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Rose, Tochter des weißen Akademikerpaares Missy und Dean Armitage, möchte den Eltern ihren schwarzen Freund Chris Washington vorstellen. Auf dem abseits gelegenen Landgut werden die beiden freundlich empfangen. Nein, Rassismus gibt es hier nicht. Er hätte auch zum dritten Mal Obama gewählt, betont Vater Dean, ein versierter Neurochirurg.

Doch irgend etwas scheint nicht zu stimmen. Das schwarze Dienstpersonal benimmt sich seltsam, agiert wie in Trance. In selbige versetzt Mutter Missy, eine Psychiaterin, Chris, angeblich, um ihm das Rauchen abzugewöhnen. Am nächsten Tag findet eine sonderbare Dinnerparty mit älteren, gebildeten weißen Herrschaften statt. Chris' Unbehagen steigt, besonders als er auf Hinweise stößt, die ihm nahelegen, dass seine Freundin nichts weiter als ein Lockvogel ist für diesen scheinbar liberalen Akademikerzirkel. Sein Fluchtversuch wird mittels Hypnose durch Löffelgeklimper gestoppt und schon sieht er sich in einem finsteren Keller, gefesselt an einen Sessel, wo ihm Dean sein Schicksal ausbreitet: Verbesserung der Lebensqualität eines blinden weißen Galeristen, dessen Gehirn in den Kopf des jungen Schwarzen gesetzt werden soll.

Ganz im Ernst, das ist doch dermaßen absurd, dass es nicht einmal im Gewand einer Satire/Komödie (denn das soll GET OUT, das Debüt des ehemaligen Comedians (!)/Schauspielers Jordan Peele doch wohl sein) funktioniert. Auf diesem Niveau geht es weiter: Chris flieht, vor der Hypnose, geschützt durch Ohrstöpsel aus dem Füllmaterial des Sessels (wie er das Material trotz fester Fesselung an den Handgelenken in seine Ohren bekommen hat, wird mir ewig ein Rätsel bleiben), eine Spur der Vernichtung hinter sich erzeugend. Leichen pflastern seinen Weg. Pardon.

Hier wird Rassismuskritik auf oberflächlichstem Reflexionsniveau geboten. Die "liberalen Weißen" sind allesamt Rassisten, die Teilnehmer der Party wirken wie Schablonen dieses Persönlichkeitstyps. Alle Schwarzen sind Opfer. Ambivalente Charaktere kommen in diesem Weltbild nicht vor.

Der Film reproduziert, zementiert, ja zelebriert Vorurteile anstatt sie zu analysieren. Das ist immens ärgerlich. Dabei hätte man es so viel besser machen können wie z. B: SUPREMACY, wo der sich überlegen fühlende Arier in einer Konfrontationssituation mit einer schwarzen Familie gezwungen ist, sich mit seinen Vorurteilen auseinanderzusetzen. Nichts davon in GET OUT, eine Figurenentwicklung findet nicht statt.

Der Film ist auch schlicht zu lang, tritt vor allem im Mittelteil auf der Stelle, man merkt, dass Peele noch die Erfahrung fehlt. Dafür schießt er am Ende fast aus der Kurve.

Bei den Schauspielern können eigentlich nur Bradley Whitford als Oberschurke Dean, Catherine Keener als Missy und Daniel Kaluuya als Chris überzeugen, der Rest agiert auf Dorftheaterniveau.

Wie GET OUT den Blutzoll während Chris' Ausbruchs-/Racheaktion bis an die Grenzen des Erträglichen hochtreibt, hat Peele wohl von Tarantino abgeschaut. Auf einmal wirkt der Film sehr kalkuliert auf die Bedürfnisse des gemeinen Splatterfans zugeschnitten. Als Horrorfilm punkten kann er dagegen kaum, trotz einiger Kniffe aus der Mottenkiste des Genres. Eine bedrohliche Atmosphäre zu kreieren, gelingt Peele nämlich nicht. Der Blödsinn hatte ja Priorität.

Summasummarum halte ich GET OUT für ausgemachten Firlefanz, der aber offensichtlich für viele eine gewisse Beruhigungs-/Alibifunktion ausübt. Da kann man sich entspannt zurücklehnen, auf die Schulter klopfen und sagen: "Nein, ich bin kein Rassist". Wer's glaubt ...

Letztlich wurde hier ein eminent wichtiges gesellschaftspolitisches Thema im Sumpf billigster Unterhaltung versenkt.

3/10

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