender Musik und vor blutrotem Sonnenball), Vietnamkrieg-erfahrene US-Soldaten, oder einem monströsen König huldigende Eingeborene, Vogt-Roberts ist nicht gerade subtil in seiner Zitierfreude und offenbar fast schon kindlichen Begeisterung für Coppolas Mammutwerk. Und gerade deshalb machen die Parallelen auch so viel Spaß. Sie mögen oberflächlich, vielleicht auch schamlos sein, aber sie passen. Und hey, Oberflächlichkeit, Schamlosigkeit und ein fröhliches Pfeifen auf jegliche Subtilität ist genau das, was einen guten Monsterfilm ausmacht. Der besteht aus Budenzauber, Jahrmarktattraktionen und Achterbahnfahrten. „Skull Island" befeuert bestimmt keine Filmkunstdiskussionen, aber er verbreitet Oktoberfeststimmung - und zwar monstermäßig.