Zeitreisen sind nicht nur im Kino, sondern auch im Fernsehen immer mal wieder ein Erfolgsrezept – man denke an „Seven Days“ oder „Zurück in die Vergangenheit“. „Timeless“ schlug in die gleiche Kerbe, wurde zwar erfreut aufgenommen, war allerdings bei den Quoten nicht beliebt genug, sodass die Macher selbst um eine zweite Season und eine finale Doppelfolge kämpfen mussten, ehe die Serie zu einem endgültigen Abschluss zu bringen.
Hauptfigur Nr. 1 ist die Historikerin Lucy Preston (Abigail Spencer), die von Geheimdienstmitarbeitern für einen Sonderauftrag angeworben wird. Zeitreisen sind dank einer Erfindung des Industriellen und Erfinders Connor Mason (Paterson Joseph) möglich. Dummerweise hat der Ex-NSA-Mann und jetzige Terrorist Garcia Flynn (Goran Visnjic) das gute Stück, das Mothership, geklaut und will in der Geschichte rumpfuschen. Zur Verfolgung gibt es nur noch einen Prototyp, das Lifeboat, das Platz für drei Personen hat. Lucy soll dem Einsatzteam mit dem akkuraten Auftreten in der jeweiligen Epoche helfen. Besagtes Team besteht neben ihr aus Hauptperson Nr. 2 und 3: Mason-Mitarbeiter Rufus Carlin (Malcolm Barrett) als Pilot des Lifeboat und Ex-Elitesoldat Wyatt Logan (Matt Lanter) als Mann fürs Grobe.
„Timeless“ ist eine jener Mischungen aus Fall der Woche und übergreifender Erzählung, vor allem in der ersten Staffel. Quasi jede Folge geht es in eine neue Epoche, in der Flynn etwas an der Geschichte verändern will, zu wichtigen Knotenpunkten wie dem Absturz der Hindenburg oder der Ermordung von Abraham Lincoln. Gleichzeitig wird schon von Folge 1 an klargemacht, dass mehr hinter der Sache steckt. Flynn passt Lucy ab und eröffnet ihr, dass er durch sein Eingreifen eine Geheimorganisation namens Rittenhouse aufhalten will. So drehen sich die viele Fragen darum, ob es die Verschwörer wirklich gibt (nach der Logik einer solchen Serie natürlich: ja), wer dazu gehören könnte und inwieweit Flynn Lucy die Wahrheit sagt oder sie bloß manipuliert. Denn bei all seinen hochtrabenden Beweggründen und seiner persönlichen Motivation (Rittenhouse soll für den Tod von Flynns Familie verantwortlich sein), ist der Ex-Agent ein skrupelloser Killer, der für sein (angebliches) Weltenrettungsziel ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen geht.
Tatsächlich gehört Garcia Flynn zu den stärksten Figuren der Serie, ist vielleicht sogar das Highlight. Er ist stets so skrupellos, dass man ihn in der Schurkenrolle sieht, zeigt aber gleichzeitig so viel Charisma und positive Momente, dass man ihm auch den fehlgeleiteten Kreuzritter abkauft. Und selbst nachdem klar ist, was davon er wirklich ist, kann die Serie seine Ambivalenz zu einem gewissen Grad immer noch bewahren. Dass er mit sarkastischem bis zynischem Witz Punkte sammelt, kommt noch hinzu. Gleichzeitig erscheint er als das fiese Gegenstück von Wyatt: Auch der ist ein Killer im Staatsauftrag, auch der hat einen schweren Verlust zu verkraften, denn seine Frau wurde vor Jahren unter ungeklärten Umständen ermordet. So haben beide Motivation den Lauf der Geschichte zu verändern, obwohl dies nach Zeitreiselogik natürlich falsch ist. Umgekehrt sieht es für Lucy aus: Am Ende der ersten Folge muss sie feststellen, dass ihr Eingreifen zwar eine große Katastrophe verhindert hat, aber dass schon eine kleine Änderung dafür sorgte, dass ihre Schwester in der neuen, alternativen Realität nie geboren wurde. Dementsprechend diskutiert die Serie stets das Richtig und das Falsch vom Beeinflussen der Geschichte, ohne dabei jedoch zu thesenhaft zu wirken.
Zudem baut die Serie den Zeitreise-Verschwörer-Mainplot mit zahlreichen Nebenhandlungssträngen aus. Da gibt es mehr oder weniger vertrauenswürdige Vorgesetzte, da gibt es Andeutungen von Liebeleien. So erhält man den Eindruck, dass Lucy und Wyatt nach obligatorischem anfänglichem Zank nicht nur beruflich ein gutes Duo abgeben würden, während sich Rufus auf eher unbeholfene Nerd-Art für seine Kollegin Jiya Marri (Claudia Doumit) interessiert. Es gibt familiäre Verstrickungen in die Verschwörung und es gibt natürlich die erwähnten Wunden der Vergangenheit, die der eine oder andere Charakter gerne ausmerzen würde. So geraten Lucy und Wyatt nicht nur aneinander, weil seine Erst-Schießen-dann-Fragen-Attitüde nicht unbedingt zum möglichst verdeckten Ermitteln in der Vergangenheit passt, sondern auch deshalb, weil der Ex-Delta-Force-Mann immer wieder nach Wegen sucht, um den Tod seiner Frau doch noch ungeschehen zu machen.
Zu den Hauptattraktionen gehören aber die Möglichkeiten, die das Zeitreiseszenario bietet, wodurch jede Folge eine andere Epoche besucht wird und sich die Möglichkeiten für Genrespielereien bieten. So mag eine Episode eher ein Western sein, eine andere ein Spionagethriller im Zweiten Weltkrieg und wieder eine ein Gangsterfilm zur Zeit der Prohibition. Man läuft historischen Figuren wie John F. Kennedy, Marie Curie oder Ian Fleming über den Weg, was für Geschichts-Trivia und ein paar kleine Witzeleien zu diesen bedeutenden Menschen gut ist. Ebenso dürfen sich Ausstattungs- und Location-Crew ordentlich austoben, wenn sie die Hexenprozesse von Salem oder den Watergate-Einbruch wieder aufleben lassen. Das sorgt für vielfältige Szenarien, inhaltlich wie visuell, womit „Timeless“ zu einer relativ abwechslungsreichen und aufwändigen Serie wird. Etwas Action in Form von Schießereien oder Nahkämpfen zwischen den verfeindeten Parteien steht auch eigentlich jede Folge an, manchmal wird es auch hier etwas ausufernder, etwa wenn sich eine Episode in das belagerte Alamo begibt. Zwecks Stilsetzung engagierte man für die Inszenierung der ersten beiden Episoden dann auch den Genre-Experten Neil Marshall, der nach diversen Kinohits in den Vorjahren besonders gefeierte Folgen der Serien „Game of Thrones“ und „Hannibal“ in Szene gesetzt hatte.
Tatsächlich schwächelt „Timeless“ dann eher in der zweiten Staffel, wenn die Hintergrundgeschichte, die sich „The Shield“-Mastermind Shawn Ryan und „Supernatural“-Schöpfer Eric Kripke als Creators ausgedacht haben, verstärkt in den Vordergrund tritt. Das Hin und Her zwischen der Lifeboat-Mannschaft und ihren Gegnern tritt ein wenig auf der Stelle, viele Dinge wiederholen sich, etwa wenn eine bestimmte Feindin Lucy wieder und wieder am Leben lässt, während eine andere Feindin Lucy am liebsten direkt um die Ecke bringen möchte. Vor allem bleiben Verschwörung und Verschwörer ein wenig nebulös: Einerseits ist es ein riesiges Netzwerk mit unheimlichen Ressourcen, andrerseits sind es trotzdem immer wieder die gleichen drei, vier Nasen, mit denen sich die Lifeboat-Crew herumschlagen muss. Alle anderen Helferlein der Bösen haben meist die Aufgabe noch vor Ende der besagten Folge über den Jordan zu gehen. Manche dramatische Entwicklung hängt ein wenig in der Luft (etwa die Folgen eines nicht ganz planmäßigen Zeitreisetrips) und wird nicht richtig entwickelt – vielleicht hatten Kripke und Ryan doch noch auf eine dritte Staffel gehofft, die es dann nicht gab. Doch durch diese erzählerischen Stolperer wird der Eindruck von „Timeless“ geschwächt, das seine starken Momente oft eher dann hat, wenn es die jeweilige Folge inklusive historischer Epoche und eventuellen Genreeinflüssen so richtig zelebriert.
Doch auch wenn „Timeless“ nicht sein volles Potential entfaltet, so ist das Ganze doch ein launiges Zeitreiseabenteuer, das seine Plotte auch mit gewissem Augenzwinkern präsentiert – nicht umsonst sind die Hauptfiguren nach jenen aus „Bill & Ted’s verrückte Reise durch die Zeit“ benannt: Bill S. Preston, Ted Logan und Rufus, letzterer dereinst gespielt von George Carlin. Auch sonst gibt es oft mal ein Augenzwinkern angesichts der überkomplizierten Hintergrundgeschichte oder kleinere humoristische Einlagen, etwa wenn nicht alles am Zielort bzw. in der Zielzeit so funktioniert, wie man es sich nach dem Studium der Geschichtsbücher gedacht hat. Da muss dann schon mal der Nerd einen auf harter Mann machen, weil eine Verwechslung vorliegt. Dies lockert das Geschehen auf, ohne es gleich so ulkig oder komödiantisch werden zu lassen, dass man es nicht mehr ernst nimmt.
Für die witzigen Einlagen sorgen dann meist Malcolm Barrett als hypernervöser Pilot und Claudia Doumit als sein potentielles Love Interest, die sich gern mit „Star Wars“/„Star Trek“-Fehden foppen können, aber nie zu reinen Comedic Sidekicks werden. Matt Lanter überzeugt als seelisch versehrter Mann der Tat, Abigail Spencer als Kopfmensch mit Zeitschutzkonzepten, welche auf eine harte Probe gestellt werden. Goran Visnjic hat die dankbarste Rolle als faszinierender Garcia Flynn und füllt diese prächtig aus, während Sakina Jaffrey und Paterson Joseph guten Support in den wichtigsten Nebenrollen bieten. Einprägsame Auftritte haben auch Annie Wersching und Tonya Glanz in wiederkehrenden Parts, während der Rest vom Fest wenig einprägsam ist. Da wäre der eine oder andere markante Auftritt mehr sicher gut gewesen, da sich manche Schurkenfigur dann eher als Luftpumpe erweist.
Für einen ganz starken Auftritt schwächelt die Hintergrundgeschichte von „Timeless“ dann vor allem in Staffel 2 etwas, gerade wenn manche Einzelfolge dann im Vergleich nicht mehr ganz so phantasievoll ist und sich manche Elemente etwas wiederholen. Doch ein recht kurzweiliges Zeitreiseabenteuer mit gut besetzten und gut gespielten Hauptfiguren (allen voran Goran Visnjic) ist Ryan und Kripke schon gelungen, nette Abendunterhaltung ohne das Potential zur ganz großen Oberliga, aber schick ausgestattet und mit Spaß an Genrespielerei und historischer Fabuliererei.