Horrorfilme dürften schon immer insbesondere für ein jugendliches Publikum eine reizvolle Attraktion gewesen sein. Der Teenie-Horrorfilm, der sich mit jugendlichen Protagonisten explizit an ein jugendliches Publikum richtet, ist indes ein Phänomen, das erst in den 50er Jahren zu einer veritablen Modeerscheinung geraten ist. Mit Herbert L. Strocks "I Was A Teenage Frankenstein" (1957) und Gene Fowler Jr.'s "I Was a Teenage Werewolf" (1957) waren gewissermaßen die Prototypen entstanden, derweil die aufkommenden Horrorfilme der Hammer-Studios mit ungeahnter Direktheit der Gewalttätigkeiten ein jugendliches Publikum anzogen, welches sie anderthalb Dekaden später mit Filmen wie "Dracula A.D. 1972" (1972) direkt adressierten, indem sie ihren gothic horror mit dem Einfluss der Swinging Sixties und einer (unpolitischeren) Jugendbewegung der 68er verbanden.
Zugleich hatte ab 1968 ein moderner Horrorfilm eingesetzt, der zumeist nicht mit Blick auf eine jugendliche Hauptzielgruppe angefertigt worden war. Der Teenie-Horrorfilm ebbte wieder ab und kehrte erst Ende der 70er Jahre mit einer zunehmenden Dominanz des Slasherfilms zurück, um die 80er Jahre weitestgehend zu dominieren. Inmitten dieser Slasher-Mode blühten auch direkte Verweise auf die Teenie-Horrorfilm-Welle der 50er Jahre wieder auf: "Teen Wolf" (1985) oder "I Was a Teenage Zombie" (1987) näherten sich der eigenen Beschaffenheit entsprechend ironisch. Mit dem Auslaufen des Slashers – etwa datierbar auf "Friday the 13th Part VIII: Jason Takes Manhattan" (1989), nach welchem die langjährige Reihe nach acht Filmen und zehn Jahren erstmals längerfristig pausierte, um nach neuen Richtungen Ausschau zu halten – rückten die gereifteren Vertreter des Genres wieder etwas mehr in die kollektive Aufmerksamkeit: harter, kompromissloser, grimmiger Horror gegen Ende der 80er Jahre ("The Fly" (1986), "Henry: Portrait of a Serial Killer" (1986), "Hellraiser" (1988) und generell der Clive-Barker-Horror bis "Candyman" (1992)), der Boom der Serienkiller-Filme in den 90er Jahren ("Silence of the Lambs" (1990), "Se7en" (1995), "Copycat" (1995)) oder das in der A-Liga angesiedelte Revival des gothic horrors ("Bram Stoker's Dracula" (1992), "Mary Shelley's Frankenstein" (1994) und ansatzweise "Interview with the Vampire: The Vampire Chronicles" (1994)).
Wes Craven, einer der prägenden Regisseure im Subgenre des Slashers, belebte ebendieses Subgenre mit "Scream" (1996) neu. Der etwa zehn Jahre unscheinbar gebliebene Teenie-Horror blühte erneut auf und erfand sich einmal mehr neu: ironische Neo-Slasher (die teils den klassischen Slasher-Reihen neuen Aufwind verliehen und sich etwa bis in die frühen 00er Jahre zogen, um ab "Scream 4" (2011) als parodistische Varianten à la "The Final Girls" (2015) oder "Happy Death Day" (2017) erneut aufzuleben) und spektakulär-effekthascherische Nummernrevuen wie "Final Destination" (2000) dominierten die Jahre um die Jahrtausendwende, ehe sich ab 2003 der nihilistische Terrorfilm durchsetzte.[1]
In das Jahr, in welchem dieser neue Terrorfilm mit "Texas Chainsaw Massacre" (2003), "House of 1000 Corpses" (2003) und "Haute tension" (2003) einsetzt – es folgten "Saw" (2004), "Hostel" (2005), "Wolf Creek" (2005), "The Hills Have Eyes" (2006) und die ganzen dazugehörigen Sequels! – fällt auch "Darkness Falls", das Langfilmdebüt des eher wenig talentierten Jonathan Liebesman. Dieser Film bereitet noch nicht diese kommende Welle vor (der Liebesman später sein "Texas Chainsaw Massacre: The Beginning" (2006) beisteuern sollte), sondern knüpft eher [Achtung: Spoiler!] an die rächenden Geister an, die in "Thir13en Ghosts" (2001), "Ghost Ship" (2002) und "House on Haunted Hill" (2003) vor allem (und in Tim Burtons "Sleepy Hollow" (1999) unter anderem) auf Jugendliche zugeschnitten worden waren. (Auch mit "Ringu" (1998) oder "The Ring" (2002) ließe sich der Film vergleichen, würden sich diese Filme nicht ambitionierter und seriöser geben und sich um ein breiteres Publikum bemühen.)
"Darkness Falls" ist ein recht sonderbarer Abkömmling dieses Trends: Das Drehbuch scheint nämlich eher ein gereifteres Publikum anvisiert zu haben, das einerseits auf die eigenen kindlichen Wurzeln zurückzublicken bereit und andererseits auf eventuelle eigene Kinder zu blicken in der Lage ist. Teenager werden hier empfindlich ausgeklammert; es gibt auf den ersten Blick auch keine typischen Coming-of-age-Themen, wohl aber eine erwachsene Hauptfigur, die ein eigenes Kindheitstrauma noch nicht verarbeitet hat und es gemeinsam mit dem traumatisierten kindlichen Bruder der einstigen Kindheitsfreundin austherapieren muss.
Zugleich aber lebt der (in knappen 75 Minuten entfaltete) Stoff keinesfalls von ambitionierten Charakterzeichnungen, sondern eher von reißbrettartigen Stereotypen, Schablonen und populären Versatzstücken des ausschließlich kommerziell orientierten Trend- & Modefilms im Horrorgenre, der eher ein jugendliches Publikum lockt. Hinzu gesellt sich eine entsprechende Inszenierung, welche den Stoff vor allem auf seine trivialsten Aspekte reduziert – womit der Film letztlich trotz fehlender Teenager durchaus typische Charakteristika des Teenie-Horrorfilms aufweist (welcher mit Filmen wie "A Nightmare on Elm Street" (1984) oder "Ginger Snaps" (2000) natürlich durchaus auch seine Perlen aufzuweisen hat, wie fairerweise zu attestieren wäre). Geschrieben für eine breite Schicht, inszeniert – so macht es den Anschein – für die Teens.
Reißbrettartig ist etwa die Betonung der wahren Begebenheit, die mit "The Blair Witch Project" (1999) einen ganz unerwarteten Siegeszug an- und eine wahre Welle losgetreten hatte und sich zeitgleich auch in Nispels "Texas Chainsaw Massacre" finden ließ. Wie "The Blair Witch Project" bemüht sich "Darkness Falls", der auf mockumentary-Züge freilich völlig verzichtet, um einen authentischen Rahmen, indem dem Film mit "The Legend of Matilda Dixon" (2003) eine Fake-Doku an die Seite gestellt worden war, die über die vermeintlich echte Legende der Zahnfee in Port Fairy informieren sollte.
Die Zahnfee-Legende, so will es diese Kurzfilm-mockumentary, gehe auf eine Frau namens Matilda Dixon zurück, welche Mitte des 19. Jahrhunderts als kinderlose Witwe den Kindern der Umgebung Süßigkeiten für ausgefallene Milchzähne schenkte. Ein Brand habe schließlich ihr Gesicht verunstaltet – woraufhin sie sich mit einer Porzellanmaske maskierte und ihr Haus nur noch zu Beginn der Dunkelheit verließ. Als zwei Kinder verschwanden, vermutete man in der entstellten Außenseiterin die Täterin und lynchte sie, ehe die vermissten Kinder unversehrt zurückkehrten. Bei einer Verlegung des Friedhofs sei später ihr Leichnam spurlos verschwunden – und in den Folgejahren seien dann immer wieder Kinder verschollen, wofür man die tote Matilda Dixon verantwortlich gemacht habe. Erst nach einer Ehrerweisung gegenüber der Toten hätten diese Vorfälle schließlich aufgehört.
Der Film rafft nun diese vermeintliche – ins fiktive Darkness Falls verlegte – Legende innerhalb einer dreiminütigen Prätitelsequenz, in welcher lodernde Flammen in gülden-sepiafarbenen Großaufnahmen innerhalb einer scheinbar antiquierten Wohnung diverse Utensilien zerstören: Fotografien von Matilda Dixon und den Kindern des Ortes sowie Einmachgläser voller Milchzähne. Dabei wird die hausgemachte Pseudo-Legende etwas variiert: Dixon sei bei ihrer Hinrichtung demaskiert worden, woraufhin sie die Einwohner verflucht habe. Und die Zahnfee nehme sich die letzten Milchzähne der Kinder von Darkness Falls und räche sich an jenen, welche sie dabei erblicken würden. Ein schmucker Funkenregen macht schließlich leinwandfüllender Schwärze Platz, auf welcher dann der Filmtitel eingeblendet wird.
Es folgt ein Prolog mit der noch kindlichen Hauptfigur. Wo ambitioniertere Filme sich eine Laufzeit von 100 Minuten leisten würden, um die Figur einzuführen und ihr Trauma auch für das Publikum einfühlsam auszubreiten, agiert Liebesman nach dem Buch dreier Autoren wie ein Kurzgeschichtenautor. Gleich in der zweiten Einstellung nach der Titeleinblendung (und nach einer eher willkürlichen Überblendung, die ihn geisterhaft am Waschbecken der Schultoilette der vorangegangenen Einstellung erscheinen lässt) verliert der junge Kyle seinen letzten Milchzahn. Eine Minute später ist im Elternhaus die Nacht angebrochen. Auftritt der offenbar alleinerziehenden Mutter, die ihrem Sohn einen Nachtkuss gibt und ihn auffordert, seine Schulkameradin Caitlin zum Schullball einzuladen. In der nächsten Minute ist dann ebendiese Caitlin durch das offene Fenster bei Kyle eingestiegen. Eine Minute später hat sie Kyle darüber informiert, dass er nach dem Verlust seines letzten Milchzahns nun kein Kind mehr sei. Anschließend überwindet sich der Junge und fragt das Mädchen, ob es ihn zum Ball begleiten werde. Sie – offenbar selbstsicherer – hatte die Frage bereits erwartet. Es folgt ein zaghafter (erster?) Kuss – kurz auf den Mund, dann auf die Wange: schließlich "sollte es nicht nach Blut schmecken". Wieder ist eine Minute vergangen, Caitlin hat sich mit neckischem Hinweis auf die Zahnfee verabschiedet und nun folgt der obligatorische Horrorteil des Prologs. Kreischend wie eine Banshee lässt die Zahnfee aus dem Off Kyle im Bett hochschrecken. Schummerige Lichtverhältnisse, finstere Schatten und das Mondlicht an der Wand, das wegen des Regenwassers auf der Fensterscheibe für allerlei Bewegungen an der Zimmerwand sorgt, liefern in Verbindung mit diffusen Bewegungen unerklärlicher Schatten und etlichen Großaufnahmen für sanften Schauer. Kyle tastet nach seiner Taschenlampe und lässt kurz darauf die matte Porzellanmaske der Zahnfee hell erstrahlen, die hinter seiner Bettdecke gelauert hat und nun vom Licht der Lampe verscheucht wurde. Dieser Mummenschanz hat weitere zwei Minuten gedauert. Zweiter und letzter Auftritt der Mutter, die ihrem Sohn zeigen will, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben – und sogleich in hektisch montierter Sequenz vom schwarz gewandeten Rachegeist mit weiß-grauer Maske heimgesucht wird. Der Junge flieht ins hell erleuchtete Badezimmer, verschanzt sich in der Wanne, die Kamera gleitet durch die offene Tür in den düsteren Vorraum, an dessen Decke oberhalb der Badezimmertür das gespenstisch flatternde Wesen lauert. Drei weitere Minuten sind um und der Prolog endet am Folgetag im Freien: Kyle wird als tatverdächtiges Problemkind abtransportiert, Caitlin schaut ihm verstört nach, während ein Mann ihren Namen ruft. Die erwachsene Caitlin antwortet ihm im Korridor eines Krankenhauses, in welchem sich ihr kleiner Bruder wegen akuter Nyktophobie aufhalten muss. Nach einer Viertelstunde Laufzeit und (mindestens) zwölf Filmjahren erhält schließlich der erwachsene Kyle in der Fremde, die das Publikum gar nicht erst kennenlernen wird, einen Anruf von Caitlin, die sich daran erinnert, dass er nach der Ermordung seiner Mutter ebenfalls an Nachtangst litt.
Sofort erscheint Kyle am Krankenbett, lässt das fremde Kind Vertrauen schöpfen; der Film indes lässt das Kind nicht einfach bloß Vertrauen schöpfen, sondern etabliert es zudem auch als psychologisch versierten Menschenkenner, der Kyle zu durchblicken imstande ist (was aus dem Kind eine bizarre Figur macht, die unpassend reif klingende Sätze von sich gibt). Denn Kyle verleugnet (dem Kind und auch Caitlin gegenüber) mit geringem Erfolg seine eigene Begegnung mit der Zahnfee.
Der zuvor gar nicht erst eingeführte Kindheitsfreund Larry – der mittlerweile intime Bande mit Caitlin einzugehen scheint – erscheint, als Caitlin Kyle über seine entscheidende Nacht auszufragen beginnt. Man landet in der Bar des Ortes, in der Angus Sampson (einer der Geisterjäger aus dem "Insidious"-Kosmos in seinem ersten großen Kinofilm) als primitiver Rowdie den vermeintlich perversen Muttermörder aufreiben will. (Auch so ein reißbrettartig verhandeltes, für die Begriffsstutzigen zugespitztes Klischee in diesem Film: der tumbe Rohling, der eigenes Gewaltpotential in Minderheiten projiziert, um dann einerseits sein eigenes Gewaltpotential ausleben und sich andererseits völlig im Recht fühlen zu dürfen.) Nachdem sich die Zahnfee (auf der Jagd nach Kyle?) den Schlägertypen schnappt und mit ihm davonfliegt, wird Kyle erst bei Caitlin verarztet und später als Tatverdächtiger inhaftiert. Zwischendurch hat er aber Caitlin endlich die Wahrheit über die Zahnfee berichtet – und dringlich geraten, sich ihren etwa zehnjährigen Bruder Michael nicht im Dunkeln aufhalten zu lassen. Und so setzt der besonders typische 08/15-Part ein: Kyle plagt sich mit ungläubigen Polizisten, Caitlin mit ungläubigen Ärzten, die Michael einer Dunkelheits-Therapie aussetzen wollen, derweil die Zahnfee Jagd auf ihre Opfer macht – und Mainstreamkonventionen bedienend Larry aus der Welt schafft, der zuvor noch davon berichtete, seit Jahren bei Caitlin landen zu wollen, welche aber nur an ihren Bruder Michael und den Kindheitsfreund Kyle denken könne; damit im Happy End (nach nächtlichem Stromausfall und Finale im Leuchtturm) Kyle, Caitlin und Michael als glückliche Semi-Familie zusammenleben können: Mann, Frau und Junge – alles ganz aseptisch, ohne unfeine Sexualität; ein keuscher Kuß auf Mund und Wange am Ende der Kindheit war alles.
Ich möchte ein bisschen bei der Moral des Films verweilen, ehe ich wieder auf den Kontext des Teenie-Horrorfilms zurückkommen werde (dessentwegen ich die Reißbrettartigkeit des Films so zu betonen bemüht bin).
Man ist von Hollywoods Mainstream-Romanzen mitunter Übles gewohnt. Dass hier ohne große Skrupel potentielle Rivalen der Hauptfigur (im Kontext des Genres zudem auf sehr grausige Weise) auf der Strecke bleiben und den Weg für eine glückliche Beziehung frei machen, dass die Hauptfiguren zudem keimfrei-asexuelle Seelenverwandte sind, die auch nach 12-jähriger Abwesenheit wesensverwandt sind, verwundert daher nicht sonderlich. Interessanter ist aber der ebenfalls zweifelhafte Rachestrang dieser Horrorstory, der in größeren Vorbildern subversivere, hier jedoch reaktionärere Formen annimmt.
Zu den großen Vorbildern zählt – wie auch jüngst in "Polaroid" (2019), einem aktuelleren Rachegeist-Beitrag – fraglos "A Nightmare on Elm Street" (1984). Hier wie dort rächt sich ein Selbstjustiz zum Opfer gefallenes Narbengesicht an den Nachfahren seiner Henker, indem er deren Kinder in ihren Betten heimsucht (derweil sich Ärzte und Polizisten eher als Behinderungen, weniger als Hilfeleistende erweisen). Auf formaler, dramaturgischer Seite lässt sich beobachten, wie stimmig sich die Geschichte bei Craven zusammenfügt und welches Gestümper bei Liebesman und seinen Autoren Fasano, Vanderbilt und Harris waltet. Die Entstelltheit Freddy Kruegers ist direktes Resultat der (Un-)Tat seiner Henker(innen). Matilda Dixon hingegen – von Stan Winston hübsch kreiert, im Kamera- und Montage-Ungeschick jedoch schlecht eingefangen! – trägt ihre Narben von einem lapidaren Brand davon, der für die Geschichte im Grunde keine Rolle spielt, um Jahre später erhängt zu werden. Zwar lassen ihre Entstelltheit und ihr daraus resultierendes Außenseiterdasein die Frau zur Tatverdächtigen werden, welche schließlich gelyncht wird, aber die Andersartigkeit hätte man auch anders bewerkstelligen können, sodass der effektvolle Brand der Prätitelsequenz eine Schlüsselposition einnimmt, die ihm handlungslogisch kaum zukommt. Nicht die Entstelltheit ist das einschneidende Ereignis, sondern der Lynchmord, in den sich die vagen Ablehnungen des Umfelds konkretisieren. (Diese kollektive Schuld spiegelt der Film immerhin noch einmal in der individuellen Schuld des primitiven Raufbolds in der Kneipe, der so gesehen ganz zu Recht zum Opfer Dixons gerät.) Und so wird die Gemeinde Darkness Falls nicht etwa vom hässlichen Ausdruck einer eigenen Kollektivschuld heimgesucht, den sie der bedauernswerten Dixon quasi ins Gesicht geschrieben hätten, sondern eben von der unfallbedingten Hässlichkeit des später gelynchten Brandopfers. "Euer Unrecht hat das Unheil ausgelöst", so schreit die Handlungslogik; aber die Bilder raunen: "Hässlichkeit vollbringt Böses."
Gewiss: Diese Abweichung vom cravenschen Vorbild mag sich dem Umstand verdanken, dass man die plagiierende Nähe zum Vorbild bloß etwas kaschieren wollte. Eine Nähe, die zugleich eine Nähe zum klassischen Motiv der sich rächenden, hingerichteten Hexe darstellt: Man denke an Barbara Steele, die in Bavas "La maschera del demonio" (1960) mit den blutigen Löchern der Dornenmaske ihrer Folterer zurückkehrt. (Wo Liebesman solche Nähen meidet, hat Burtons Rachegeist-Film "Sleepy Hollow" diese Nähe durch überdeutliche Zitate untermauert.) Somit ist Hässlichkeit hier nicht mehr auch konsequentes Resultat (und somit Ausdruck) einer eigenen Missetat (des Lynchmobs); sondern bloß noch Bild des Bösartig-Fremdartigen (da der Film es nämlich vergeigt, das asoziale Ausgegrenztwerden der Hässlichkeit/Andersartigkeit/Fremdheit konsequent anzuklagen, um lieber selbst den Abscheu vor der Hässlichkeit zu befeuern, wie zu zeigen sein wird.)
Ausgleichen sollte diese Missstände eventuell die Porzellanmaske, welche Matilda Dixon in die Nähe des Phantoms der Oper rückt: in Leroux' Roman noch entstellt geboren, in vielen Verfilmungen meist entstelltes Opfer eines Attentats oder eines (nicht selten durch Konkurrenten provozierten) Unfalls. Erik, das Phantom, stand in den vielen Verfilmungen meist als tragisches Schreckgespenst den bedauernswerten Halbwesen nahe. Eine Figur, die Leid verbreitet, selbst aber übergroßes Leid und Unrecht erleiden musste und diese tragischen Aspekte etwa in der Verkörperung durch Lon Chaney in "The Phantom of the Opera" (1925) mit großem Gestus effektiv ausstellt. Davon bleibt hier indes nichts: nur das Zitat, bloß die reine Maske. Matilda Dixon ist bloß in der dreiminütigen Schilderung einer Legende eine tragische Figur, agiert dann aber im restlichen Film als ausschließlich bedrohliche Figur – selbst ihre Demaskierung wird bloß genutzt, um Winstons Arbeit als Schockeffekt (wenig effektiv) zu nutzen. Kein Leid liegt in ihren Augen, bloß Zorn und physischer Schmerz.
"I see you! Bitch!" Das sind die Worte, die Kyle seiner Nemesis im Finale entgegenschreit, nachdem er sie demaskiert und dem Licht des Leuchtturmscheinwerfers ausgesetzt hat. (Die deutsche Synchronisation hat immerhin genug Anstand besessen, aus der Bitch ein Monster zu machen.) Und Dixon schäumt vor Wut. Was noch einmal den entscheidenden Gedanken der Prätitelsequenz betont: Dixon, die einstmals wunderhübsche (so betont es der Film!) Frau, verflucht ihre Peiniger nicht etwa, als man ihr den Strick um den Hals legt: sondern erst dann, als man ihre Maske entreißt und ihr hässliches Antlitz enthüllt. Es sind eher niedere Beweggründe des gekränkten Stolzes, den man dem Schreckgespenst hier beimisst. Es ist die Hässlichkeit der ehemals Schönen, die ihren wahren Charakter ans Licht bringt – Schönheit und Güte erweisen sich als Maske.
Ein Unrecht begangen hat Dixon vor ihrem Tode aber nicht. Noch so eine wichtige Abweichung von "A Nightmare on Elm Street": Dort rächte sich eine Elterngeneration an einem latent pädophilen, sadistischen Kindermörder, der nach einem Verfahrensfehler freikommt; doch ihre in eine Untat überführte, moralisch erst einmal durchaus gerechtfertigte Rachsucht sucht sie später heim; das sadistische Lynchmob-Opfer Freddy Krueger wird zum Alptraum und die Kinder werden von der Schuld der Eltern heimgesucht. Bei der Bekämpfung des Bösen mit dessen Methoden haben sich die Angehörigen eines zivilisierten Rechtssystems selbst ein Unheil zugefügt und das anfänglich ohnehin schon Böse tatkräftig vermehrt. Ähnliches gilt für den oben angesprochenen "Polaroid".
"Darkness Falls" hingegen lässt eine zuvor schuldfreie Person Rache (an gerade noch unschuldigen Kindern zum Zeitpunkt ihres Erwachsenwerdens) nehmen – und bekräftigt somit den ursprünglich unbegründeten Anfangsverdacht des Lynchmobs und stellt in diesem Rahmen über die Eitelkeit Matilda Dixons klar: Sie hatte tatsächlich einen schlechten Charakter; ihre Hässlichkeit erst ließ ihn zutagetreten. Wie in den reaktionäreren Hexenfilmen kehrt die öffentliche Hinrichtung erst das verschlagene Wesen der Hexe hervor, die tatsächlich etwas auf dem Kerbholz hat. Der Lynchmord auf dem Scheiterhaufen ist dort dann mitunter kein Unrecht mehr, sondern erweist sich als reinigendes Ritual, das die ungeschminkte Wahrheit ans Licht holt.[2]
Da nun aber trotz aller unglücklicher Veränderungen die Sippenhaft der Nachfahren schuldiger Vorfahren in "Darkness Falls" mit der Sippenhaft der Teenager schuldiger Eltern in "A Nightmare on Elm Street" verwandt ist (zumal die schuldig gewordenen Vorfahren ebenfalls als Erwachsene ihre Kinder rächen und schützen wollten), mag nun der passende Zeitpunkt gekommen sein, "Darkness Falls" wieder im Kontext des Teenie-Horrorfilms zu betrachten.
Die ohne Feinschliff oder Nuancierungen nach Schablonen zusammengebastelte Handlung spart alle Möglichkeiten des Stoffes aus und entschließt sich, rein auf Schauer- und Schockeffekte zu setzen. Eine Methode, die üblicherweise nur die Jungen (oder die dumm gebliebenen oder die fanatischen horror buffs) auf den Plan ruft. Unter Vermeidung jeglicher Tiefe wird die banale Oberfläche der story eines rächenden Schreckgespensts runtergerattert, welcher man für die Leichtgläubigen noch eine falsche eche Legende an die Seite gestellt hat. Auch wenn das Drehbuch ursprünglich ein älteres Publikum anvisiert haben mag (wofür einiges spricht), so scheint das fertige Produkt bloß die jugendliche popcorn crowd im Auge zu haben...[3] Für die jugendliche Perspektive bedeutet das, dass man sich im Dazwischen einrichten muss: Man ist als jugendliches Publikum älter als der junge Kyle (der gerade erst den letzten Milchzahn verloren hat), die junge Caitlin oder der kleine Michael, zugleich aber jünger als der (mindestens) zwölf Jahre später erwachsene Kyle (oder Caitlin). Und so ist ein Coming-of-age-Aspekt überraschenderweise doch vorhanden in diesem Film ohne Teenager: Der Coming-of-age-Aspekt wird über eine Nullstelle ins Bewusstsein gerufen; über die Ansichten, woher man kommt und wohin man gelangen kann, nötigt der Film einem jugendlichen Publikum eine Verortung der eigenen Identität auf. Auch wenn die schnell vorangepeitschte Geschichte kaum Raum für ein ausgiebiges Sinnieren lässt, so wird doch mit diesem konsequenten Ausblenden des dennoch insgeheim verhandelten Alters (zwischen 12 und etwa 25-30 Jahren) ein Leerraum geschaffen, der das eigene Nicht-mehr-12 und Noch-nicht-30 eines jugendlichen Publikum empfindlich gewahr werden lässt.
Immerhin wird das Übernehmen von Verantwortung im Erwachsenenalter als Subtext nahegelegt; immerhin wird explizit ausformuliert, was den Erwachsenen in puncto Furcht vom Kind unterscheide; und immerhin ist der erwachsene Kyle in "Darkness Falls" zwar ein Erwachsener mit allen Erfahrungen eines Erwachsenen, wird seinen festen Platz aber erst am Ende des Films (scheinbar) gefunden haben. Diese durch ausgesparte typische Identifikationsfiguren für ein jugendliches Publikum aufgeworfene „Wo bin ich in zwölf Jahren?"-Frage dürfte weit wirkmächtiger sein als die doch etwas konstruierte Fabel des Erwachsenen, der sich verdrängten Traumata stellen muss und endlich seinen eigentlich vorhergehenen Platz im Leben einnehmen kann... und auch wirkmächtiger als die doch etwas umständlich über Genrefilm-Kontexte ins Spiel kommende Frage nach Schuld und Moral und dem Umgang mit dem Anderen.
Kaum wirkmächtig fallen hingegen die Schauder- und Schockeffekte des Films aus: "Darkness Falls" bietet mit flachen Figuren, einer minderwertigen Montage und trivialen oder bombastischen Störelementen in potentiell atmosphärischen Situationen kaum Highlights: weder im Wald, noch in leeren, düsteren Krankenhauskorridoren, noch im Leuchturm-Finale, welches einem möglichen Vorbild wie "The Fog" (1980) extrem unterlegen ist... die anfängliche erste Schauerszene im dunklen Kinderzimmer bleibt da die am ehesten effektive Szene. So bleibt "Darkness Falls" ein reaktionärer, reichlich bieder-prüder Genrefilm vom Reißbrett, voller dramaturgischer und handwerklicher Unzulänglichkeiten, der kaum das beherrscht, was ein Horrorfilm eigentlich verspricht...
4,5/10
1.) Es scheint – gleichwohl auch die jüngsten Genrebeiträge wie "Wish Upon" (2017), "Truth or Dare" (2018) oder "Polaroid" (2019) nach wie vor deutlich wahrnehmbar auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet sind – mit jeder Welle eine etwas unschärfere Grenze zwischem dem Teenie-Horrorfilm und dem Horrorfilm für eine breiteres oder gereifteres Publikum zu geben. Wohl auch deshalb, weil die Rezipienten einer jeden Ära mit der kommenden Welle mitgehen können; die Generation von "I Was a Teenage Werewolf" mit dem "Teen Wolf", die Generation von "The Burning" (1981) mit "The Final Girls"... Popkulturelle Erscheinungen wie Michael Myers oder Troma altern nicht, halten die ersten Fans bei der Stange und holen immer wieder nachwachsende Anhänger ab, um dabei einen immer breiteren Bereich abzudecken. Und für die mit dem Internet aufgewachsene Generation, für welche die unterschiedlichsten Dekaden oder das Elitärste und das Trivialste bloß einen Mausklick auseinanderliegen, mag das in ganz besonderer Weise gelten.
2.) Ein minimal glücklicheres Händchen hatte jüngst das Blumhouse-Vehikel "Ma" (2019): Hier treibt in einer Gegenwart der entspannten Verbrüderung von Farbigen und Weißen eine ursprünglich scheinbar tatsächlich gutmütige Mammy ihr Unwesen, deren Störungen (etwas plakativ) über langwieriges Mobbing der schwarzen Außenseiterin in einer anderen Generation begründet werden – wobei die schreckliche Ma hier auch tatsächlich tragische Züge verliehen bekommt.
3.) ...und konfrontiert dieses mit einer Story über Erbschuld und Verantwortung. Im Bemühen, die eigenen Kinder zu schützen, haben die Erwachsenen einst das Wohlergehen der Kinder verspielt. Schaut man auf die bloße Geschichte, so werden hier Kinder gestraft, um die Eltern an der empfindlichsten Stelle zu treffen. Man kann den Film aber eben – gerade vor dem "Nightmare on Elm Street"-Hintergrund und weil die Sippenhaft hier über viele Generationen noch ausgeweitet wird – auch noch anders lesen: dann würde eine Gesellschaft, die ihre eigenen Werte verrät, nicht bloß die gegenwärtige Lage, sondern auch den gesamten künftigen Werdegang dieser Gesellschaft beschädigen.