Review

iHaveCNit: Silence (2017)

„Andrew Garfields christlicher Leidensweg in Japan Teil 2“

Scorsese polarisiert – die einen halten ihn für total überbewertet, die anderen halten ihn für einen der letzten großen Regisseure. Dann gibt es noch einige, die die zeitlichen Epochen seiner filmischen Werke aufteilen und entweder für oder wider dem frühen Scorsese oder dem neuen Scorsese sind. Ich persönlich möchte mich hier nicht festlegen. Sein neuester Film, „Silence“ ist eine Herzensangelegenheit von ihm gewesen. Der Film basiert auf dem Roman Chinmoku des japanischen Autors Shusaku Endo, welcher ebenfalls lose auf wahren Begebenheiten fußt. Chinmoku wurde bereits in den 70ern in Japan verfilmt und Scorsese hat sich bereits in den 90ern für eine Neuverfilmung interessiert, bis er nun endlich den Film fertigstellen konnte.

Im Film geht es um den damals reell existierenden Portugiesen Pater Cristovaro Ferreira, der in Japan eigentlich den christlichen Glauben missionieren wollte und durch die dortige Verfolgung und Folter der Christen letzten Endes vom Glauben abgefallen ist. Zwei ehemalige Schüler, die ebenfalls Pater sind, Sebastiao Rodrigues und Francisco Garrpe machen sind auf nach Japan, um den christlichen Glauben zu verbreiten und Pater Ferreira zu finden. Damit machen sich beide auf einen aufgrund der dortigen Lage sehr beschwerlichen und gefährlichen Weg.

Silence ist extrem stark – aber auch polarisierend. Ich habe selten einen Film gesehen, der sich auf so unglaublich komplexe Weise mit dem Glaubensthema auseinandergesetzt hat, sich aber erfrischenderweise sehr ambivalent zurückhalt und einem nicht per Holzhammer eine klare Meinung für oder wider dem einen oder anderen Glauben abverlangt. JEDER glaubt an etwas, selbst Atheisten glauben daran, dass sie an nichts glauben. Um dem Film etwas abgewinnen zu können, ist es egal, an was man glaubt. Ich selbst bin als Protestant geboren und im Laufe meiner relativ unchristlichen und unreligiösen Erziehung habe ich in der Schule die Lehren von Ludwig Feuerbach im Religionsunterricht für ein Referat aufbereiten müssen und bin seitdem Anhänger und Verfechter von Feuerbachs Lehren. Gott ist keine Person, die man Jesus, Allah, Krishna, Buddha und so weiter nennen kann, Gott ist das personifizierte Spiegelbild eines jeden von uns selbst in Perfektion. Wenn wir nun also zu Gott beten, er möge uns in schwierigen Situationen beistehen und uns helfen, Ziele zu erreichen – wissen wir, dass er unser personifiziertes und perfektioniertes Spiegelbild ist. Wir glauben damit nicht nur an Gott, sondern auch an uns selbst. Das ist mein Glauben, an dem sich meine gesamte Disziplin und Willenskraft orientiert.

Silence – Ruhe, Stille, Schweigen – In der Ruhe liegt die Kraft – denn Ruhe, Stille, Schweigen können nicht nur Erlösung darstellen, sondern auch die zermürbendste Art der Folter sein. Wer sich auf den Weg macht, „Silence“ anzusehen, muss sich zwangsläufig die Frage stellen, ob man sich vollends auf den Film einlassen kann – denn der Film nutzt genau seine Ruhe als treibendes Stilmittel. Die Laufzeit von 160 Minuten ist definitiv spürbar. Dialoge und Phasen der absoluten Ruhe wechseln sich ab. Der nahezu gänzliche Verzicht auf Filmmusik lässt den Bildern allein die Kraft zu wirken und sich ins Mark zu brennen. Und die eingefangenen Bilder in ihrer Komposition sind einfach stark geworden. Hier muss ich sagen, dass Rodrigo Prieto sehr gute Arbeit geleistet hat. Die Gewaltdarstellung ist extrem hart und eindringlich. Der Film lässt sich enorm viel Zeit – Zeit, um seine Bilder die volle Wirkung entfalten zu lassen – Zeit, den Leidensweg und die charakterliche Entwicklung eines Andrew Garfield darzustellen. Bevor ich den Film gesehen habe, habe ich mir die Frage gestellt, ob Andrew Garfield für den falschen Film eine Oscarnominierung erhalten hat. Und diese Frage kann ich mir jetzt mit JA beantworten. Sein Charakter muss hier einen enormen Leidensweg und eine Charakterentwicklung durchmachen, bei der der etwas konstante, klassisch amerikanische Heldencharakter aus „Hacksaw Ridge“ definitiv nicht mithalten kann. Vor „Silence“ und „Hacksaw Ridge“ habe ich Garfield nur in „Lions for Lambs“ und „Social Network“ gesehen und finde es als absoluten Glücksgriff, dass seine Spiderman-Karriere vorzeitig abgebrochen ist, denn so kann er sich auf mittelgroße Produktionen mit großen Regisseuren einstellen und sein volles Potential abrufen. Unabhängig davon, wie wichtig in der Handlung z.B. ein Tadanobu Asano, Liam Neeson und Adam Driver sind, ist dies klar der Film eines Andrew Garfield.

Aus gesellschaftlicher Sicht ist das Thema der Christenverfolgung auch heute noch brandaktuell, wenn man sich die Begebenheiten im nahen Osten ansieht – In Syrien z.B. werden Christen noch immer verfolgt. Ich finde es wichtig, dass man seinem Glauben überall nachgehen darf, wo man will – und nicht dafür verfolgt gefoltert und getötet werden sollte. Man sollte trotz dem ganzen Terror und der Flucht nicht versuchen, den Diskurs destruktiv mit Isolation zu begegnen, sondern konstruktiv und gemeinsam die Konflikte angehen. Allein aus diesem Blickwinkel ist der Film nahezu zeitlos und wichtig geworden.

Ich glaube, dass meine Wertung für diesen Film genauso polarisierend sein wird, wie der Film, sein Thema oder sein Regisseur selbst. Dieser Leidensweg ist wohl aufgrund seiner erdrückenden Ruhe und Stille eine der härtesten Kinoerfahrungen der letzten Zeit gewesen. Und dieser Film wird bei mir noch lange nachhallen.

„Silence“ - My First Look – 10/10 Punkte.

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