Große Leistungen ohne Anerkennung sind das Thema dieser biografischen Verfilmung um drei afroamerikanische NASA-Mathematikerinnen zu Zeiten von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson. Ein Extrembeispiel für Diskriminierung steht auf dem Plan; Hautfarben- und Genderthemen werden miteinander verknüpft und in ein berufliches Umfeld gelegt, das für Außenstehende bis heute als Synonym für Willenskraft und Traumerfüllung steht. So erzeugt die Inhaltsangabe nicht wie bei vielen anderen Rassismus-Dramen ein Gefühl von „unglaublich, dass so etwas zu dieser Zeit noch passiert ist“; ein Ausdruck, mit dem man sich selbst auch immer ein wenig rein wäscht. Vielmehr empfindet man Verwunderung darüber, dass überhaupt in den 60er Jahren dunkelhäutige Mathematikerinnen bei der NASA angestellt waren. Man ist dazu versucht, schon dies als fortschrittlich zu bewerten. Darauf aufbauend, ist es das Ziel dieses Films, zu beweisen, dass der Schein trügt.
So ist der metaphorische Gehalt dieser historischen Erzählung nicht zu unterschätzen. Kleine Bildnisse ziehen sich durch die gesamte Handlung, wenn die Protagonistinnen ihr Umfeld davon überzeugen wollen, dass es notwendig ist, Grenzen zu überschreiten, oder, wie es ihr Boss (Kevin Costner) mit ganz anderer Intention im Hinterkopf ausdrückt, „über die Zahlen hinaus zu denken“. Weiße in hohen Positionen werden daran erinnert, dass auch sie Grenzen durchbrechen mussten, um ihren Status zu bekommen; der erste Mann im All wird zum Symbol für das Avantgardistische, dem es auf anderen Positionen nachzustreben gilt.
Am besten ist „Hidden Figures“ im Grunde, wenn er die Nebenfiguren zu spontanen Reaktionen verleitet, die ein von gesellschaftlichen Umständen verblendetes Denken unter Beweis stellen. Dies gelingt oft in kleinen Gesprächen mit den unterschiedlichsten Menschenschlägen, die sich alle im gleichen Maße von dem Diktat ihrer Umwelt beeinflusst sehen; ob weiße Frauen (Kirsten Dunst), schwarze Männer (Mahershala Ali), schwarze Frauen (jede der drei Hauptdarstellerinnen) oder weiße Männer (Jim Parsons). Gerade dies macht Kevin Costners Rolle so besonders: Costner ist hervorragend darin, eine Immunität, aber auch Blindheit gegenüber rassistischen Themen auszustrahlen. Sein völliges Desinteresse an allem Privaten lässt ihn im Sinne von Arbeitsschutzgesetzen fragwürdig erscheinen (ein Thema für einen anderen Film vielleicht), im Kontext dieses Films jedoch hat er eine beneidenswert neutrale Ausstrahlung. Ihm dabei zuzusehen, wie er aus reiner Pragmatik heraus das Schild einer Toilette für Schwarze zertrümmert und dem gleichberechtigten Stuhlgang die Pforten öffnet, im Endeffekt nur, um die Effizienz der Arbeit seiner Angestellten zu erhöhen, ist eine Freude, denn sie drückt vor allem eines aus: Die Unlogik der Rassentrennung.
Leider ist „Hidden Figures“ in vielerlei anderer Hinsicht kaum mehr als durchschaubare Oscar Bait. Ansetzen kann man schon beim Filmtitel, der sich allenfalls darauf bezieht, dass die Lebensgeschichte der Frauen erst durch diesen Film für die breite Öffentlichkeit bekannt gemacht wird, da sie am Ende der Handlung gemäß eines etablierten Happy-End-Anspruchs sehr wohl Anerkennung erfahren und Fortschritt erzwungen haben. Doch wie viele andere NASA-Mitarbeiter, egal ob schwarz oder weiß, mag das breite Publikum wohl beim Namen nennen können? Wo sind die weißen Frauen mit Intellekt, wo werden Armut und Herkunft thematisiert? Theodore Melfi verwendet einen doch sehr beengten Blickwinkel auf den Arbeitsmarkt, und nicht einmal auf diesen im Generellen, sondern nur auf die Beschäftigungsverhältnisse im Langley Research Centre. Es wird suggeriert, dass es nur diese schwarzen Frauen gab, die für ihr Recht kämpften, in das selbsterklärte Revier weißer Männer einzudringen.
Die Narration ist völlig auf den Arbeitsalltag eingeschossen, der mit Lösungsansätzen der Marke „A Beautiful Mind“ oder „The Imitation Game“ hübsch ausgeschmückt wird, um eine fachliche Brillanz anzudeuten, mit welcher der zur Schau gestellte Mad-Men-Chauvinismus neutralisiert werden soll. Das geht sogar so weit, dass die familiären Umstände völlig vernachlässigt werden. Wenn Katherine nach einem 16-Stunden-Tag von der Arbeit zu ihren drei Kindern zurückkehrt, wirkt es doch sehr unglaubwürdig, dass sie immer noch dazu in der Lage ist, perfekt geschminkt bei ihnen zu sitzen und eine „gute Mutter“ zu sein.
Eigene Pioniersleistungen in Sachen Minderheitendrama verbaut sich „Hidden Figures“ damit wieder, denn am Ende des Tages bleibt seine Oscarnominierung leider nicht die einzige Vorhersehbarkeit.