Oft genug fielen die Endresultate gar nicht mal so verkehrt aus, wenn sich genrefremde Regisseure an Italowestern versuchten, kamen doch oftmals brauchbare Filme dabei heraus, die zumindest teilweise mit den gängigen Konventionen brachen und frischen Wind in das staubige Genre brachten. Einige absolute Rohrkrepierer waren natürlich dabei, Abwechslung angesichts der immer selben Leitmotive aber willkommen.
Mario Bianchi („Provinz ohne Gesetz“, „Sexorgien im Satansschloss“) begann seine Karriere sogar auf diesem Gebiet und gehörte damit auch zu den unverbrauchten Filmemachern, gab seinen Einstand aber unglücklicherweise erst Anfang der Siebziger, als das Genre sich bereits auf dem absteigenden Ast befand und sämtliche Geschichten hinreichend erzählt worden waren.
Aufmerksamkeit erhascht „Sing mir das Lied der Rache“ deswegen auch eher aufgrund anderer Tugenden. Die explizite Darstellung von Gewalt in Form von blutigen Einschüssen oder grafische Foltereinlagen mit glühenden Brandeisen und verschmorten Hautpartien kennt man so detailliert eher seltener aus diesem Genre, das nie einen zimperlichen Umgangston pflegte, aber insgesamt nur in Ausnahmefällen die Ergebnisse gleich so offensiv zur Schau stellte.
Dem rauen, düsteren Bildern kommen diese Elemente immerhin entgegen und auch das Thema lädt mal wieder nicht zu fröhlicher Heiterkeit ein.
Dass dieser Italowestern auf wahren Tatsachen beruhen soll, verkommt relativ schnell zur Randnotiz, findet sich der Zuschauer doch umgehend in einem zutiefst klassischen Szenario wieder.
Jeff Mulligan (mit Porno-Rotzbremse: Sergio Ciani, „Herkules im Netz der Cleopatra“, „Triumph der Giganten“), Captain der Nordstaaten-Armee, muss nach dem Bürgerkrieg renegate Soldaten der Südstaaten-Armee durchs Land jagen, die sich zu Banden zusammengeschlossen haben und nun die Bevölkerung drangsalieren. Machedo (William Berger, „Der Gefürchtete“, „Keoma“) ist der Schlimmste von allen, überfällt mit seinen Männern sogar Mulligans Stützpunkt und massakriert dort alle Soldaten. Mulligan selbst pflockt er an, schießt ihm in die Schusshand und lässt ihn schwer verletzt zurück, weil der seinen Bruder auf dem Gewissen hat. Natürlich ein folgenschwerer Fehler, weil der entgegen aller Vermutungen Machedos, aber konform mit allen gängigen Genreregeln, überlebt, flugs nach seiner Genesung in die nächstbeste schwarze Kutte schlüpft, einen Kotzbalken in den Mundwinkel schiebt und nach Rache lüstert...
Nun wurde mit Sandalen-Hengst Sergio Ciani leider ein komplett fehlbesetzter Darsteller für die Hauptrolle gecastet, der vielleicht gut Schwerter schwingen, seine Muskeln in die Kamera halten und mit Pappmache-Steinen um sich werfen kann, als schweigsamer Fremdling so ganz ohne Charisma, Emotionen oder zumindest einen passenden Spruch in der richtigen Situation nicht ansatzweise einen Fuß auf den Boden bekommt. William Berger passt dagegen auch nicht ideal in seine Rolle, macht aber das Beste daraus und fährt wenigstens mit schöner Regelmäßigkeit so richtig aus seiner Haut. Bekanntere Nebendarsteller wie Frank Braña oder Francisco Sanz haben dagegen in ihren Nebenrollen nicht viel mehr zu tun als Befehle auszuführen und zu gehorchen.
Obwohl die tristen Locations alle etwas zu grün und dicht bewuchert sind, punktet der Film mit seinen kargen Kulissen, den ausgestorbenen, abbruchreifen Städten und dem ewig dicht bewölkten Himmel, auf dass kein Sonnenstrahl zum Vorschein kommen soll. Eine düstere Atmosphäre kann man „Sing mir das Lied vom Tod“ somit nicht absprechen.
Mario Bianchi beherrscht sein Handwerk, lässt während der Schießereien jedoch Dynamik vermissen und kann die Story auch nicht so recht Fahrt aufnehmen lassen. Dazu tragen auch der unkonventionelle Score, der oft genug nicht zu den Szenen passt, und das falsche Spiel mit der Erwartungshaltung der Zuschauer ihren Teil bei. Mulligan zunächst nur schemenhaft als schwarzen Umriss zu zeigen, ist optisch eine nette Idee, doch jeder halbwegs erfahrene Zuschauer kann sich unschwer ausmalen, wer da zunächst nur beobachtet und sich passiv verhält.
Wenigstens kommt der raue Ton dabei nicht zu kurz. Die legendäre Spuckeinlage ist zwar eine widerliche Angelegenheit, aber dann schon wieder so kurios überzogen, dass man sie mal gesehen haben sollte. Auch Machedos Umgang mit seinen eigenen Männern, die trotz Unschuld schon mal nach allen Regeln der Kunst bis hin zu den Genitalien gefoltert und dann abgeknallt werden, ist nicht von schlechten Eltern. Überhaupt findet Berger hier ziemlichen Gefallen an seiner grausamen Figur, die seinen Gegnern Tinte eintrichtert, sie foltert, erniedrigt oder eben verkrüppelt.
Die Vorbereitungen auf den zweiten und natürlich finalen Zusammenprall von Mulligan und Machedo sind von leider allzu bekannter Natur und auch nicht besonders enthusiastisch in Szene gesetzt. Mulligan nimmt Machedo und seinen Männern nach einem Banküberfall die stattliche Beute ab, wird dafür von ihnen gefangen genommen und wieder freigelassen. Weil er nicht redet, wollen sie ihm folgen, um wieder in den Besitz der Beute zu bekommen. Dabei fallen sie ohne es zu wissen wiederum auf seinen Köder herein. Machedo und seine Männer landen in einer Geisterstadt, die den Schauplatz für das finale Duell darstellt und Mulligans Rachedurst endlich stillt. Aufgrund seiner Behinderung müssen dort ein paar Tricksereien helfen, um ihm gegenüber der zahlenmäßig überlegenen Gegner einen Vorteil zu verschaffen.
Bis zum Finale gefällt Bianchis Inszenierung. Sogar den Showdown und das Duell zwischen Machedo und Mulligan zelebriert er recht zünftig, ohne es leidenschaftlich auszukosten, aber das bekamen eben nur die wenigsten Italowestern-Regisseure hin. Positiv lässt sich vermerken, dass der Film trotz seines relativ späten Entstehungszeitpunkts nahezu gänzlich auf humorige Mätzchen verzichtet und sich deshalb genauso gut in die Sechziger einordnen ließe. Der Härtegrad erweist sich als ungewohnt, aber nicht superselten. Ein paar Szenen, wie die fliegende Mistgabel, gehen jedoch schon ordentlich zur Sache. So wie Bianchi beim Spannungsaufbau versagt, überzieht er die plakativen Folterszenen beziehungsweise den komplett selbstzweckhaften Stellungskrieg auf der Matratze.
Die Gewaltspitzen können dabei aber nie davon ablenken, dass es inhaltlich leider sehr konventionell zugeht, der Ablauf einfach zu vorhersehbar ist und die Handlung sich zur Filmmitte ganz schön schleppt. Das Konzept wird bis dahin durchschaut. Dass das Publikum spätestens dort weiß wie der Hase läuft und worauf das Szenario hinaus will, macht „Sing mir das Lied der Rache“ auch nicht gerade attraktiver.
Fazit:
Mario Bianchi macht seine Sache ganz ordentlich. Seine Experimentierfreudigkeit wirkt sich allerdings nicht immer positiv auf seine Inszenierung aus. Dass er darüber hinaus nicht über die Finessen verfügt den extrem konventionellen Stoff attraktiver und kurzweiliger umzusetzen, sei ihm verziehen, die Fehlbesetzung der Hauptrolle hingegen nicht.
Wengistens der eingängige Titelsong „That Man“ geht ins Ohr und auch William Berger hatte mal wieder Lust auf eine Bösewichterrolle. Die triste Optik kitzelt daneben genügend Atmosphäre aus dem Film, so dass es insgesamt noch gerade so zu einem überdurchschnittlichen Italowestern reicht, der wohl aufgrund seines Gewaltpegels mehr Aufmerksamkeit erhält als er eigentlich verdient.
P.S.: Kann mir mal einer verraten, was diese ewigen Schlagschrauber-Geräusche im Finale zu bedeuten haben?